Schatzsuche: Willkommen bei den Vintage Schwestern

Zwei Frauen posieren zwischen Möbeln und Dekorationen auf einem Bürgersteig.
Zwei Schwestern setzen auf den Vintage-Trend: Gemeinsam verkaufen sie Mid-Century-Möbel, die sie auf Flohmärkten ergattern.

In Zeiten des Überflusses, in denen der Begriff Wegwerfgesellschaft vorherrscht, besinnt man sich auf Altbewährtes. Nicht umsonst florieren seit geraumer Zeit Möbel im Mid-Century-Stil – also aus dem mittleren Drittel des 20. Jahrhunderts. Die Möbel haben klare Linien und Formen, Funktionalität stand bei dem Design der Nachkriegszeit im Mittelpunkt.

Auf der Suche nach Schätzen aus genau dieser Periode ist die 39-jährige Ines Zaunbauer-Jenkins jeden Sonntag gemeinsam mit ihrer älteren Schwester. Während die Vollzeit-Juristin noch in stockfinsterer Nacht bei einem Flohmarkt auf einem Parkplatz am Wienerberg eintrifft, ist Julia Zaunbauer, hauptberuflich Kunsthistorikerin, am Flohmarkt im Gewerbepark Stadlau unterwegs. „Mal sehen, wer heute bessere Sachen findet“, sagt Ines und geht schnellen Schrittes los.

Eine Frau trägt einen Hocker und andere Gegenstände über einen Marktplatz.

In den frühen Morgenstunden

Noch vor Sonnenaufgang begibt sichInes Zaunbauer-Jenkins auf die Jagd nach neuen Schätzen.

Eine Person durchsucht mit einer Taschenlampe eine Kiste mit Schmuck in einem Koffer.

Taschenlampen

Mit Taschenlampen wird die frische Ware von den Mitstreitern durchsucht.

Ein Mann geht an einer Reihe von bunten Säcken und einem geöffneten Kofferraum vorbei.

Schnelligkeit

Am riesigen Supermarkt-Parkplatz von Favoriten geht es um Schnelligkeit

Auf einem Flohmarkt verkaufen Menschen Gegenstände aus Kisten.

Zum Sonnenaufgang

Bevor der Flohmarkt noch richtig eröffnet sind schon viele unter den Suchenden.

Zwei Frauen mit Masken unterhalten sich auf einem Flohmarkt.

Kunden

Immer wieder trifft Ines Zaunbauer-Jenkins auf Kunden oder bekannte Händler.

Auf einem Tisch liegen verschiedene Stofftiere und eine Stapel DVDs zum Verkauf.

Stofftiere und anderes

Zwischen Kisten von Schuhsohlen findet man immer wieder Platten von Peter Alexander, Bücher über Mozart, Puppen, Küchengeräte, Teddybären und Schuhen.

Ein Mann verkauft eine rote Lampe auf einem Flohmarkt an eine Frau mit Maske.

Mid-Century

Die Vintage-Schwestern haben unter all den Waren nur Augen für Mid-Century-Stücke

Auf einem Flohmarkt werden alte Radios und andere Gegenstände angeboten.

Auf der Suche

Mancher Besucher nützt sogar die Lupe um die Ware genauer zu betrachten.

Auf einem Parkplatz findet ein Flohmarkt vor gelben Wohnhäusern statt.

Im Getümmel

Der Kofferraum wird am Wienerberg-Flohmarkt  zum Stand.

Familiensache

Alte Dinge suchen und finden, ist bei den beiden Familiensache. Schon ihre Mutter ging früher mit den Schwestern in der Schweiz ins sogenannte Brockenhaus – einen Laden für Gebrauchtes. Die siebenköpfige österreichische Familie lebte nämlich einige Jahre in der Schweiz, bevor sie nach Wien zurückkehrte.

So verwundert es nicht, dass die beiden vor einigen Monaten das Wiener Brockenhaus gegründet haben. Über den Instagram-Account (@wienerbrockenhaus), die Gebrauchtwaren-Plattform Willhaben und in ihrem Lager im 8. Bezirk verkaufen sie die aufgestöberten Stücke.

Wer nun eine romantische Schatzsuche mit Zeit und Muße erwartet, der irrt sich. Auf dem Supermarkt-Parkplatz beim Wienerberg geht es um Schnelligkeit und um Verhandlungsgeschick. Links und rechts scannen die Augen von Ines Zaunbauer-Jenkins – fast wie ein Laser – alles ab: Sie nimmt nur Vintage-Möbel wahr, alles andere wird ausgeblendet.

Auf einem Flohmarkt werden verschiedene Gegenstände zum Verkauf angeboten.

Zwei Kisten gefüllt mit Trödel, darunter eine Jesusfigur und Hausnummern.

Ein Teddybär und das Buch „Was ist Was Junior: Im Zoo“ in einem Karton.

Mehrere Kartons gefüllt mit Werkzeugen, Haushaltsgegenständen und anderen Artikeln.

Eine Sammlung von antiken Puppen steht zum Verkauf auf einem Tisch im Freien.

Menschen besuchen einen Flohmarkt mit Waren in Kisten und auf Tischen.

Auf einem Flohmarkt stehen Holzstatuen von Mann und Frau auf einem Tisch.

