Eine Kapelle in einer Höhle, geschmückt mit Heiligenstatuen und einem Marienbild.

Bergwerk in Altaussee: Wo Kunstschätze die Nazizeit überdauerten

Die Wörter „George Clooney“ und „Nazis“ passen nicht zusammen – es sei denn man spricht über die Salzmine in Altaussee.

Ein schmaler Stollen im dämmrig gelben Licht, links und rechts Kalkgestein, Holzplanken, dicke schwarze Kabel und immer wieder Laternen. Darauf bedacht, dass die Füße zwischen den Schienen der alten Grubenbahn bleiben (so wie es der Guide gesagt hat), bewegt sich die Gruppe schnell vorwärts. Es dauert nicht lange und sie fällt in Gleichschritt.

Ohne visuelle Ablenkungen ziehen sich die 350 Meter in die Länge. Dann ist die Salzgrenze, die sich durch rötliche Schlieren im Stein ankündigt, erreicht. Danach geht es noch einmal 350 Meter tief in den Berg: zur Barbarakapelle, der ersten Station der Tour.

Das Schaubergwerk von Altaussee, das jährlich rund 30.000 Gäste verschlingt und nach einer 90-minütigen Führung wieder wohlbehalten ausspuckt, erzählt nicht nur von der bis ins 12. Jahrhundert zurückreichenden Salzgewinnung. Denn manchmal sind historische Ereignisse aus der Außenwelt so wirkmächtig, dass sie tief ins Dunkle vordringen. In diesem Fall hat der Zweite Weltkrieg Spuren hinterlassen.

Eine Person betritt einen Stollen mit der Aufschrift „Salz Grenze“.

Ca. 350 Meter führt der Stollen durch die Kalkgesteinsschicht, dann ist die Salzgrenze überquert. 

©Belinda Fiebiger

Ab 1943 bunkerten die Nationalsozialisten in der Altausseer Salzmine Tausende Kunstwerke, die sie zuvor europaweit aus jüdischem Besitz, aus Museen und Schlössern, Kirchen und Klöstern geraubt hatten. Denn die Stollen boten nicht nur ein ausreichend großes Versteck, der Berg würde das Diebesgut auch vor den zu befürchtenden Bombardements der Alliierten schützen. Ein weiterer Grund, weshalb das Bergwerk zur Lagerstätte wurde, macht sich bemerkbar, sobald heutige Besucher die Barbarakapelle betreten.

 

Glühender Altar

Nach dem ewigen Geradeaus im Stollen biegt man links ab und steht in einem großen Raum. Der Altar aus reinem, lichtdurchlässigen Salzstein, den die Bergknappen zu Ehren ihrer Schutzpatronin 1935 errichteten, schimmert in schönsten – vielleicht auch kitschigen – Bernstein-Farben: rot, orange, gelb. Auf Holzbänken sitzend kann man sich ganz auf die Stille einlassen. Stumm sitzt einem der Berg im Nacken. Aber man merkt auch: Die Luft ist angenehm kühl, trocken und riecht nach Meer.

Kein Tageslicht, eine konstante Temperatur von acht Grad, 75 Prozent Luftfeuchtigkeit und ein salziges Milieu, welches zerstörerischen Mikroorganismen den Garaus macht – zusammen formt sich das zu einer wehrhaften Truppe, die fähig ist, der Zeit ihren nagenden Zahn auszuschlagen. So zeigt sich in der Barbarakapelle: Kruzifix, Heiligenfiguren und Andachtsbilder bleiben so wie die niedergelegten Kränze in ihrem ursprünglichen Zustand erhalten – egal, wie lange sie schon unter Tage sind. Diese natürlichen Konservierungsfähigkeiten des Berges wusste auch das NS-Regime zu nutzen. 

In einem Bergwerk steht ein alter Förderwagen mit Kunstwerken beladen.

Das Salzbergwerk diente einst als Versteck für Kunstwerke von unschätzbarem Wert.

©Schmid

Ein kurzes Weiterwandern samt Rutsch auf einer Bergmannsrutsche führt dann auch schon zum Depot der erbeuteten Schätze.

 

Nicht nach Plan

Nach dem „Endsieg“ hätten die Gemälde, Skulpturen, Münz- und Schmucksammlungen nach Linz in Hitlers „Führermuseum“ gebracht werden sollen. Darunter Michelangelos Madonna aus der Brügger Liebfrauenkirche, der Genter Altar der Brüder van Eyck und Werke von Rubens, Rembrandt, Dürer, Vermeer. Ein Kapitel, das glücklicherweise so nie geschrieben wurde. Stattdessen ließ Gauleiter August Eigruber im April 1945, kurz vor Kriegsende und wissend um die unvermeidbare Niederlage, vier Kisten mit Bomben in den Berg schleppen. Wenn der Führer die Schätze nicht haben konnte, sollte sie keiner haben. Womit Eigruber nicht rechnete, waren die aufmüpfigen Bergleute, die die Sprengung ihrer Stollen im allerletzten Moment verhinderten.

Dass eine Geschichte, die aus der Welt von Indiana Jones stammen könnte, irgendwann in Hollywood landet, wundert nicht. 2014 kam der Stoff als „The Monuments Men“ mit George Clooney als Regisseur und Hauptdarsteller in die Kinos. Clooney spielt darin einen Offizier der US-Armee, dessen Spezialeinheit sich auf die Spur der gestohlenen Kunstwerke heftet. 2019 folgte ein von Gabriela Zerhau gedrehtes Drama: In „Ein Dorf wehrt sich“ rückt die Filmregisseurin und Drehbuchautorin die Rolle der Bergmänner in den Vordergrund und bindet dabei auch ehemalige Bergwerksmitarbeiter sowie Bewohner des Ausseerlandes als Laiendarsteller ein.

Heute sind die geraubten Werke an ihre alten Plätze zurückgekehrt oder haben in Sammlungen weltweit ein neues Zuhause gefunden. Im Berg findet man nur mehr einige Repliken. Wobei das, was nicht mehr da ist, teilweise durch Multimedia-Effekte erneut Form annimmt. So bleibt die Besichtigung des Depots im Stollen selbst ohne echten Schatz spannend.

Eine Marmorstatue der Jungfrau Maria mit dem Jesuskind in einer Holzkammer.

Die Nachbildung der "Brügger Madonna", einer Marmorskulptur von Michelangelo, ist eines der Highlights.

©Belinda Fiebiger

Eine weitere Bergmannsrutsche später wartet noch eine musikalisch untermalte Lichtershow, bei der sich ein spiegelglatter Solesee zum Kosmos weitet. Jegliches Gefühl für Raum und Zeit ist damit endgültig verloren. Doch zu diesem Schlusspunkt der Führung sei hier nicht mehr verraten.

Dann: unendlich viele Schritte zurück durch den Stollen; gefolgt von einem Blinzeln im Tageslicht.

Infos zum Bergwerksbesuch

  • Führungen finden mehrmals am Tag zur vollen Stunde statt (24. und 31. Dezember geschlossen). Infos hier. Die Temperatur im Bergwerk beträgt ganzjährig etwa 7 bis 10 Grad Celsius. Warme Kleidung und festes Schuhwerk sind empfehlenswert.
  • Preis: Erwachsene 27 €, Kinder 13 €.
Belinda Fiebiger

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