Seit der erinnerungswürdigen Pressekonferenz am Achensee ist vieles anders und verblasst. Alexander Schallenberg ist nicht mehr Bundeskanzler, der damalige Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein ordiniert wieder in seiner Gruppen-Praxis. Und dank neuer Impfstoffe, Medikamente und milderer Mutationsvarianten hat Covid-19 viel von seinem anfänglichen Schrecken eingebüßt.
Doch für die FPÖ und ihre Sympathisanten ist der 19. November 2021 alles andere als erledigt, im Gegenteil: Bei der seit Wochen laufenden „Heimat-Herbst“-Tour der FPÖ ist Corona präsenter als viele andere Themen.
Die FPÖ will die Nationalratswahl zu einer „Stunde null“ machen, bei der die „Zeugen Coronas“ bzw. „Volksverräter“ (© FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz) dafür bestraft werden, was sie der Bevölkerung mit den Schutzmaßnahmen „angetan haben“.
Man könnte sarkastisch einwenden: Lasst sie doch! Lasst die FPÖ einfach mit ihrer rückwärtsgewandten Wut allein!
Doch so simpel ist die Sache nicht. Meinungsforscher und Umfragen bestätigen einhellig, was mit Händen zu greifen ist: Auch zwei Jahre nach dem Achensee ist nicht nur Herbert Kickl zornig. Auch ein erklecklicher Teil der Bevölkerung ist zumindest nachhaltig gekränkt.
Im Mai hat die ÖVP reagiert – aber das eher halbherzig. Nach der spektakulär daneben gegangenen Niederösterreich-Wahl wurde in der Bundesregierung ein „Versöhnungsprozess“ angestoßen.
Ein halbes Jahr später ist von diesem Projekt nicht viel mehr bekannt, als dass sich die Akademie der Wissenschaften wissenschaftlich darum kümmert – unter anderem mit 360, statistisch korrekt ausgewählten Menschen, mit denen man „Bürgerdialoge“ führt.
Man muss kein Polit-Fuchs oder großer Experte sein, um zu wissen: Das wird am Ende nicht reichen.
Und im Hinblick auf das anstehende Wahljahr lässt sich sagen: Wenn die Regierung und vor allem die Kanzler-Partei bei der Aufarbeitung der Corona-Wut nicht schnell einige Gänge zulegt, droht ihr am Wahlsonntag ein Denkzettel-Ergebnis. Etwas böser formuliert könnte man sagen: Es droht ein „Tag der Schande“.
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