Vorwurf der "politischen Instrumentalisierung" der Tragödie
"Uns allen ist klar, dass eine große Umkehr, schärfere Maßnahmen, aber systematische Lösungsprobleme notwendig sind, damit - Gott bewahre - eine solche Tragödie nicht zu einem sozial akzeptablen Verhaltensmodell wird", erklärte Branko Ružić und ergänzte in demselben Atemzug: "So wie es leider in manchen westlichen Gesellschaften der Fall ist".
Kurz nach der Pressekonferenz versammelten sich ein paar Hundert Einwohnerinnen und Einwohner Belgrads vor dem Bildungsministerium und forderten lautstark den Rücktritt Ružićs. Zur Demo aufgerufen hatte unter anderem die Nichtregierungsorganisation Youth Initiative for Human Rights (YIHR). Der Bildungsminister Branko Ružić müsse wegen "politischer Instrumentalisierung" der Tragödie an der "Vladislav Ribnikar"-Volksschule zurücktreten, forderte YIHR in einer Aussendung einen Tag nach dem Amoklauf.
"Mit seiner beschämenden Aussage während der gestrigen Pressekonferenz, dass 'das System nicht versagt' hat und 'westliche Werten, das Internet und Videospiele' am Sterben von Kindern, Lehrern und Sicherheitspersonal verantwortlich seien, wollte Minister Ružić die Gelegenheit nicht verpassen, eine große Tragödie rücksichtslos politisch zu missbrauchen - anstatt Verantwortung zu übernehmen und zurückzutreten", heißt es in der Pressemitteilung.
Polizeidirektor gab die Identität des Täters bekannt
Zur Rechenschaft gezogen sollte demnach auch der Belgrader Polizeidirektor Veselin Milić. Dieser hat in einer Pressekonferenz den 14-jährigen Täter namentlich genannt. Der Schutz personenbezogener Daten sei dadurch verletzt worden. Die Staatsanwaltschaft müsse die Rechtmäßigkeit der Veröffentlichung dieser Daten prüfen, lautet die Forderung der YIHR.
Dasselbe gelte auch eine vom Täter verfasste Liste mit Namen seiner Mitschülerinnen und Mitschüler, die Milić den anwesenden Pressevertretern zeigte. Dabei soll es sich um eine Abschussliste handeln, die K. K. - so die Initialen des Täters - ersten Ermittlungen zufolge sorgfältig vorbereitet hatte.
Abschussliste und Skizze lagen am Schreibtisch
"Nach den bisherigen Informationen hat der Verdächtige diese Tat einen Monat lang geplant", erklärte Milić während er die Liste der Schülerinnen und Schüler vorstreckte. Anschließend stellte er auch eine Skizze zur Schau. Diese sei laut Polizeidirektor bei K.K. gefunden worden. Darauf ist ein detaillierter Plan zu sehen, wie der Täter die Schule betreten wollte, welche Klassen und Kinder er bei seinem Amoklauf zuerst im Visier und wie er schließlich flüchten wollte. Die Skizze und die Liste seien auf seinem Schreibtisch gefunden worden. Er habe seine Ziele priorisiert, sagte Milić.
"Die Skizze sieht ein bisschen aus wie aus einem Videospiel oder aus einem Horrorfilm. Das deutet darauf hin, dass er detailliert pro Schulklasse geplant hat: Wie er welches Klassenzimmer betritt und wie bzw. in welcher Reihenfolge er welches Kind liquidiert", sagte der sichtlich erschütterte Leiter der Belgrader Polizeibehörde. Um 8:42 habe K.K. schließlich bei der Polizei angerufen, sich vorgestellt und erklärt, er habe auf "mehrere Personen in der Volksschule Vladislav Ribnikar" geschossen.
Täter durfte mit Vater zum Schießstand
Die Waffe gehört den Ermittlungen zufolge dem Vater des Täters, der demnach einen gültigen Waffenschein besitzt. Die Polizei verdächtigt ihn nun, sie nicht vorschriftsgemäß verwahrt zu haben. Der Bursche hätte keinen Zugang zu ihnen bekommen dürfen.
Wie Präsident Aleksandar Vučić in seiner Pressekonferenz darlegte, handelt es sich bei dem Vater um einen "vorbildlichen Arzt". Zugleich drückte er seine Verwunderung darüber aus, dass der Vater - wie die Ermittlungen zeigten - mit dem Sohn zu einem Schießstand gegangen sei und mit ihm das Schießen geübt habe.
Kritik an Vučić: "Er politisiert die Tragödie"
Vučić wird übrigens auch kritisiert. Auch er hat bei einer einstündigen Pressekonferenz am Mittwochabend die Identität des Täters und seiner Familie preisgegeben. "Es ist sehr schlimm, dass die vollständigen Namen, sowohl des Täters als auch seiner Eltern und diese Fotos an die Öffentlichkeit kommen. All diese Offenlegung von Details, um die Wünsche der Öffentlichkeit zu befriedigen, können kontraproduktiv für die Ermittlungen sein - und dazu führen, dass sich ein derartiges Verbrechen wiederholt", stellte der ehemalige Einsatzleiter des kroatischen Sicherheits- und Geheimdienstes Ante Letica im Gespräch mit dem TV-Sender N1 fest.
"Was Vučić tut, ist, die Tragödie für politische Zwecke nutzen. Er legt alles offen, um zu zeigen, dass er die Situation unter Kontrolle hat und zeigt dabei völlige Unkenntnis der Gesetzeslage. Es ist beschämend", kritisierte der Sicherheitsexperte.
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