Die Händler sind gerade erst angekommen, parken ein und aus. Viele verkaufen direkt aus dem Kofferraum heraus, hängen im Getümmel ihre Ware auf. Die Profi-Käufer leuchten bereits mit Taschenlampen in Sackerl und Kartons. Maximal fünf Sekunden wird hineingeschnuppert, bevor es zum nächsten Stand geht. Jeder will als Erster etwas entdecken.

Kaum eine Minute ist vergangen, schon hat Zaunbauer-Jenkins einen Hocker in der Hand. „Ich gebe dir 20 Euro dafür“, sagt sie. Der Händler ist so überrascht, dass er sofort zusagt, ohne zu zögern. Und schon hat Zaunbauer-Jenkins den roten Flokati-Hocker aus den 50ern unter dem Arm. Am selben Stand entdeckt sie einen Zeitungsständer. „So einen hatten wir noch nie“, sagt sie und schlägt auch hier zu. Ihre Freundlichkeit, gepaart mit Entschlossenheit, hilft bei den blitzschnellen Käufen.

Am Parkplatz im 22. Bezirk ärgert sich unterdessen Julia Zaunbauer. Sie ist zehn Minuten zu spät dran. Vieles ist schon weg. Dennoch entdeckt sie einen Kleiderständer aus den 60ern. Sie erkennt das an den verarbeiteten Plastikteilchen. Und sie findet Vintage-Kommoden. „Hier muss man darauf achten, dass sie Beinchen haben“, sagt sie.

Den Begriff Mid-Century soll übrigens eine amerikanische Journalistin erfunden haben, als sie 1983 unter diesem Titel ein Fotobuch über Möbel aus den 50ern publizierte.

Die Buchstaben „NO“ stehen auf einem Tisch vor einem Regal voller Gegenstände.

Bric-à-Brac

Im Lager befinden sich vor allem Sideboards, Kommoden, Nachtkästchen, Lampen, Tische, Sessel, Hocker, Ablagen, Blumenständer und ausgesuchte Vintage Accessoires und Kuriositäten.  

Ein beiges Wählscheibentelefon steht vor einem Porträtgemälde.

Bilder und Telefon

Manchmal nehmen die beiden Schwestern auch Porträts von ihren Ausflügen vom Flohmarkt mit. 

Ein bemalter Nussknacker steht auf einem Holztisch.

Figuren und Statuen

Im Lager findet man außerdem Statuen und Figuren, wie auch einen Nussknacker.

Eine Mickey Mouse Figur steht vor einem kleinen Holzstuhl.

Der Schädel einer Schildkröte liegt auf einer glänzenden Oberfläche.

Kurioses

Zwischen all den Vintage-Möbel befinden sich immer wieder Kuriositäten.

Ein ausgestopfter Krokodilkopf und eine Schildkröte auf einem Rollwagen.

Eine Ansammlung gerahmter Schmetterlinge und eine Uhr stehen auf einem Tisch.

Altes Kurioses

Zu den Kuriositäten zählen auch Schmetterlingsammlungen.

Ein Antiquitätenladen mit Globen, Lampen und Möbeln.

Termine auf Anfrage

Im Lager selbst gibt es Termine nur auf Anfrage. Alles andere ist online (per Instagram oder Will haben) zu finden.

Eine grüne Flasche mit farbenfroher Umhüllung steht neben einer hölzernen Handattrappe.

Ein Stapel von großen, rostigen Buchstaben aus Metall neben Holzmöbeln und einem blauen Fensterrahmen.

Ein Regal mit alten Karteikästen, einer Waage und einem Schild mit der Aufschrift „Hermine Brunner Damenschneiderin“.

Bis zum Sonnenaufgang

Zurück am Parkplatz in Favoriten wird Ines von allen Seiten gegrüßt. Manche haben ihr etwas zur Seite gelegt. Man kennt sie. Bei Händler Sebo Acar stellt sie ihre gekaufte Ware ab. Sie kann nicht alles tragen. „Heute ist ein guter Tag, weil es heiter wird“, sagt sie. Langsam geht die Sonne auf.

Händler Acar hat seine Ware von Entrümpelungen und von Räumungen. „Dort suche ich nach Geld und Gold, den Rest verkaufe ich hier“, sagt er. Pro genutztem Parkplatz zahlt er 30 Euro Standgebühr – er benötigt vier davon. Seine Kunden kennt er: „Ines mag alte Möbel, der Herr da drüben alte Elektronik.“

Zwei Frauen in einem Geschäft voller Möbel und Lampen.

Ein Regal mit alten Karteikästen, einer Waage und einem Schild mit der Aufschrift „Hermine Brunner Damenschneiderin“.

Ein Glas voller Schlüssel steht neben einer alten Sodaflasche.

Eine Sammlung von goldenen und kupferfarbenen Gießkannen auf einem Holztisch.

Drei Vorratsdosen aus Keramik mit der Aufschrift „Zucker“ und „Brösel“.

Noch bevor der Flohmarkt richtig  beginnt, sind die Schwestern schon wieder bei ihrem Lager in der Josefstadt angekommen. „Du hast ja eine Leiter gefunden“, sagt eine zur anderen. Aber auch leise Kritik wird laut, als die beiden die Sachen einräumen: „Die Stühle haben abgeschnittene Beine“.

Schon nächste Woche wird das Lager wieder ganz anders aussehen. Die Schätze der Schwestern dürfen nun von anderen entdeckt werden, bevor die beiden nächsten Sonntag wieder auf die Jagd gehen.

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