
Steirischer Jakobsweg: Pilgern von Graz bis zur Gleinalpe
Auf der Gleinalpe nordwestlich von Graz ist die Almwirtschaft noch intakt. Hier kann man von Hütte zu Hütte pilgern – Bahn und Bus erleichtern die An- und Abreise.
Bequem und nachhaltig geht’s mit der Bahn in die steirische Landeshauptstadt. Direkt ab dem Bahnhof Graz wollen eine Knittelfelderin, ein Burgenländer und ein Niederösterreicher auf Pilger- und Entdeckungstour gehen. Gestartet wird in Graz, aber mal anders: beim Kalvarienberg. Den Schlossberg kennt jeder, den zweiten Hügel – den Austein an der Mur – weniger. Grund genug, vom Bahnhof auf historischen Pfaden zu einem der schönsten Aussichtsplätze und ins „Österreich von gestern“ zu pilgern.

Der älteste Kalvarienberg Österreichs befindet sich im Grazer Stadtteil Lend.
©Sepp PuchingerDer Kalvarienberg-Guide Friedrich Hager erklärt: „Ein großer Teil der Grazer Bewohner bekannte sich bis um 1600 zum Protestantismus. Ab 1550 begann die Rekatholisierung mit der Gegenreformation durch die Jesuiten.“ So wurde einfach ein Wallfahrtsort gegründet, Kreuze am Berg aufgestellt, eine Via Dolorosa – in Anlehnung an den Kreuzigungshügel Golgota („Schädelhöhe“) in Jerusalem – nachgebildet. Bald kamen Abertausende Gläubige, sogar Kaiser und Fürsten gaben sich ein Stelldichein, schließlich war das der erste Kalvarienberg in Österreich. Dann wurde eine Kirche zugebaut, nebenan führt die Heilige Stiege rauf zu den drei Kreuzen auf den Aussichtshügel. Nach jahrhundertelangem Niedergang erstrahlt der Kalvarienberg heute komplett renoviert. „Die Leute pilgern wieder – auch am steirischen Jakobsweg“, sagt Experte Friedrich Hager zum Abschied.
Mit der Bahn zum Wanderstart
Mit der Bahn geht es weiter von Graz ins grüne Übelbach zur „Pension Herti“, dem Ausgangspunkt für Touren auf die Gleinalm. Der Übelbacher Franz Grossauer, wohl einer der innovativsten Geister in der Grazer Gastroszene, hat hier aus einem verfallenden Haus ein Schmuckstück an Pension für Urlauber und Durchreisende gestaltet. Einen „guaten Weg“ wünscht er, so sagt man hier zum spanischen Gruß „Buen Camino“.

Startpunkt und Einkehr: Die Marktgemeinde Übelbach nordwestlich von Graz ist ein Ausgangspunkt für Touren auf die Gleinalm. Der Übelbacher Franz Grossauer hat hier aus einem verfallenden Haus ein Schmuckstück (pensionherti.at) für Urlauber und Durchreisende gestaltet. Entlang des Übelbaches verläuft ein Wasserthemenweg.
©Sepp PuchingerMotiviert geht es bergan – bis zum ersten Viehtrieb. Es ist Almauftrieb, die Bauern sind mit den Tieren unterwegs in die Berge, wo sie ein Viehhalter den Sommer über betreut. Und der Auftrieb wird gebührend zelebriert, es gibt Kaffee, Bier, Kuchen, Limo und Aufstrichbrote.
Ziel ist es, Almetappen des steirischen Jakobsweges zu gehen, der, vom Kloster Seckau kommend, durch das Herz der Gleinalm mit dem Schutzhaus, der Wallfahrtskirche Maria Schnee und vorbei an einigen Gipfeln führt. Gehen, schauen, sinnieren heißt der Rhythmus. Das taten Pilger früher oft monatelang auf dem Camino (Jakobsweg) vom heimatlichen Kloster bis zum ersehnten Ziel in Santiago de Compostela. Um dort Ablass ihrer Sünden zu erhalten. Sie wählten dabei zumeist den kürzesten Weg. Umso schöner, dass diese Wege über das Dach der Gleinalpe führen, sogar vorbei an Pferdeherden.
64 Lipizzaner
Erst Tage davor waren 64 Muttertiere und Fohlen, betreut von zwei Pferdewirten, vom Gestüt Piber auf die Brendlalm gebracht worden, wo sie ihren Sommer verbringen. „Wir sorgen für die Lipizzaner, bringen sie abends von der Weide in die nahen Stallungen – und genießen das ruhige Almleben“, erzählen die Betreuer. Es ist ein Erlebnis, die Tiere in der tiefgrünen Landschaft zu beobachten.

