Als Pamela Rendi-Wagner Vorsitzende der SPÖ wurde, plagte Sebastian Kurz und seine Berater eine „Sorge“: Was passiert, wenn die rote Parteichefin unermüdlich durchs Land tingelt, um sich in Pflegeheimen oder bei Volksfesten die Sorgen der Menschen anzuhören? Wer oder was sollte dann noch verhindern, dass der adretten Ärztin die Herzen zufliegen?
Es wird wohl nie zweifelsfrei geklärt werden, warum die SPÖ vor fünf Jahren darauf verzichtete, die Stärken der ersten Frau an ihrer Spitze zu forcieren.
Fest steht: Als neue Nummer 1 in der SPÖ holt Andreas Babler jetzt nach, was Rendi-Wagner nicht tun wollte oder sollte: Er will sich mit maximalem Aufwand unters Wahlvolk mischen und bis Herbst jeden Bezirk besuchen. Die Idee dahinter: Je mehr Kontakt Traiskirchens Bürgermeister mit einfachen Wählern hat, desto eher wiederholt sich die euphorische Dynamik, die schon bei der Mitgliederbefragung überraschte.
Am Dienstag hat der 50-Jährige seinen ersten größeren Wurf – das neue Team – präsentiert. Was ist von der Mannschaft zu halten?
Babler versucht zweifelsohne eine sichtbare Erneuerung und hat Schlüsselfunktionen mit zum Teil weitgehend unbekannten und damit auch weitgehend unbeschädigten Protagonisten besetzt. Eine der wichtigsten „Bühnen“, das Plenum im Nationalrat, überantwortet er Philip Kucher. Der gebürtige Kärntner ist erfahrener Abgeordneter und gilt als Verbinder ins Lager der Doskozil-Fans. Obwohl Kucher längst eine Schlüsselfunktion innehatte – nämlich die des Gesundheitssprechers der SPÖ – konnte der 41-Jährige sein rhetorisches Geschick im Parlament bislang nur in bescheidenem Umfang zur Geltung bringen. Das wird sich wohl ändern.
Dass Kucher mit Julia Herr und Eva-Maria Holzleitner gleich zwei Stellvertreterinnen unterstützen, ist ein Signal an die Frauen in der Partei – und darüber hinaus.
Ein nicht unwesentliches Detail im Gesamt-Bild: Babler hat offenbar verstanden, dass Politik im Jahr 2023 vom Auftritt im Netz abhängt. So gesehen ist es nur konsequent, die Chefredakteurin des parteieigenen Online-Mediums zur Kommunikationschefin zu machen.
„Wir werden den Druck auf die Regierung erhöhen“, sagte Neo-Parteichef Babler Dienstagabend. Für die größte Oppositionspartei ist das eine „No-na-net“-Ansage.
Die wahre, um einige Schuhnummern größere Aufgabe ist eine andere. Andreas Babler muss nun eine Erzählung finden, wie die SPÖ das Leben der Wähler besser macht, und warum man ihr nach all den internen Kämpfen, Irrungen und Peinlichkeiten wieder Vertrauen schenken kann.
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