Luftaufnahme von Weinbergen und grünen Hügeln in der Südsteirischen Weinstraße.
Reise

Ein Schluck Geschichte: 70 Jahre Südsteirische Weinstraße

Die Südsteirische Weinstraße lädt anlässlich ihres 70-jährigen Jubiläums zu einer Reise durch Geschichte und Genuss ein.

Man kann sich an der hügeligen Kulisse des Weinlandes in der Südsteiermark kaum satt sehen. Bergauf und bergab, eröffnet jede Kurve einen neuen idyllischen Bildausschnitt: An steilen Hängen angelegte Weingärten, Hopfenfelder und Streuobstwiesen, Pappeln und Kastanienbäume, Äcker und Wälder – soweit das Auge reicht. An klaren Tagen offenbart sich ein beeindruckender Rundumblick: von der Koralm über das Grazer Bergland und das Leibnitzer Feld bis hin zum Vulkanland, der Untersteiermark und dem Pohorje in Slowenien. Die geografischen Koordinaten sind schnell umrissen, denn im Osten bildet der Flusslauf der Mur, im Westen das Schilcherland und im Süden Slowenien die natürliche Grenze. Und so schlängelt sich die fast unscheinbare Straße über 25,5 Kilometer entlang malerischer Ortschaften wie Berghausen, Ratsch, Glanz und Langegg und ist von berühmten Weinorten wie Ehrenhausen, Gamlitz, Spielfeld und Leutschach aus erreichbar. 

Was viele Weinstraßenliebhaber kaum kennen, ist die bewegte Geschichte, die sich hinter der Südsteirischen Weinstraße versteckt.

Südsteirische Weinstraße: Ein Geheimtipp erwacht aus dem Dornröschenschlaf

„Es gibt heutzutage keine Märchen mehr und auch keine Prinzen, die auf der Suche nach einem Dornröschenschloss sind. Darum werden Landschaften wie das südsteirische Grenzland jetzt nur noch durch neue Straßen entdeckt“, schrieb ein gewisser Dr. M. in der regionalen Süd-Ost-Tagespost im Jahr 1955, anlässlich der Fertigstellung der Südsteirischen Weinstraße. Wie dieser journalistischen Notiz zum Trotz wurde die Weinstraße am 15. Oktober, dem Tag ihrer feierlichen Eröffnung, aus ihrem ganz eigenen Dornröschenschlaf gehoben und weiß auch nach 70 Jahren ihres Bestandes noch märchenhafte Geschichten zu erzählen. So wirken die Schilderungen, die Ilse Jakopé vom KulturWeingut Kästenburg in Ratsch an Weinstraße in ihrem Repertoire hat, noch immer sagenhaft – vor allem in Hinblick auf die wirtschaftliche und touristische Erfolgsgeschichte: „Unser Grenzland war nach dem Zweiten Weltkrieg das Armenviertel der Region“, hält Ilse Jakopé, Agrar-Ingenieurin und Sommelière, mit Nachdruck fest. „Man kann sich das kaum noch vorstellen, wie es hier damals ausgesehen hat“, erzählt die 59-Jährige, während sie in ihrer Gaststube auf alte Fotografien ihrer Vorfahren zeigt. „Es waren Hohlwege entlang der ganzen Weinstraße. Während die wohlhabenderen Weinbauern schon Pferdefuhrwerke hatten, nutzten die meisten Bauern noch Ochsen für ihre Transportwege.“ 

Sepiafoto eines Winzers mit Hut und Hosenträgern bei der Weinlese im südsteirischen Hügelland.

Josef Jakopé bei der Weinlese auf der Südsteirischen Weinstraße in den 1950ern.

©KulturWeingut Kästenburg

Pioniergeist mit Weitblick: Wie die Südsteirische Weinstraße zum Urlaubsziel wurde

Mit dem Bau der Weinstraße von 1950 bis 1955 setzten die Bewohner in den Nachkriegsjahren ein Zeichen für eine gemeinsame Zukunft. Damals konnten sie noch nicht ahnen, welche Entwicklung die Region durch diese Straße nehmen würde. Touristische Ambitionen hegte man damals noch keine: Das Straßenprojekt wurde vorrangig realisiert, um die Arbeit der Bauern zu erleichtern. Die Finanzierung erfolgte teils durch öffentliche Mittel, teils durch Eigenleistungen der Interessenten.

