Abenteuer Scottsdale: Die Magie der Sonora-Wüste

Tom's Thumb trail leads through beautiful Sonoran Desert mountain landscape towards an awesome sunset in The McDowell Sonoran Preserve
Heißluftballonfahrten über endlose Weiten und der Flair des Wilden Westens – dazu samtige Austern und schimmernde Cocktails: Eine Reise nach Scottsdale, Arizona, ist eindrucksvoll vielseitig.

Der Mond steht noch als dünne Sichel am Himmel, als der kleine Bus vom rumpeligen Feldweg abbiegt. Wir halten vor einem riesigen, regenbogenbunten Ballon, der gerade noch flach und ausgebreitet auf dem Boden liegt, doch keine zehn Minuten später prall gefüllt in die Höhe zieht. Mit dem „Swoosh“ des Feuerstrahls lässt Pilot Kasey Schwimmer noch etwas mehr Heißluft in den Ballon. Der Weidenkorb, in den man mit leicht zittrigen Knien steigt, wackelt – und hebt dann überraschend sanft vom Boden ab.

Es ist ein surrealer Moment, in dem sich Aufregung und Entspannung mischen: Sanft gleitet der Ballon nach oben, während die Welt, zunächst zum Greifen nah, schnell immer kleiner wird. Kasey Schwimmer lächelt. „Ich habe schon mehr als 400 Fahrten absolviert“, sagt er. 

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Das Aufstehen um 3:30 Uhr für die Heißluftballonfahrt wird durch Ausblicke wie diese wettgemacht. 

„Aber dieser Moment ist für mich ergreifend.“ Aus dem Lautsprechersystem dudelt Meditationsmusik, die Sonne schiebt sich als flammender Ball über den Horizont und die mondähnliche Landschaft der Sonora-Wüste erstreckt sich in dem Moment bis in die Unendlichkeit.

Luxus trifft karge Wüstenschönheit

Beim US-Bundesstaat Arizona denkt man schnell an Phoenix, die fünftgrößte Stadt in den USA, oder Tucson, der Country-Sänger wie Johnny Cash oder Bruce Springsteen in Liedern gehuldigt haben. Doch es gibt noch eine weitere, mit 250.000 Einwohnern etwas kompaktere Metropole am Rand der Sonora-Wüste: Scottsdale. Das ist jener Ort, in dem Schauspielerin Emma Stone geboren wurde und seit 1955 die größte arabische Pferdeshow der Welt stattfindet. Scottsdale hat sich in den vergangenen Jahren aber auch als exklusives Reiseziel für jene etabliert, die den erdigen Flair des Wilden Westens mit dem feinen Luxus eleganter Hotels und exquisiter Gastronomie verbinden möchten. Und für jene, die im späten Herbst noch – bzw. im frühen Frühling schon – Sonne tanken wollen.

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Pool-Idylle im Mountain Shadows Resort mit der Kulisse des Camelback Mountain.

Champagner in der Wüste Selbst in 1.300 Metern Flughöhe, die der Ballonkorb laut Kasey nun erreicht hat, sowie der frühen Morgenstunde – es ist erst 5:21 Uhr – braucht es im offenen Korb lediglich eine dünne Weste. Und als nach der einstündigen Ballonfahrt auf einer gedeckten Tafel mitten in der Wüste zum Champagnerfrühstück geladen wird, strahlt die Sonne bereits mit kraftvoller Intensität.

Das wilde historische Erbe

Doch obwohl es in Scottsdale im Jahr etwa 330 Sonnentage und außerhalb der Monsun-Zeit mitunter 150 aufeinanderfolgende Tage ohne Regen gibt, stechen die drahtigen Saguaro- oder die stacheligen Barrel-Kakteen in leuchtendem Grün gen Himmel. Dazu rascheln die Blätter des Mesquitebaums im Wind. Die Wüste, das ist hier keine abgedroschene Phrase, lebt.

Im 18. und 19. Jahrhundert war die Region noch ein bisschen belebter. Damals trieben Cowboys große Rinderherden über die weite Ebene – nicht so sehr, weil die karge Landschaft ideal war, sondern weil sie als einzige den nötigen Raum bot.

Altstadt Scottsdale: Kulissenhafte Häuser vor meterhohen Kakteen

Die Altstadt von Scottsdale könnte eine Filmkulisse sein.

Das Erbe des Wilden Westen wird im Stadtzentrum von Scottsdale heute mit reflektierter Romantik zelebriert. In der East Main Street wirken die Fassadenfronten der Restaurants und Souvenirläden mit ihren Flachdächern und den zierlichen, aber Schatten spendenden Holzveranden nahezu kulissenhaft. Einzig die dicht geparkten SUVs brechen den Tagtraum, dass gleich John Wayne oder Clint Eastwood mit Stetson Hut, Sporen und Strohhalm im Mund um die Ecke biegen könnten.

Der letzte Cowboy-Saloon

Obwohl: Im Rusty Spur Saloon, durch dessen Schwingtür es nun geht, waren beide schon einmal Gast. Jennifer Aniston übrigens auch. Das rustikale, aber stark klimatisierte Pub war früher einmal eine Bank und gilt heute als letzter Cowboy-Saloon der Stadt. Über der Bar hängt der Kopf eines Texas Longhorn, von der Decke baumelt ein zur Lampe umfunktioniertes Wagenrad und auf der kleinen Bühne singt Patrick James junior von den „Blue Ridge Mountains“ in „West Virginia“.

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Der letzte Cowboy-Saloon der Stadt.

