"Schlimmer als Krieg"
Als sie all das, knapp einen Monat nach den verheerenden Erdbeben, dem KURIER erzählt, wirkt sie nüchtern und distanziert. Fast als wäre es nicht ihr Leben, das sich schlagartig verändert hat.
Devran ist geboren und aufgewachsen in Adıyaman – der Provinz, die nach Hatay wohl am stärksten von den Erdbeben betroffen war. Als die Erde dort bebte, war die Studentin gerade auf Familienbesuch dort. Ahnen konnte sie nicht, dass die Provinz Sakarya im Norden, wo sie zuvor studiert hatte, schon bald zu ihrem dauerhaften Wohnsitz werden würde.
In der kleinen Küstenstadt Karasu (circa 1100 Kilometer von Adıyaman entfernt) hat sie seit nun drei Wochen einen Job bei einer Immobilienagentur. Dabei studiert sie eigentlich Seefahrt. "Mir war es aber wichtig, hier schnell eine Arbeit zu finden und Geld zu verdienen", sagt Devran. Kurz nach dem Erdbeben zog auch ihre Mutter zu ihr nach Karasu. "Wir haben echt Glück, dass wir eine Wohnung zur Verfügung gestellt bekommen haben", sagt sie.
Rund 1400 Erdbebenopfer sind in der etwa 55.000 Einwohner zählenden Stadt untergekommen. Laut der türkischen Katastrophenschutzbehörde AFAD wurden mehr als eine halbe Million Menschen durch die Erdbeben zu Binnenflüchtlingen. "Die meisten, die ich kenne, sind auch woanders hin. Entweder in Orte, wo sie jemanden kannten, oder in Herbergen, welche Gemeinden zur Verfügung gestellt haben", erzählt die 20-Jährige.
Keine Rückkehr
Im Erdbebengebiet zu leben, sei derzeit kaum möglich. Noch immer mangele es in betroffenen Gebieten an Zelten, Sanitäranlagen oder Zugang zu Trinkwasser. 18.000 Menschen, die ursprünglich aus Syrien in die Grenzregionen der Türkei geflohen waren, haben sich laut offiziellen Daten wieder auf den Heimweg gemacht. "Das ist hier schlimmer als im Krieg", wurden einige in türkischen Medien zitiert.
Für Devran und ihre Mutter steht auch fest, dass es nun länger kein Zurück nach Adıyaman geben wird. "Wir sind sehr dankbar für die Hilfsbereitschaft der Menschen hier", sagt sie.
Dass in der Küstenstadt verhältnismäßig viele Erdbebenopfer untergebracht sind, dürfte daran liegen, dass der Ort viele Sommer- und Ferienwohnungen beherbergt. Diese stellen viele nun Menschen, die kein zu Hause mehr haben, zur Verfügung. Ein weiterer Faktor – das finden zumindest die Einheimischen – ist, dass man gut nachvollziehen kann, was solch eine Erdbebenkatastrophe bedeutet. Das letzte große Beben in der Türkei hatte sein Epizentrum nämlich nicht weit von der kleinen Stadt an der Schwarzmeerküste entfernt – im Jahr 1991 starben beim Beben in Gölcuk 17.000 Menschen.
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