Vor Jahren noch hätte eine derartige Warnung das Potenzial gehabt, weite Teile der Patientenschaft zu solidarisieren. Im November 2023 ist die Lage etwas anders. Denn heute müssen sich die Kammer bzw. deren Protagonisten zunächst einmal die Frage stellen, ob bei ihnen Selbst- und Fremdbild mittlerweile nicht gehörig auseinanderklaffen.
Was das Fremdbild angeht, ist der Befund desaströs: Über Monate haben sich führende Funktionäre in einem beispiellosen Machtkampf selbst beschädigt, der hemmungslos, öffentlich und mit irrwitzigen Vorwürfen geführt wurde. Da warfen einzelne einander das „Mindset von Mullahs“ vor; man feilte an anonymen Anzeigen; in einer Sitzung soll es gar zu Handgreiflichkeiten gekommen sein. Wie gesagt: Wir sprechen hier von den gewählten und bezahlten Interessenvertretern einer Berufsgruppe, die laut Umfragen – noch? – höchstes Vertrauen genießt.
Abgesehen von den infantilen Grabenkämpfen im Inneren stellt sich bei den Kämmerern die Frage der inhaltlichen Stringenz nach außen.
Wenn Kammervertreter völlig zu Recht festhalten, dass Österreichs Wahlärzte einen wesentlichen Beitrag zur medizinischen Versorgung leisten, so können sie nicht gleichzeitig darauf pochen, dass sich diese Kollegen aussuchen dürfen, ob sie an unverzichtbaren Gesundheitsnetzen wie der eCard überhaupt teilnehmen.
Und wenn Kammervertreter die einheitliche Codierung von Krankheitsbildern ablehnen und damit einfach fortschreiben, dass Patienten handgeschriebene Arzt-Zettel bei ihrer Krankenkasse einreichen müssen, ist das kein Ausdruck der ärztlichen Freiheit, sondern einfach nur antiquiert.
Nach außen wie innen geschlossen, stringent und konstruktiv bei den Inhalten: Das ist das Erfolgsrezept für gewichtige politische Player. Wenn die Ärztekammer diese Regeln wieder stärker beherzigt, wird sie in der gesundheitspolitischen Diskussion wieder Gewicht gewinnen. Es wäre ihr und den Patienten zu wünschen. Der angenehme Nebeneffekt für alle Beteiligten: Kampfrhetorik mit alten, armen Mutterln wären dann vielfach überflüssig.
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