
Segeln, rudern, schwimmen und staunen: Ein Trip nach Amsterdam
Amsterdam feiert seinen 750er, und der beste Zeitpunkt, um ins Geschehen einzutauchen ist genau jetzt. Die "Sail Amsterdam 2025" bringt kommende Augustwoche über 800 Schiffe in die Stadt, das älteste aus dem Jahr 1854.
Von Nicola Afchar-Negad
Wie in einem Konvoi, so werden sie mit maximal sechs Kilometer pro Stunde in den Hafen einfahren – die majestätischen Großsegler, die historischen Schiffe und vor allem: die Crews aus aller Welt. Die "Sail Amsterdam" ist die größte frei zugängliche Veranstaltung in den Niederländen, ein Spektakel, selbst, wenn man sich nicht überbordend fürs Maritime interessiert. Von 20. bis 24. August wird das Segler-Stelldichein die Stadt entlang des Wasserarms IJ in ihren Bann ziehen, über 200 Programmpunkte und über zwei Millionen erwartete Besucher schlugen schon im Vorfeld hohe Wellen.

Auch diesen August wird es in Amsterdam vor Matrosen nur so wimmeln
©PIETER DAMMENDas älteste Schiff: Die "Anna Afsand" aus dem Jahr 1854, das vielleicht beeindruckendste: Die "NRP Sagres" aus Portugal mit ihren markanten Rahsegeln und dem roten Christuskreuz. Konzerte, Schiffsführungen, abendliche Lichtershows – vieles davon spielt sich im Gebiet der NDSM-Werft ab, das vermutlich bemerkenswerteste Stadtviertel Amsterdams, im Norden, vom Zentrum durch den IJ getrennt.
Tulpen und Techno, Grachten und Gras, das kennt man alles schon. Aber hier in der ehemaligen Schiffswerft wurde ein ganz anderes Amsterdam ausgedockt, ein raueres, mit Industriecharme. Lässige Lokale, wie das Pllek und Noorderlicht, Bierbänke am Sandstrand (Urban Swimming!), ein sehenswertes Museum für Street Art und ein Hotel in einem Werft-Kran – ja, Kran. Das NDSM-Areal ist eines dieser Gentrifizierungsviertel, wie sie bei Großstädten längst zum guten Ton gehören. Nur: in Amsterdam fällt das Ganze vielleicht noch einen Tick cooler aus. Oder lekker, das Wort verwendet man in der Stadt für so ziemlich alles. Also alles, das positiv ist.

Der Norden der Stadt ist schwer im Trend – ein gutes Beispiel: das Lokal Pllek in der ehemaligen NDSM-Werft
©mauritius images / Rene Mattes/Rene Mattes/mauritius imagesQuai sera
Auch wenn es in der Innenstadt, die von den vier Hauptgrachten eingerahmt wird, im Sommer ein bisschen nach Algen riechen kann – die Amsterdamer sind stolz auf ihr klares Wasser, darauf, wie es die Identität der Stadt prägt, den Alltag der Menschen umspült. Wer durch die Stadt streift nimmt irgendwann das Gluckern unter den Bootsrümpfen, das sanfte Schlagen der Wellen und das Kreischen der Möwen vielleicht gar nicht mehr wahr, aber trägt diese beruhigende Klangkulisse unbewusst mit sich.
Mit einer Stroopwafel (übersetzt Sirupwaffel) oder einer Portion Poffertjes (Mini-Pancakes) in der Hand passiert man an den Grachten entlang, vorbei an den Flower-Power-Fahrradskulpturen von Warren Gregory, einem gebürtigen US-Amerikaner. Der als "Flower Bike Man" bekannte Gregory hat hunderte ihm vererbte Räder zu Kunstwerken umgemodelt, sie stehen an Straßenecken, vor Geschäften und in Hotellobbys. Man kann sich (bei "Flagship Amsterdam") ein Modell ausleihen oder auf einem über und über mit Blumen dekorierten Boot durch die Grachten tuckern.

