Nova Gorica und Gorizia: Zwei Städte oder doch nur eine?

Die Soča (Isonzo) trennt nicht, sondern verbindet die zwei Städte am Fluss.
Zusammenfassung
- Nova Gorica und Gorizia sind die erste Europäische Kulturhauptstadt, die zwei Städte umfasst, getrennt durch die italienisch-slowenische Grenze.
- Die Städte repräsentieren unterschiedliche Identitäten: Gorizia als historische Stadt der Habsburger und Nova Gorica als moderne slowenische Stadt.
- Das Kulturhauptstadtjahr thematisiert Krieg, Frieden und Schmuggel, während die Region für ihre autochthonen Weine bekannt ist.
Das gab es noch nie. Die heurige Europäische Kulturhauptstadt umfasst zwei Städte, die getrennt sind und doch untrennbar zusammengehören: Nova Gorica und Gorizia (go2025.eu). Dazwischen verläuft die italienisch-slowenische Grenze. Die Autorin und Slowenien-Kennerin Irene Hanappi schreibt in ihrem neuen Buch über die Faszination dieser „Schwesterstädte“.
KURIER Talk mit Irene Hanappi
KURIER: Die Identitäten der beiden Städte sind sehr unterschiedlich ...
Irene Hanappi: Gorizia kann man sich vorstellen wie eine Dame mit gepuderter weißer Perücke im Krinolinenkleid, die sich in diesem Outfit schwer bewegen kann. Nova Gorica als Jugendliche im Hosenanzug mit Pferdeschwanz. Beide sind attraktiv, man will sie kennenlernen – und sie wollen einander kennenlernen.
Gorizia war eine Stadt der Habsburger Monarchie.
Damals hat man in den Straßen Deutsch, Italienisch, Slowenisch, Jiddisch, Friolanisch und Venezianisch gehört. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde 1947 eine willkürliche Grenze gezogen – zwischen Gorizia und ein paar Siedlungen, in denen slowenische Bürgerinnen und Bürger wohnten. Von einem Moment auf den anderen konnten sie keine Ämter, Kirchen und Spitäler mehr besuchen.

Slowenien-Kennerin Irene Hanappi hat ein neues Buch geschrieben
Plötzlich waren Familien und Freundeskreise zerrissen. Dann wurde mit Nova Gorica eine neue Stadt gebaut.
Genau. Es ist die jüngste Stadt Sloweniens. Ein Architekt, ein Schüler von Le Corbusier, hatte ambitionierte Pläne.
Heute geht man über die Grenze. Spürt man da plötzlich, dass alles ganz anders ist?
Das Flair in Gorizia ist sehr speziell. Es gibt Palazzi, einen sehr schönen Hauptplatz, viele Gärten – Sommerfrische pur. Nova Gorica ist anders, eher wie Berlin, mit breiten Straßen.
Das Zusammenwachsen der Städte ist ein Sinnbild für das Zusammenwachsen von Europa. Doch die Geschichte hat dunkle Seiten.
In den Höhlen des Berges Sabotin waren Soldaten aus allen Teilen der Monarchie untergebracht, die einen Weg in den Stein gehauen haben. Man kann nicht anders, als in die Haut dieser Soldaten zu schlüpfen. Dann sieht man den smaragdgrünen Isonzo (slowenisch Soča), der „Fluss aus Glas“ genannt wird. Der Kontrast zwischen der Härte des Krieges und der Schönheit der Landschaft ist heftig. In Nova Gorica stehen viele Denkmäler, die an Partisanen aus dem Zweiten Weltkrieg erinnern. Man findet Stolpersteine in Gorizia, die jüdische Bevölkerung wurde ausgelöscht, geblieben ist wie durch ein Wunder die Synagoge aus dem 16. Jahrhundert.

Die Soča (Isonzo) trennt nicht, sondern verbindet die zwei Städte am Fluss.
Im Kulturhauptstadtjahr spielt das Thema der Grenze eine Rolle.
Eine Säule des Programms ist Krieg und Frieden, eine andere Schmuggel. Die Menschen schmuggelten Fleisch nach Italien, Kaffee nach Slowenien. In den Museen wird das auf humoristische Art veranschaulicht.
In dieser Region geht es wahrscheinlich auch viel um Kulinarik. Die Gegend ist begnadet, ein Garten Eden. Im Vipavatal gibt es viele autochthone Weinsorten und in der Goriška Brda so tolle Weine, dass man sie in New York und Tokio kosten, aber nicht im Supermarkt kaufen kann. Man muss hinfahren, sich hinsetzen und sich Zeit nehmen.
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