Schwarz-Blau: Blinken an die Ränder

Wenn man das Regierungsprogramm der schwarz-blauen niederösterreichischen Landesregierung durchblättert, kommt man in der ersten inhaltlichen Passage geistig ins Stolpern: „Mehr als drei Jahre lang haben Pandemie und Corona-Maßnahmen das Leben der Bevölkerung in allen Lebensbereichen massiv beeinflusst“, steht da unter der Überschrift "Corona". In diesem banalen Satz verbirgt sich die Unterstellung, dass die Bösartigkeit eines todbringenden Virus mit der Bekämpfung von dessen Auswirkungen gleichzusetzen ist.
Die Regierung des größten Bundeslandes signalisiert damit: Corona war schrecklich, aber ebenso schrecklich waren die Maßnahmen der Regierung. Dass diese die unmögliche Aufgabe hatte, eine blitzartig ausgebrochene, hoch ansteckende Krankheit einzudämmen, wird ausgeblendet. Die Maßnehmen folgten keiner Ideologie, sondern dem nachvollziehbaren Ziel, Spitäler vor dem Zusammenbruch zu retten. Diese standen mehrfach und nachweislich vor dem Kollaps.
Die Freiheitlichen haben mit dem Thema mehr als nur politisches Kleingeld geschlagen, aber dass der Punkt "Corona" noch vor Themenblöcken wie "Arbeit", "Bildung" oder "Familien" genannt wird, spricht eine deutliche Sprache: Eine klientelpolitische Botschaft ist wichtiger als konstruktiver Inhalt.
Geplant ist eine "umfassende Entschädigung und Rückzahlung", wie FPÖ-Chef Udo Landbauer stolz betonte. Wofür eigentlich? Dafür, dass sich Menschen an geltende Verordnungen nicht gehalten haben? Die Einschränkung, man zahle nur jene Corona-Strafen zurück, die vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben wurden, macht nichts besser. Denn: Die Gestraften haben sich nicht im Geiste der Verfassung falsch verhalten. Sie haben es einfach getan. Weil es ihnen egal war, weil sie meinten, private Meinung gelte mehr als Gesetze, oder weil sie angestachelt durch politische Akteure einen Mini-Märtyrerstatus erlangen wollten: Seht her, ich kämpfe gegen ein Unrechtssystem. Das Gegenteil war und ist wahr: Es ging um unser aller Gesundheit. Es wäre das Mindeste gewesen, sich selbst und andere zu schützen. Wer sich dagegen entschieden hat, soll nicht durch Strafrückzahlungen privilegiert werden.

Philipp Wilhelmer
Dass andere Parteien die Rückzahlung der Corona-Strafen ebenso gefordert haben: geschenkt. Die Schwerpunktsetzung im Regierungsprogramm damit zu rechtfertigen, dass Oppositionsparteien unrealistische Forderungen aufgestellt haben, ist aber zu billig. Die ÖVP Niederösterreich ist die mächtigste Gruppe in einer (immer noch?) staatstragenden Partei. Sie regiert hier seit 1945 durchgehend. Verantwortung zu übernehmen hieße, nicht an die Ränder zu blinken und jenen den Rücken zuzukehren, die sich an die Regeln gehalten haben.
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