Die Weihnachtstage sind auch jene Zeit, zu der noch am ehesten Menschen mit der Kirche in Kontakt kommen, auch solche, die ansonsten – abgesehen von Taufen, Hochzeiten, Begräbnissen – kaum (mehr) Berührungspunkte mit ihr haben. Kirche, das ist für viele wie ein ferner Gruß aus der Kindheit, vielleicht sogar Sehnsuchtsort, Projektionsfläche für allerlei diffuse, uneingestandene Hoffnungen und Wünsche. Kirche ist so – immer noch – ein Teil jenes Gesamtbildes, welches „Weihnachten“ ausmacht. Und wenn Weihnachten „ein Fest des Heimkommens, ein Fest der Zugehörigkeit“ ist, wie Bischof Glettler im großen KURIER-Interview sagt, dann kommt Kirche hier als (möglicher) Ort von Heimkommen und Zugehörigkeit mit ins Spiel.
Diese Kirche (und wir reden hier von der größten der christlichen Konfessionen, der katholischen) zeigt sich heute freilich insbesondere in Europa seltsam mut- und kraftlos. Die Gründe dafür sind vielfältig. Zum einen hat in müde blinzelnden, wohlstandssatten Gesellschaften der Glaube einen schweren Stand. Zum anderen hat die Kirche auch selbst einiges zu ihrem Verlust an Glaubwürdigkeit und Ansehen beigetragen. Da ist zunächst einmal der – wiederum vielschichtige – Komplex des Missbrauchs zu nennen, der ein wirklicher Skandal im Wortsinn ist: ein skandalon (mit „Ärgernis“ nur unzureichend übersetzt), das an die Fundamente der Institution geht.
„Worte ewigen Lebens“
Aber es griffe zu kurz, das Problem nur darauf zu reduzieren – oder auch auf die immer gleichen „heißen Eisen“, meist unter dem Überbegriff „katholische Sexualmoral“ diskutiert. Vielmehr geht es darum, dass der Kirche vielfach der Mut und die Entschlossenheit zu fehlen scheinen, sich „auf ihr Kerngeschäft“ zu konzentrieren, wie das der Priesterphilosoph Martin Rhonheimer im nebenstehenden Interview ausdrückt: auf die Verkündigung ihrer zentralen Glaubensinhalte bzw. das Bemühen, den Menschen zu helfen, aus diesen „Worten ewigen Lebens“ (Joh 6,68) heraus ihr Leben zu gestalten.
Statt dessen versucht man, in politischen Fragen im zeitgeistigen Mainstream des öffentlichen Diskurses Punkte zu machen. Dass die Kirche auf Seiten der Armen und Schwachen stehen muss, ist unbestritten. Ob sie freilich gut beraten ist, sich zunehmend politisch einseitig zuorden- und vereinnahmbar zu machen, ist mehr als fraglich.
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