Ilses Großvater, Josef Jakopé, zählte zu den Pionieren, die sich für den Ausbau der Infrastruktur im südsteirischen Grenzgebiet einsetzten. Gemeinsam mit den Bürgermeistern von Ratsch und Sulztal, dem Obmann der Weggenossenschaft, Robert Knaus sen., sowie mit Emmy Bullmann – später bekannt als „Mutter der Weinstraße“ – trieb er das Projekt mit Überzeugung und Weitblick voran. Josef Jakopé hatte stets ein Gespür dafür, wo Türen aufgehen könnten: „Er pflegte gute Kontakte bis in die Landesregierung hinein und war einer der ersten, der die Grazer Wirtshäuser mit südsteirischem Wein versorgte“, erzählt Ilse. Sein Gedanke war so einfach wie einprägsam: „Wir können nicht alles selber trinken – der Wein gehört unter die Leute!“

Fröhliche Kellerpartie: Maria und Josef Jakopé stehen um ein Weinfass auf der Kästenburg, festgehalten auf einer Schwarzweißfotografie.

Maria (links) und Josef Jakopé (rechts) bei einer fröhlichen Kellerpartie auf der Kästenburg.

©KulturWeingut Kästenburg

Rebenland Südsteiermark: Von der armen Grenzregion zur reichen Genussdestination

Als im Herbst 1955 der letzte Straßen-Abschnitt fertiggestellt und feierlich auf der Kästenburg eröffnet wurde, rückte erstmals die wirtschaftliche Tragweite dieser neuen Verbindung für das Grenzland ins öffentliche Bewusstsein. „Die von Landeshauptmann Josef Krainer kürzlich der Benützung übergebene letzte Verbindungsstück der Weinstraße zwischen der Rebenburg und der Kästenburg in den Grenzgemeinden Ratsch und Sulztal, dürfte das Tor zum Grenzland jetzt endgültig weit, weit aufgestoßen haben“, mutmaßte die Süd-Ost-Tagespost damals. Und damit sollte sie auch recht behalten: Mit der zunehmenden Motorisierung stieg auch die Reiselust der Bevölkerung – und die Südsteirische Weinstraße avancierte schnell zum Geheimtipp für Wochenend- und Tagesausflügler: „Viele motorisierte Städter nutzten in den Anfängen die Gelegenheit, um Ausflüge in das südsteirische Grenz- und Weinland zu unternehmen“, erzählt die historisch bewanderte Kästenburg-Wirtin.

Wussten Sie, dass ...

... die Südsteirische Weinstraße nicht nur für exzellenten Wein bekannt ist, sondern auch ein traditionsreiches Hopfenanbaugebiet ist? – Rund um Leutschach wächst seit Jahrhunderten feinster Hopfen: ein Schatz für heimische Brauereien.

Pulsierende Geschichte: Die Kästenburg an der Weinstraße

Ilses Mutter, Marianne Jakopé, reichte damals Landeshauptmann Josef Krainer die Schere zum symbolischen Banddurchschnitt. Ein Moment, der sich tief in ihr Gedächtnis eingebrannt hat. „Da begann die Lebensader zu schlagen“, stellte sie später rückblickend fest.

Mit der Weinstraße erwachte auch die südsteirische Gastfreundschaft zum Leben – ein Wert, der bei Familie Jakopé bis heute gelebt wird. „Wir sind stolz, das Erbe meiner Familie weitertragen zu dürfen“, sagt Ilse, die mit frischen Ideen und gelebter Tradition das KulturWeingut Kästenburg prägt. Eine Mariensäule aus dem Jahr 1642 in der Hofeinfahrt und ein gemeißelter Sandstein am Eingang zum Weinkeller erzählen von der langen Geschichte der 1638 erbauten Kästenburg. Sie ist nicht nur das älteste Haus an der Südsteirischen Weinstraße, sondern thront auch an einem der höchsten Punkte der Region. Den Namen verdankt sie zwei alten Kastanienbäumen, die der Überlieferung nach seit über 2000 Jahren an diesem Punkt Wache halten.

Ein Haus und eine Hütte an der schönen Südsteirischen Weinstraße, eingerahmt von einem Holzzaun.

Idylle mit Weitblick: Die Kästenburg an der Südsteirischen Weinstraße lädt zum Verweilen ein. 

