In Afghanistan Ärztin, in Österreich nicht(s): Der lange Weg zur Anerkennung
Fana, 44 Jahre alt, hat in Afghanistan gegen alle Widerstände ihr Medizinstudium abgeschlossen. Zwei Mal musste sie das Land verlassen.
Heute lebt sie in Österreich und kämpft um die Anerkennung ihres Diploms. Was sie dabei erlebt, ist kafkaesk.
1994* begann sie ihr Medizinstudium an der Kabuler Universität. 1996 marschierten jedoch die Taliban in Afghanistan ein. Unter dieser streng islamistischen Führung wurde der Alltag für Frauen enorm eingeschränkt und das Weiterstudieren war für sie unmöglich. 1998 musste sie es unterbrechen.
*An dieser Stelle stand ursprünglich eine andere Jahreszahl. Diese hatte impliziert, dass Fana. schon mit 15 Jahren zu studieren begonnen und auch nur vier Jahre studiert hat. Das entspricht allerdings nicht den Tatsachen. Fana war zu Beginn ihres Studiums 17 Jahre alt und studierte insgesamt sechs Jahre Medizin.
Erst 2004 konnte sie das Studium wieder aufnehmen. In der Zwischenzeit heiratete sie und bekam zwei Kinder. „Es war hart, mit zwei kleinen Kindern weiter zu studieren. Die Familie wollte das auch nicht. Sie sagten, ich brauche kein Studium, ich soll mich um meine Kinder kümmern“, erinnert sie sich. 2006 schloss sie ihr Medizinstudium trotzdem ab.
Von Afghanistan nach Niederösterreich
2010 musste die ganze Familie flüchten, weil Fanas Mann für ein US-amerikanisches Unternehmen arbeitete. Grund genug, die gesamte Familie zu bedrohen. Deren Mitgliedern landeten schlussendlich in Österreich. „Meine ganze Familie ist hier. Einige sind schon nach der ersten Taliban-Übernahme geflüchtet“, sagt Fana H.. Nach zwei Monaten bekamen sie, ihr Mann und die inzwischen drei gemeinsamen Kinder auch subsidiären Schutz in Österreich.
„Aber wir haben uns entschieden, es doch noch einmal in der Heimat zu versuchen“, erzählt sie. So kehrte die Familie nach Afghanistan zurück. Und blieb bis 2015. Zu dieser Zeit arbeitete sie insgesamt drei Jahre als Ärztin. Doch wieder war es der Job ihres Mannes, der das Bleiben unmöglich machte. Mit einem Schlepper kamen sie über die Türkei zurück nach Europa.
Von Niederösterreich nach Wien
2015 wurde die Familie in einem kleinen Ort in Niederösterreich einquartiert. Die Einwohner schlossen die Neuankömmlinge in ihr Herz. Für die fünf wurde sogar ein eigener Hilfsverein gegründet. „Als wir unseren endgültigen Asylbescheid bekamen, hat der ganze Ort ein Fest für uns organisiert.“
Doch schnell wurde klar: Wenn Fana H. ihr Medizinstudium in Österreich anerkennen lassen will, muss sie nach Wien ziehen. Denn die Beratungs- und Förderstellen gibt es nur in Wien. Beraten wurde sie von Check In Plus und AST (Anlaufstelle für Personen mit im Ausland erworbenen Qualifikationen). Beide Organisationen sind im Beratungszentrum für Migrantinnen und Migranten angesiedelt.
Laut Statistik Austria wurden in Österreich im Zeitraum von Oktober 2020 bis September 2021 insgesamt 6.617 ausländische Ausbildungen bewertet und anerkannt – konkret von 2.376 Männern und von 4.241 Frauen
Die meisten Anerkennungen betrafen Hochschulabschlüsse, insgesamt waren das 3.418. Der Großteil der Berufsanerkennungen beziehungsweise -bewertungen passierte im Bereich Gesundheit und Sozialwesen
Die Nostrifizierungstaxe beträgt derzeit 150 Euro und ist im Voraus zu entrichten. Dazu kommen weitere Gebühren und Verwaltungsabgaben
„Die Entscheidung, von Niederösterreich nach Wien zu ziehen, war fast schlimmer als von Afghanistan nach Österreich.“ Fana H. hat den Konventionspass für anerkannte Flüchtlinge, ausreichende Deutschkenntnisse, einen Mann mit fixem Job und ist bereit, alles für ihren Traum zu tun. Ihr Nostrifizierungsprozess begann 2019. Drei Jahre später ist Hakimi Fana aber noch weit davon entfernt, als Ärztin arbeiten zu dürfen.
