Türkische Botschaft in Wien: "Keine gerichtlichen Schritte gegen Güngör"

Kenan Güngör
Der in Wien lebende Soziologe versuche, "eine negative Wahrnehmung gegenüber der Türkei zu schaffen".

Vergangene Woche hat Kenan Güngor in den sozialen Netzwerken für Aufsehen gesorgt. "Es war nur einer Frage der Zeit, dass ich wegen dem, was ich zu den hegemonialen, antidemokratischen Entwicklungen in der Türkei und des Erdoganregimes sage und schreibe, mit zwei Haftbefehlen 'geadelt' wurde", schrieb der in Wien lebende deutsche Soziologe empört auf Twitter. 

Der kurdischstämmige Güngör, der seit vielen Jahren in Österreich tätig ist, gilt als harter Kritiker der Regierung in Ankara. Dennoch kam für ihn die Erkenntnis, dass ihm in der Türkei fünf bis zehn Jahre Gefängnis drohen, schon ein wenig überraschend. "Ich war seit sechs Jahren nicht mehr in der Türkei und wollte überprüfen, ob es vielleicht in nächster Zeit möglich wäre, wieder einzureisen", erklärte er im Gespräch mit dem KURIER. Die Recherche seines Anwalts in der Türkei habe ergeben, dass gegen den 53-Jährigen zwei Haftbefehle vorliegen - wegen Präsidentenbeleidigung und Terrorismus. "Über ein Ermittlungsverfahren wurde ich dabei nie in Kenntnis gesetzt", zeigte sich Güngör verwundert.

"Negative Wahrnehmung gegenüber der Türkei"

Die türkische Botschaft hielt sich zu Güngörs Fall zuerst bedeckt. "Gegenwärtig kann zu diesem Thema keine Erklärung abgegeben werden", hieß es vergangene Woche noch auf KURIER-Anfrage. Am Donnerstag erreichte die Redaktion ein weiteres Schreiben. 

"Seit einiger Zeit ist zu beobachten, dass eine Person namens Kenan Doğan Güngör versucht, eine negative Wahrnehmung gegenüber der Türkei zu schaffen, indem sie in den sozialen Medien und der Presse manche Behauptungen über seine persönliche Situation aufstellt", heißt es darin. "Gemäß den vom Justizministerium der Republik Türkei und unseren Justizbehörden zu diesem Thema erhaltenen Informationen, gibt es keine gerichtlichen Schritte bezüglich der Festnahme der Person, ihrer Fahndung auf internationaler Ebene oder ihrer Auslieferung an die Türkei", wird in der E-Mail klargestellt. 

Güngör müsse das übliche Prozedere durchmachen, behauptet man aus der Botschaft. "Aufgrund eines Antrages ist eine Einvernahme der betroffenen Person erforderlich. Die Einvernahme ist ein natürlicher Bestandteil jedes Gerichtsverfahrens".

"Im Dunkeln gelassen"

Inzwischen hat sich auch Güngör per Twitter zu Wort gemeldet. Die "euphemistische, bagatellisierende Normalisierung der Gewalt" sei ein "Kennzeichen von Unrechtsregimen", schrieb der Soziologe und stellte nochmals seine Sicht der Dinge dar: "Richtig ist: Ursprünglich wurde meinem Anwalt von der Staatsanwaltschaft mitgeteilt, dass ich wegen Präsidentenbeleidigung & Terrorpropaganda per Haftbefehl gesucht werde. Da der Akt unter Verschluss liegt, war eine Akteneinsicht nicht möglich. Man hat uns im Dunkeln gelassen".

Mittlerweile habe sich laut Güngör eine Anzeige gegen ihn in Luft aufgelöst. "Gestern hat mein Anwalt herausbekommen, dass auf 'wundersamer Weise' die Anzeige wegen Präsidentenbeleidigung nicht mehr existiert und ich 'nur' noch wegen Terrorunterstützung gesucht werde. Das haben wir endlich auch amtlich bekommen".

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