Lipizzaner in Piber: Der Name kommt vom Gestüt Lipica, der ursprünglichen Zuchtstätte in der Monarchie. Seit 1920 versorgt das Gestüt Piber (bei Köflach) die Spanische Hofreitschule in Wien mit Lipizzanerhengsten. Infos zu Führungen in Piber, auf der Stub- und Gleinalpe unter piber.com
©Sepp PuchingerOben am Sattel thront das Wallfahrtskirchlein Maria Schnee, auf einem uralten Handelsweg von Graz ins obere Murtal gelegen. Es ist zu Fuß zu erreichen, nur an Bergmessetagen wird die Schranke des Forstweges geöffnet. Dann sind die Stuben und das Nachtlager des Gleinalm Schutzhauses voll. Nun herrscht hier himmlische Ruhe, eine Kaspress-Suppe tut gut vor dem Gipfelgang zum 1.988 Meter hohen Speikkogel.
Dieser Pfad ist ein kleiner Bußgang. Geländestufe für Geländestufe geht es voran, irgendwann ist das Gipfelkreuz im Blickfeld, doch davor warten noch einige Steigungen. „Mussten die Pilger früher auch schon am Weg für ihre Sünden büßen?“, fragt sich der Burgenländer Ronnie und keucht vorwärts. Oben, beim mächtigen Gipfelkreuz, belohnt ein 360-Grad-Panorama die drei Pilger. Und die wenigen Schritte zum 1.991 Meter hohen Lenzmoarkogel sind der reinste Genuss.
Info
Anreise
In der Erlebnisregion Graz Bus und S-Bahn (verbundlinie.at) oder Sammeltaxis (GUSTmobil und VOmobil) nutzen. Infos auf regiongraz.at und steiermark.com
Einkehren und Übernachten
– Gleinalm Schutzhaus
– Almhütte Plotscherbauer
– Genuss-Pension Herti
Seit dem Jahr 1606 besteht der Kalvarienberg. Mehr auf graztourismus.at
Bermudadreieck auf der Alm
„Die Gleinalm ist bekannt für intakte Almwirtschaft“, weiß die Knittelfelderin Silvia. Hier kann man durch ein „Bermudadreieck“ an bewirtschafteten Hütten wandern. Woher der Name Bermudadreieck? „Na ja, nach vier Hüttenbesuchen mit steirischem Bier und Selbstgebranntem tun sich manche mit dem Heimkommen schwer“, sagt sie lachend. Also besser beim Pilgern bleiben und die Plotscherbauer Alm (1.145 Meter) für eine Jause nutzen, dann zur Fensteralm (1.642 Meter) weiterspazieren.
Über Almböden, durch Heidelbeerfelder und auf urigen Waldwegen geht’s dahin. Das Abschalten fällt in der blühenden Landschaft leicht. Der Tag ist geprägt vom Wandern und Innehalten, von Begegnungen, Essen und Rasten. Wer das intensiver auskosten möchte, kann die gesamten 171 Kilometer von Seckau (oder Thal bei Graz) bis nach Lavamünd weitergehen.
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