Reglementierter Beruf
Der Job einer Ärztin gehört in Österreich zu den reglementierten Berufen. Das heißt, dass man diese Berufe nicht ausüben darf, ohne davor eine bestimmte formale Ausbildung gemacht zu haben. Wer in einem reglementierten Beruf arbeiten möchte, muss seine Qualifikationen vorher anerkennen lassen.
Welche Auflagen der Antragsteller erfüllen muss, entscheidet bei Drittstaatenangehörigen die jeweilige vergleichbare Ausbildungsstätte in Österreich. Für die ärztlichen Berufe sind das die medizinischen Universitäten. Der Studienabschluss von Drittstaatenangehörigen wird mit dem aktuellen österreichischen Studienplan verglichen. Sind die Dokumente überprüft, wird mittels eines Stichprobentests das Wissen überprüft. Je nachdem, wie dieser ausfällt, müssen Bewerber gewisse Fächer auf der Uni nachholen oder nicht. Dann endlich, nach weiteren Prüfungen und Dutzenden Formularen, wird das ausländische Medizinstudium in Österreich anerkannt – normalerweise.
Ein steiniger Weg, den Fana von Anfang an bereit war, zu gehen. Doch sie scheiterte schon bei der allerersten Hürde. ihre Dokumente wurden von der Medizinischen Universität Wien als unzureichend eingestuft. Sechs Jahre Studium plus ein einjähriges Pflichtpraktikum, das in Afghanistan für die Berufsberechtigung üblich ist, kann sie vorweisen (die Dokumente liegen dem KURIER vor; Anm.). „Mehr kriegt man aus Afghanistan nicht mehr, vor allem nicht jetzt. Fana hat alle notwendigen Unterlagen“, sagt ihre AST-Beraterin und fügt hinzu: „Die Universität Kabul war nicht wirklich kooperativ.“ Ein weiteres Problem: Auf Fanas Diplom stehen zunächst ein falsches Geburtsdatum und ein falscher Name. Auch wenn die Universität Kabul letztendlich den Fehler zugibt, hat das keinen Einfluss mehr auf das Verfahren.
Formale Fehler
„Zum einen haben wir in Afghanistan drei Zeitzählungen. Zum anderen ist das Geburtsdatum bei uns nicht gebräuchlich. Außerdem wird bei Kindern immer nur der Vorname des Vaters verwendet. Die Person, die meinen Antrag bearbeitet hat, hatte wahrscheinlich nicht das Wissen, das richtig umzurechnen“, erklärt Fana. Die formalen Fehler kosteten sie nochmals wochenlange Wartezeit – und wurden ihr später zum Verhängnis.
Fanas Nostrifizierungsantrag wurde von der Medizinischen Universität Wien abgelehnt. „Die häufigsten Gründe für eine Nichtzulassung sind unvollständige Anträge, vor allem, wenn entsprechende Studienpläne fehlen oder wenn der Umfang der Unterrichtsstunden nicht verglichen werden kann. Ein weiterer Grund kann sein, dass bei vorgelegten Unterlagen verschiedenste Namensschreibweisen aufscheinen oder Beglaubigungen fehlen“, heißt es von der Medizinischen Universität Wien.
Auch bei Fanas Antrag werden die Ungereimtheiten und unvollständigen Angaben in ihren Dokumenten als Grund für die Ablehnung genannt. Fana ging gegen die Entscheidung gerichtlich vor. Im Februar 2021 gelangte die Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht ein. Im Juli 2021 wurde sie als unbegründet abgewiesen. Ihr Einwand, dass sie doch über alle notwendigen Unterlagen verfüge und die Beschaffung von weiteren Dokumenten aufgrund ihrer Flucht nicht möglich sei, wurde abgelehnt.
Kein Aufgeben
Ein herber Rückschlag für Fana. „Was mich am meisten frustriert, ist, dass ich es geschafft habe, in einem Land, in dem Krieg herrscht, Ärztin zu werden. Weiters von der Taliban gezwungen wurde, zu Hause zu bleiben, mit zwei Kindern und einer strengen Familie, die davon ausging, dass ich Hausfrau werde. Aber jetzt, wo ich in einem liberalen Land lebe, wo Frauenrechte einen großen Stellenwert haben und Ärzte gebraucht werden, werden mir all diese Bemühungen und Errungenschaften weggenommen“, sagt Fana.
Mittlerweile hat sie es doch auf eine Universität geschafft. In Innsbruck wurde sie zugelassen – der nächste Schritt auf ihrem weiten Weg.
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