Mit Motorrad durch Sahara und Arktis: "Dem Zufall eine Chance geben"

Zusammenfassung
- Michael Martin ist ein Reisefotograf, der seit Jahrzehnten mit dem Motorrad fast alle Kontinente bereist und darüber berichtet.
- Warum er nicht gerne plant und sich vom Zufall überraschen lassen möchte.
- Er erzählt von seinen größten Herausforderungen und brenzligen Situationen.
Reisefotograf Michael Martin hat mit seinem Motorrad fast alle Kontinente bereist, Wüsten durchquert und ist immer wieder an seine Grenzen gekommen. Sein Buch „Auf zwei Rädern um die Welt“ erscheint am 19. Februar.
KURIER: Alles begann mit einer Reise mit dem Mofa nach Marokko.
Michael Martin: Wir wollten Sterne beobachten. Ich hatte eine Sternwarte auf dem Garagendach der Eltern und wollte einmal die Magellanschen Wolken sehen. In den Ferien sind wir nach der elften Klasse mit zwei Mofas von Bayern nach Marokko gefahren. Dort habe ich die Wüste kennengelernt. Das hat mich so begeistert, dass ich Wüstenfotograf wurde.
Hat sich durch diese Reise Ihr Freiheitsdrang entwickelt?
Der war vorher schon da. Ich habe mit fünfzehn angefangen zu reisen. Ich wollte immer raus. Das hat mir meine Mutter in die Wiege gelegt. Bis heute ist es das Gleiche: Weg von zu Hause, raus in die Welt, reisen, fotografieren und darüber berichten.
Sie waren auf fünf Kontinenten unterwegs. Was ist Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?
Die Kontinente sind für Motorradfahrer sehr unterschiedlich. Die Antarktis scheidet aus. Aber ich war mit dem Motorrad in der Arktis unterwegs, bin im Winter auf dem Highway durch Kanada gefahren, bei Temperaturen zwischen minus 35 und minus 45 Grad. Ich habe die Sahara durchquert, war in der Kalahari-Wüste, viel in Australien und Asien. Ich habe alles gemacht, was mit Motorrad möglich ist.
Welcher Kontinent ist der schwierigste?
Afrika, glaube ich. Al-Qaida oder Boko Haram machen heute Reisen in die Sahara unmöglich. Wenn Sie von Österreich nach Kapstadt fahren wollen, haben Sie eine Menge Probleme, weil viele Länder nicht durchquerbar sind. Afrika ist mit Wüsten, Regenwäldern, schlechten Straßen, Moskitos und Tropenkrankheiten der herausforderndste Kontinent.
Und Europa?
In Europa ist Motorradfahren ein Genuss, mit offenen Grenzen, wenig Gepäck, guten Karten und Straßen. Ich war auf allen Kontinenten unterwegs, außer in Europa. Jetzt kann ich mir vorstellen, auch mal den Großglockner zu fahren, nach Albanien oder Rumänien.
Planen Sie die Reisen vorher?
Ich bin ein Anti-Planer. Das einzige, was ich brauche, sind ein Flugticket und ein „Carnet de Passages“ – den Reisepass für das Motorrad. Ich finde es angenehm, wenn ich am Morgen nicht wissen muss, wo ich am Abend schlafe. Ich möchte dem Zufall eine Chance geben.
So ergeben sich die besten Geschichten ...
Mein Fokus ist die Fotografie. Es geht darum, Geschichten zu sammeln. Es lässt sich nicht planen, wo ich auf eine Gruppe von Nomaden stoße, die mich einladen. Da kann man nicht sagen: „Wir müssen jetzt weiter. Wir haben eine Hotelbuchung.“
In den Regionen, wo ich unterwegs bin, gibt es oft keine Strukturen, kein Hotel. Ich kann nicht googeln, wo die nächste Tankstelle ist. Ich habe ein gewisses Gottvertrauen entwickelt und natürlich habe ich viel Erfahrung. Reisen ist viel einfacher, als man denkt, wenn man cool bleibt.
Wo hatten Sie Schwierigkeiten?
In Delhi habe ich eine Woche gebraucht, um mein Motorrad aus dem Zoll zu bekommen. Im Sudan hat mir ein Lastwagenfahrer einen Riss im Vorderreifen mit einer vierzig Zentimeter langen Naht grob genäht. Am 11. September 2001 war ich in Pakistan und musste innerhalb von 26 Stunden nach Indien, weil die Grenzen geschlossen wurden. Ich bin nonstop über den ganzen Karakorum gefahren. Einfach ist es nicht.
Es gab auch Situationen, die brenzlig waren.
Ich bin im Iran in einen Schusswechsel zwischen die iranische Drogenpolizei und Drogenhändler geraten, weil ich nachts mit Motorrad in der Wüste Lut unterwegs war. Solche Situationen gilt es zu vermeiden, indem man sich vorher informiert. Trotzdem kann es immer wieder mal passieren.

Erscheint am 19. Februar: Michael Martin: „Auf zwei Rädern um die Welt.“ Ludwig Verlag. 304 Seiten. 25,50 Euro
KURIER Talk mit Michael Martin
Und trotzdem empfehlen Sie das Reisen mit Motorrad?
Es ist leichter, als man denkt, und man wird Erlebnisse haben, die ein Leben lang begleiten.
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