Vier Häuser weiter bereitet Darryl Montana auf zischender Platte die nächsten Bison Rib-eye Frybread Sandwiches zu. Darryl Montana entstammt den Tohono O’odhams, einem indigenen Stamm aus der Sonora-Wüste, und seine Frybread Lounge ist Scottsdales erstes und derzeit noch einziges Restaurant in indigener Hand. Der Native Art Market nebenan ist wiederum der einzige indigene Kunstmarkt der Stadt, der in nur vier Jahren Native Americans mit rund 5 Millionen Euro unterstützen konnte. Es gibt handgemachte Glücksbringer zu kaufen; Schmuck aus Türkis, der durch den eisenhaltigen Boden Arizonas hier Himmelblau ist, oder kleine Bündel aus Wacholder-Esche. „Die werden von den Navajos gerne zum Würzen verwendet“, erklärt die Verkäuferin. Schon ein Teelöffel davon enthalte so viel Kalzium wie ein Glas Milch.

Ins kühle Nass

Tags darauf wird es wieder wackelig. Diesmal nicht beim Betreten eines Weidenkorbs, sondern beim Platznehmen auf den dunkelblauen Sitzbänken eines Doppel-Kayaks.

Das saftige Grün hatte seine Anwesenheit bereits angekündigt und doch überrascht die Breite des herrlich erfrischenden Lower Salt River, der nicht nur für die Wasserversorgung von Scottsdale entscheidend ist, sondern sich in den vergangenen Jahrzehnten als Freizeitunterhaltung etabliert hat. Während man gemächlich flussabwärts paddelt (denn zum Glück hat die Bootspartnerin ausreichend Kayak-Erfahrung), passiert man nicht nur Wildpferde, die huf-tief im kühlen Nass stehen, sondern auch Dutzende Gruppen an „Tubern“, die sich mit kleinen Lautsprechern und großen Kühltaschen ausgestattet auf riesigen, donutförmigen Schwimmreifen den Fluss hinabtreiben lassen.

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Eintauchen in die 1920er-Jahre im "Tell Your Friends"

Nicht Donut-, aber immerhin enteneigroß sind die Austern, die der Kellner am Abend auf dem dunkelbraunen Holztisch im abgedunkelten Séparée abstellt. Schon die Speisen im „Americano“ – dem Steaklokal von Starkoch Scott Conant – lassen keine Wünsche offen, doch das wahre Highlight kommt nach dem Lachsfilet. Durch eine unscheinbare Tür geht es eine edle Stiege hinab und dabei in der Zeit zurück: Die Underground-Speakeasy-Bar „Tell Your Friends“ empfängt seine Gäste mit dramatischen Lichtgewölben, Fauteuils aus rotem Samt und üppig dekorierten Cocktails: Willkommen in den rauschenden Zwanzigern.

Drei Sekunden Ruhm

Doch der markanteste Moment kommt am letzten Abend. Gäste mit knappen Jeans, kniehohen Stiefeln, Fransenweste und Cowboyhut strömen über den sandigen Parkplatz zum Eingang des Buffalo Chips Saloon. Doch um Pommes oder Büffelburger geht es hier nur sekundär.

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Adrenalin pur beim Bullenreiten in der Arena.

Neben dem Geruch von Sägemehl und geöltem Leder hängt die Anspannung schwer in der Luft. Mit wehender US-Fahne galoppiert ein Cowgirl zur Nationalhymne im Kreis, bevor sich eine Handvoll Cowboys im Wettkampfring positioniert. Einer von ihnen zieht an dem langen Strick, der am Gatter montiert ist, und wie man es nur aus Filmen kennt, schießt ein Bulle in die Arena. Trägt einen an-sich-klammernden Cowboy auf seinem Rücken. Der Stier bockt, drei, vier, fünf Mal, schlägt die Hinterhufe weit in die Luft – und dann kann sich der Cowboy nicht mehr halten. Er fällt, rollt ab, und der befreite Stier stobt aus der Arena.

Fast unglaublich ist dann die Pauseneinlage: Beim Mutton Busting preschen Schafe in die Arena, auf dessen Rücken der Rodeo-Nachwuchs sitzt. So entschlossen klammert sich ein blondes, vielleicht zehnjähriges Mädchen an das Tier, dass sie noch an ihm hängt, als die Siegerglocke ertönt.

Mädchen hängt auf Schaf in einer Bull-Riding-Arena

Beim Mutton Busting versuchen sich Kinder auf Schafen zu halten.

Der Abend ist ein Highlight – für die Region, fürs Land: Vergangenes Jahr hat die Beliebtheit des Rodeos mit 43 Millionen Fans einen historischen Höchststand erreicht. Es rangiert nun auf Platz sieben der wichtigsten amerikanischen Sportveranstaltungen.

Im Fluss der Musik

Und doch fasziniert der Buffalo Chip Saloon noch mit einer ganz anderen Art der Unterhaltung. Keine zehn Meter entfernt von der Arena ist auf der rechteckigen Tanzfläche kaum Platz für Neuzugänge. 

In paralleler Harmonie fließen die Tänzer von einer Line-Dance-Choreopraphie in die nächste; ohne Absprache, ohne Ansager, sind die Besucher – viele von ihnen in den frühen 20ern – mit den Schrittfolgen so vertraut, dass sie einander nicht auf die Zehen steigen.

Auf dem Nachhauseweg liegt die Nacht pechschwarz über der Wüste. Und während riesige Saguaro-Kakteen als surreale Gestalten am Wegesrand auftauchen, reift die Erkenntnis, dass eine Urlaubswoche selten so eindrucksvoll abwechslungsreich war.

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