Kroatien steht vor turbulenten Zeiten - und möglichem Rechtsruck

Premier Andrej Plenković lässt sich auf einer Bühne feiern
Die bei der Parlamentswahl siegreichen Rechtskonservativen wollen weiter regieren, aber auch andere Optionen offen. Der Weg zu Parlamentsmehrheit muss erst gefunden werden.

In Kroatien steht nach der Parlamentswahl vom Mittwoch eine schwierige Regierungsbildung bevor. Die rechtskonservative Kroatische Demokratische Gemeinschaft (HDZ) von Premier Andrej Plenković strebt nach einem klaren Wahlsieg eine dritte Amtszeit an.

Der Weg zu einer Regierungsmehrheit ist aber nicht einfach. In kroatischen Medien kursieren mehrere Optionen, die auf eine turbulente Zeit nach der Wahl hindeuten.

Die HDZ kommt nicht auf die benötigte, absolute Mehrheit

Die HDZ wird anders als bisher einen Partner aus den Oppositionsreihen brauchen. Als Königsmacherin wird die rechtsextreme Heimatbewegung (DP) gehandelt, die laut Politikexperten für Plenković aber kein optimaler Koalitionspartner wäre. Der Regierungschef, der nach langer Wahlnacht am Donnerstag bereits in Brüssel beim EU-Gipfel war, kündigte via Facebook an, dass man schon bald erfahren werde, mit wem die HDZ eine neue Mehrheit bilden werde. "Alles läuft gut, die Sieger werden auch in dritter Amtszeit die kroatische Regierung führen", schrieb er.

Die HDZ, die mit 61 von 151 Parlamentssitzen zwar die meisten, aber weniger Mandate als 2020 erreichte, kommt gemeinsam mit acht Minderheitenvertretern, mit denen sie schon bisher regierte, nicht auf die benötigte, absolute Mehrheit von mindestens 76 Mandaten. Zusammen mit der DP, die mit 14 Mandaten drittstärkste Kraft wurde, und den Minderheitenvertretern würde es hingegen für eine stabile Mehrheit reichen.

Rechtsextreme Heimatbewegung als Königsmacherin 

Eine Zusammenarbeit mit den Rechtsextremen würde für die HDZ laut Politikexperten aber auch einen hohen Preis haben. Sie müsste bestimmte Zugeständnisse machen, der bisher eher gemäßigt konservative Kurs von Plenkovićs Regierung müsste einem Kurs weiter rechts weichen. In der erst vor vier Jahren gegründeten DP finden sich auch abtrünnige HDZ-Mitglieder wieder, denen die Partei unter Plenković zu sehr von ihrem früheren, nationalistischen Kurs abgewichen war.

Unterdessen scheint die DP die Rolle der Königsmacherin bereits eingenommen zu haben. Parteichef Ivan Penava zeigte sich in der Wahlnacht gesprächsbereit, schloss aber explizit eine Zusammenarbeit mit der Partei der serbischen Minderheit (SDSS) aus. Die Bedingung dürfte Plenković vor ein Dilemma stellen: Bisher war die SDSS Koalitionspartner in seiner Regierung und hielt auch einen von mehreren Vizepremiers-Posten. Wie das Nachrichtenportal Telegram kommentierte, kann es sich Plenković nicht leisten, nicht mehr mit der serbischen Minderheit zu kooperieren; dies käme auf internationaler Ebene gar nicht gut an.

Die linksliberale Opposition will sich nicht geschlagen gegeben

Als Alternative zu einer Koalition mit der gesamten DP wird darüber spekuliert, dass sich Plenković mit möglichen Überläufern aus den DP-Reihen und kleineren, liberalen Parteien eine Mehrheit sichern könnte. Die DP als drittstärkste Kraft zeigt sich zwar geschlossen, Analytiker schließen aber eine Spaltung nicht aus.

Auf der anderen Seite will sich die linksliberale Opposition nicht geschlagen gegeben. Die Sozialdemokraten (SDP) mit ihrem linksliberalen Oppositionsbündnis "Flüsse der Gerechtigkeit" kündigten in der Wahlnacht an, vom zweiten Platz (42 Mandate) aus eine Regierungsbildung anzustreben. Ihr informeller Spitzenkandidat, Staatspräsident Zoran Milanović, der offiziell nicht kandidieren konnte, hat die Wahlergebnisse bisher nicht kommentiert.

Die links-grüne Partei Možemo (Wir können) forderte unterdessen die Oppositionsparteien sowohl des linken als auch des rechten Lagers auf, ihr Wahlversprechen zu halten und die wegen Korruptionsvorwürfen kritisierte HDZ-Regierung aus dem Amt zu drängen. Den Weg dafür sieht Možemo in einer Minderheitsregierung unter Führung der SDP, die von der Opposition für eine gewisse Zeit, parteiübergreifend geduldet würde.

Als größte Überraschung der Wahl gilt die hohe Wählerbeteiligung. Am Nachmittag lag sie bei 50,6 Prozent, schon zweieinhalb Stunden vor Wahlschluss war bereits die Gesamtbeteiligung der Wahl 2020, die mitten in der Corona-Pandemie stattfand, übertroffen. Nach Teilergebnissen der staatlichen Wahlbehörde haben am Mittwoch insgesamt 62,3 Prozent der kroatischen Wähler ihre Stimme abgegeben.

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