"Impfbereitschaft lässt sich eher der Parteizugehörigkeit zuordnen"

Eine Person erhält eine Injektion in den Oberarm.
Dass Menschen mit Migrationshintergrund Impfmuffel sind, ist laut Migrationsforscherin Kohlenberger nicht belegbar.

Sei es als Virus-Heimschlepper, Intensivstationen-Besetzer, oder als die, die sich nicht impfen lassen wollen: Während der vergangenen zwei Jahre wurden Corona und Menschen mit Migrationshintergrund in verschiedensten Varianten in Verbindung gebracht - und das eigentlich immer in negativer Weise. Was daran wahr ist, und wie sich die Pandemie auf diese Menschen, die vermehrt in systemerhaltenden Berufen arbeiten, auswirkte, wurde in einem Zusammenkommen von Vizebürgermeister und Integrationsstadtrat Christoph Wiederkehr (NEOS) und Migrationsforscherin Judith Kohlenberger, thematisiert.

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„Menschen mit Flucht- und Migrationshintergrund waren und sind von COVID-19 überdurchschnittlich stark betroffen, und zwar nicht vorrangig in puncto Infektionshäufigkeit, sondern vor allem ökonomisch, sozial und psychisch,“ erklärte Judith Kohlenberger, Migrationsforscherin an der WU Wien und Mitglied des Wiener Integrationsrates. In der Pandemie hätten sich bereits zuvor bestehende Ungleichheiten beim Gesundheitszugang, am Arbeitsmarkt, im Bildungssystem und beim Wohnen verschärft.

 „Wir sehen deutlich, dass die Corona-Krise bereits bestehende Ungleichheiten zwischen migrantischer und nicht-migrantischer Bevölkerung verschärfte. Es zeigte sich aber auch, dass erfolgreiche Integration bei der Bewältigung von Covid-bedingten Problemlagen hilft und uns für künftige Herausforderungen wappnet. Gerade die vielen migrantischen SystemerhalterInnen in Krankenhäusern, Handel und Infrastruktur haben uns durch diese Krise getragen“, so Kohlenberger.

Probleme nicht ethnisieren

Zudem haben diskriminierende und rassistische Angriffe laut dem Integrationsrat während der Pandemie zugenommen. „Wir dürfen nicht österreichische Problemlagen, wie eine im internationalen Vergleich geringe Impfquote, ethnisieren und kulturalisieren“, erklärte Kohlenberger. Repräsentative Daten, die eine deutlich geringere Impfbereitschaft unter MigrantInnen im Vergleich mit der nicht-migrantischen Bevölkerung belegen, gäbe es nicht.  Bei den Demonstrationen gegen die Coronamaßnahmen seien MigrantInnen sogar stark unterrepräsentiert.

Ein Mann in einem blauen Anzug gestikuliert vor einem Hintergrund mit dem Schriftzug „Wien“.

Andere Faktoren, wie Alter und Einkommen, würden eine deutlich entscheidendere Rolle spielen. „Die Impfunwilligkeit lässt sich vielmehr der Parteizugehörigkeit zuordnen, als der Ethnischen.“ fügte hier Wiederkehr hinzu. „Umso wichtiger ist es, die Expertise von Wissenschaftler*innen und Forscher*innen ernst zu nehmen und entsprechende Maßnahmen für die Wiener Integrationspolitik daraus abzuleiten.“

Bereits bestehende Bildungsmaßnahmen, wie die Förderung von Deutsch und muttersprachlichen Angeboten, würden daher weiter ausgebaut werden. Mit der Aufstockung der Sprachförderkräfte von derzeit 300 auf insgesamt 500 Sprachförderkräfte wurde im Elementarpädagogikbereich bereits begonnen - 50 Sprachförderkräfte sind seit Herbst neu im Einsatz. Förderangebote wie die Lernförderung in Summer City Camps oder auch die Wiener Lernhilfe der VHS wurden verstärkt. Bereits bestehende Bildungsmaßnahmen wie die Förderung von Deutsch und muttersprachlichen Angeboten sollen weiter ausgebaut werden. „Außerdem werden zusätzlich im kommenden Jahr im ersten Schritt vier Projekte von der Integrations- und Diversitätsabteilung (MA17) ausgerollt“, so Wiederkehr. Die Arbeit im Integrationsbereich dürfe insbesondere in Krisenzeiten nicht stillstehen.

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