An historischen Gebäuden entlang der Amsterdamer Grachten – ein Bild, das nicht an Faszination einbüßt
©Getty Images/a_Taiga/istockphoto"Love is the cure" ist das Motto des Zufallskünstlers (das erste Modell hat er für seine Frau entworfen, die aufgrund einer Erkrankung ihr Rad nie finden konnte) – und nirgendwo anders würde das besser passen, als in Amsterdam, der Hauptstadt der Niederlande – dem ersten Land weltweit, das die gleichgeschlechtliche Ehe erlaubt hat. Man kennt die Stadt auch für ihre Coffeeshops, in denen es bekannterweise keinen Kaffee gibt, die Pride am Wasser und vielleicht auch für ihr Sexmuseum und Rotlichtviertel. Das Schöne ist aber, dass es die Stadt versteht, Verantwortung zu tragen, Halligalli mit Haltung aufzuladen.
Da ist das Anne Frank Museum, das seine weltweite Bekanntheit hoffentlich nie verliert, da sind die Bootstouren von "Rederij Lampedusa". Grachten-Fahrten mit Tiefgang, denn man befindet sich auf ehemaligen Flüchtlingsbooten, hört die Geschichten der Menschen, die mit diesen das Mittelmeer überquert haben und ist doch im Hier und Jetzt: ein gleichermaßen poetisches wie politisches Geschippere.
Es fällt im Sommer tatsächlich ein bisschen schwer, sich vom Wasser in der Stadt loszueisen. Wer mit einem kleinen Boot unterwegs ist (das geht ohne Führerschein, ab 18 Jahren) kann etwa bei Lokalen wie dem Café "t'Smalle" anlegen und sich die Bitterballen (Fleischkroketten) schmecken lassen. Man kann sich im Yoga auf einer schwimmenden Plattform versuchen, dem Prinsengrachtconcert am 23. August lauschen oder auf dem fest verankerten Blumenmarkt Tulpenzwiebeln aussuchen.
Beim "Waterkaravaan"-Festival (bis September) geht man auf Kanu-Safari, das Grachtenfestival (noch bis 24.8.) hat das Motto "Wasser" und beim Amsterdam City Swim am 7. September krault man mit Tausenden anderen 2,1 Kilometer im Kanal. Selbst die heutige Königin Maxima hat das schon gemacht – für den guten Zweck versteht sich. Kurzum: das Wasser – gleich ob Kanäle, Flüsse oder übrigens auch Badeseen – durchtränkt das Leben in Amsterdam durch und durch, nicht nur bei gutem Wetter.

Die Keizersgracht, also der Kaiserkanal, hat als Namensgeber Kaiser Maximilian I.
©Koen Smilde PhotographyRein in die gute Stube
Von dieser idyllischen Vorstellung sollten sich Reisende ganz schnell verabschieden, man steht auch durchaus mal mit geöffnetem Regenschirm auf dem Ausflugsboot. Wer sich ab und an lieber drinnen aufhält: bestens! Einige bedeutende Museen finden sich diesseits des IJ, auf der Altstadtseite, praktischerweise dicht an dicht. Das Van Gogh Museum – und das Rijksmuseum (Vermeer, Rembrandt, Van Gogh). Skurril darf es aber natürlich auch sein: Tulpen-, Mikroben- und Diamantenmuseum (ab 2026 an neuer Location) sind ausgesprochen amsterdamig. Das gilt auch für die Souvenirs. Im Van Gogh Museumsshop gibt es immer wieder Sammlerstücke aus Kooperationen, etwa eine Van Gogh-Pokémon-Karte (leider schon passé) oder ein Playmobil-Set mit dem Künstler als Figur. Die berühmten Sonnenblumen als Lego-Wandbild: auch nicht schlecht.

konen der Stadt – Sonnenblumen vor und im Van Gogh Museum, soweit das Auge reicht
©Getty Images/Hollandfoto/istockphotoIm "Amsterdam Duck Store" (ja, die Rede ist von Badeenten) gilt "das Mädchen mit dem Perlenohrring" (sprich: Vermeer) als Bestseller und in kleinen Geschäften in den trendigen Vierteln (z. B. Westerpark) lugt so manch originelle Fahrradklingel aus dem Regal. Oder man bringt einen Laib Ziegenkäse mit, Amsterdams kleinstes Käsegeschäft – "Cheese & Gifts" – bietet sich dafür an. Vor der Eingangstür steht übrigens ein Blumenrad von Gregory, stilecht mit Käserädern drapiert.

Käse aus Amsterdam ist beliebt – und zwar nicht nur Gouda
©Getty Images/alexsl/istockphotoKuriose Fakten. Wussten Sie, dass …
... Amsterdam 2 Meter unter dem Meeresspiegel liegt und die Städtebauer schwimmende Viertel entwickeln?
... A’Dam eine Sponge-City ist? Bedeutet: Auf vielen Dächern wird Regenwasser gesammelt.
... es entlang der Grachten so viele schmale Häuser gibt, weil einst die Steuern nach der Breite der Häuser berechnet wurden?
Was man als Abschluss unbedingt andenken sollte: den Blick von oben aufs Wasser, etwa von der Dachterrasse des NEMO, dem Wissenschaftsmuseum. Und wer noch eine Besonderheit anlässlich der 750 Jahre Amsterdam mitnehmen möchte: Noch bis Anfang November hat man bei "The Roof of Amsterdam" die Chance, Königspalast, Hauptbahnhof und die Altstadt als Ganzes von oben zu betrachten. Eine temporäre Aussichtsterrasse auf der Nieuwe Kerk Amsterdam (eine Kirche) macht’s möglich. Und bei richtig guten Wetterbedingungen sind auch ein paar schillernde Wasserreflexionen drinnen.
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