Seit heute wissen wir es: Othmar Karas hat mit einer "persönlichen Erklärung" klargemacht, dass er bei der EU-Wahl nicht mehr kandidieren wird. Nicht für die ÖVP, auch nicht für eine andere Partei. Begründet hat er es mit den Verwerfungen in der Politik. Da hat er zwar zu Beginn seiner EU-Abschiedsrede alle drei großen Parteien genannt, tatsächlich geht es ihm aber nur um die ÖVP. Von ihr fühlt er sich verraten; mit ihr will und kann er nicht mehr auf einer Linie sein - Stichworte Bargeld, Schengen-Veto, Normalsein-Debatte - dort fühlt er sich vor allem zu wenig erwünscht.
➤ ÖVP-Parteirebell Othmar Karas: Kompromisslos für die europäische Sache
Wobei er der ÖVP mit seiner Ankündigung, nicht mehr antreten zu wollen, eine schwierige Entscheidung abgenommen hat. In der Parteizentrale in der Lichtenfelsgasse wusste man tatsächlich noch nicht, wie man mit dem längst gedienten ÖVP-EU-Parlamentarier umgehen soll. Es gibt gewichtige Stimmen, die darauf gedrängt haben, nicht mehr mit Karas in die Wahl zu gehen.
Parteirebell
Weil er immer wieder mit Meldungen aus Brüssel die ÖVP-Politik in Wien konterkariere, weil er im EU-Parlament regelmäßig gegen seine eigene Fraktion stimme, weil er sich um die türkise Tagespolitik nichts schere. Auf der anderen Seite wurde von Strategen darauf verwiesen, dass Karas bei EU-Wahlen sehr viele Stimmen gebracht hat und bringen würde. Vor allem aus dem eher linken Lager, wie interne Umfragen belegt haben sollen. Diese Überlegungen können jetzt schubladisiert werden. Und die ÖVP muss sich nicht sagen lassen, dass sie ihren Othmar Karas nicht mehr im EU-Parlament haben wolle.
Der Niederösterreicher machte sein Missverhältnis zu "meiner ÖVP" am derzeitigen Generalsekretär Christian Stocker fest, der ihn als "Saboteur" bezeichnet haben soll. Dieses Missverhältnis hat aber eine längere Geschichte. Das beginnt in der Zeit, als noch Josef Pröll Vizekanzler und Parteiobmann war. Der hatte Karas damals über Nacht Ernst Strasser als Spitzenkandidat für die EU-Wahl vor die Nase gesetzt.
Othmar Karas konterte mit einem grandiosen Vorzugsstimmenwahlkampf, die Leitung der EU-Fraktion erhielt dennoch Strasser - bis er dann über eine Lobbying-Affäre stolperte. Das war auch unter Sebastian Kurz so, der Karas bei der EU-Wahl in den Schatten der nunmehrigen Verfassungsministerin Karoline Edtstadler stellte. Der Konflikt liegt auch in der niederösterreichischen ÖVP begründet, der Othmar Karas intern immer wieder vorgeworfen hat, dass sie zum Beispiel verhindert habe, dass er auf einer Ministerliste aufscheint.
Das alles wurde jetzt mit der persönlichen Erklärung beendet. Othmar Karas wird allerdings ÖVP-Mitglied bleiben und hat angekündigt, weiterhin politisch tätig zu sein. Dass damit die kommende Nationalratswahl gemeint ist, ist vorerst nur Spekulation. Dass ihn eine der aktuellen Parlamentsparteien abseits der ÖVP in ihren Reihen aufnimmt, ist mehr als unwahrscheinlich. Besser gesagt: ausgeschlossen.
Dass er Teil einer neuen Liste ist, wie immer wieder kolportiert wird, und für die auch Ex-SPÖ-Kanzler Christian Kern schon genannt worden ist, klingt da schon plausibler. Aber mit so einer eigenen Liste hatte man auch bei der EU-Wahl gerechnet. Und seit heute wissen wir, dass es sie nicht geben wird.
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