Das neue Normal

Das neue Normal
Normal ist, was nicht radikal ist, das wird die große Mehrheit in Österreich auch so sehen. Normal ist aber auch, dass es immer heißer wird
Bernhard Gaul

Bernhard Gaul

Es hat wohl auch mit der anhaltenden Hitze zu tun, dass wir eine neue Diskussion über das, was normal sein soll, sogar auf höchster politischer Ebene führen.

Alles begann in St. Pölten, dort kupferte Johanna Mikl-Leitner eine Idee gekonnt vom CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz ab. Der warnte: „Es gibt doch inzwischen Shitstorms gegen jeden und alles, was von der Mehrheit als normal angesehen wird. Wir sollten gerade deshalb aufrecht zu unseren Positionen stehen.“ Sogar (oder logischerweise?) Bundespräsident Alexander Van der Bellen mischte sich in die Diskussion ein („Wir dürfen uns nicht daran gewöhnen, dass wieder von einem ’wir’ und ’den anderen’ gesprochen wird“).

Da waren die Dämme längst gebrochen: Grünen-Chef Werner Kogler hatte Mikl-Leitner bereits geziehen, „präfaschistoid“ zu argumentieren, diese offenbarte diesen Sonntag, wer für sie eigentlich die nicht normalen „Radikalen“ seien: „Ich meine die radikalen Klimakleber, die gerade jetzt im Sommer den Urlaubern das Leben schwer machen.“ (Danach ergänzte sie ihre Definition noch um „Marxisten, Reichsbürger und Verschwörungsfanatiker“.)

Sicher nicht gut gewählt ist von Mikl-Leitner der Zeitpunkt ihrer Kritik. Allein in den vergangenen sieben Tagen wurden weltweit zahlreiche horrende Unwetter- und Feuerkatastrophen als auch neue Hitzerekorde vermeldet, aus Griechenland, Italien, Spanien, der Schweiz, Tunesien und der Türkei, aus den USA, China, Südkorea, Uruguay und Kolumbien. NASA-Forscher schätzen, dass dieser der heißeste Juli „seit Jahrhunderten, wenn nicht sogar seit Jahrtausenden“ ist. Müßig zu erwähnen, dass die heißesten acht Jahre alle seit 2015 aufgetreten sind. Das ist das neue Normal.

Um keine Illusionen aufkommen zu lassen: Selbst wenn Österreich sofort keine Treibhausgase mehr ausstieße, würde das nichts an der Klimakrise ändern. Mehr noch: Wenn die Welt ab heute klimaneutral wirtschaftete, würde sich die Erde noch mindestens zwei Jahrzehnte lang erwärmen, eben weil das Klima träge ist.

Dennoch: Fänden es die Menschen nicht auch normal, wenn Österreich zumindest das Mindeste in Sachen Klimaschutz macht? Etwa: Klare Verantwortlichkeiten benennen, Klimaziele und -Pfade für alle Sektoren gesetzlich verankern? Damit sich der normale Österreicher nicht blöd vorkommt, wenn er versucht, klimafreundlich zu leben. Das alles würde ein Klimaschutzgesetz regeln, das aber für Wirtschaftskammer-General Karlheinz Kopf offenbar ein rotes Tuch ist. Er sei gegen Sektorziele, meinte er erst vor wenigen Tagen, und deshalb werde sich das Klimaschutzgesetz in dieser Legislaturperiode wohl nicht ausgehen. Wir wählen erst im Herbst 2024. Vielleicht sagt ihm ja seine Parteifreundin Mikl-Leitner, dass er seine radikale Haltung beenden sollte.

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