©Katharina Baumhakel

Tradition genießen: Wein, Buschenschank & Jause 

Im Jahr 1956 zählte die Kästenburg dank Maria Jakopé zu den ersten Buschenschank-Betrieben an der Weinstraße. „Anfangs hat man die Jause zum Wein noch selbst mitgebracht“, lässt Ilse wissen. Weil ihre Großmutter jedoch eine wahre Meisterin in der Küche war, lag es bald nahe, vinophilen Ausflüglern selbst gemachte Köstlichkeiten anzubieten. „Kübelfleisch, Verhackertes und Würstel kamen auf den Tisch. Vieles wurde in Schmalz eingelegt, um es haltbar zu machen. So hatte man auch ohne Kühlung immer eine Jause für Gäste parat“, erzählt Ilse. Ein Spruch der Großmutter ist ihr bis heute im Gedächtnis geblieben: „Die Küche sperrt den Keller auf!“ Und was für den Keller die Küche, war für den Weintouristen die Straße.

Ein reich gedeckter Tisch mit Steirischem Backhendl, Käferbohnensalat mit Kernöl und Wein.

Echtes steirisches Backhendl – ein Klassiker auf der Kästenburg. Dazu gehören Käferbohnensalat mit steirischem Kürbiskernöl und ein Glas Welschriesling.

©Michaela Lorber

Welschriesling, Klapotetz & Co: Südsteirischer Weingenuss beim Top-Winzer

Denn der steirische Weintourismus war mit dem Bau der Straße aus der Taufe gehoben worden und die außergewöhnliche Qualität der Weine trug das Ihre zur dynamischen Entwicklung des Tourismuszweiges bei. Fruchtbare Böden und ideale Sonnenexpositionen sorgen seit jeher für jene Weine, deren Ruf weit über Österreichs Grenzen hinauseilt. Durch die Kombination aus warmen Tagen und kühlen Nächten entstehen besonders fruchtbetonte, elegante Weine mit lebendiger Säure. „Welschriesling führt die Liste der Klassiker an, gefolgt von Sauvignon Blanc, Gelbem Muskateller und Morillon“, lässt die Weinkennerin wissen. „Die Region zählt außerdem zu den niederschlagsreichsten Weinbaugebieten Österreichs“, ergänzt Ilse, die sich mit ihrem Ehemann, Weinbaumeister Werner Barthau, bereits 1997 auf die Herstellung von Sekt nach der Champagnermethode spezialisiert hat. Nicht zuletzt ist es das Wissen der Winzer, oft über Generationen weitergegeben, und ein feines Gespür für moderne Techniken, das die südsteirischen Tropfen so besonders macht.

Ein Klapotetz thront auf einem Hügel in der malerischen Südsteiermark

Die Südsteirische Weinstraße entfaltet zu jeder Jahreszeit ihre besonderen Reize. Als beständiger Begleiter prägt der Klapotetz seit jeher das Landschaftsbild.

©Katharina Baumhakel

Mit Herz und Sterz: Kulinarik & Landschaftszauber in der Südsteiermark

So wie bei der Geschmacksvielfalt der südsteirischen Weine, verhält es sich auch bei der Landschafts- und Farbenvielfalt. Ihren Reiz offenbart die Weinstraße zu jeder Jahreszeit: Im Frühjahr, wenn es grünt und blüht, im Sommer, wenn die Trauben in der Weinlandsonne reifen und der Klapotetz den Rhythmus der Region trommelt, im farbenfrohen Herbst, wenn Sturm- und „Kästen“-Duft in der Luft liegen und im Winter, wenn die Nebelschwaden über die Täler ziehen und die Weinstöcke wie mit Tusche gezeichnet das Landschaftsbild prägen.

Ob man es sich im urigen Gasthaus, gemütlichen Buschenschank, regionalen Fine-Dining-Lokal, renovierten Weinstöckel oder im organisch-designten Chalet gut gehen lässt, man kommt nicht umhin, sich in die Gegend zu verlieben. Und diese führt geradewegs ins Schlaraffenland: bei Backhendl, Kernöleierspeis, Sterz und Grammeln, Käferbohnensalat, Spagatkrapfen, Weinstrauben und Potitzen, einem Glasl Welschriesling oder Muskateller schlägt das Herz schnell höher.

Familie Jakopé-Barthau mit zwei Hunden vor dem Eingang der Kästenburg.

Familie Jakopé-Barthau schreibt die eindrucksvolle Geschichte der Kästenburg an der Südsteirischen Weinstraße fort

©KulturWeingut Kästenburg

Mehr als Tourismus: Authentische Erlebnisse an der Weinstraße

Trotz großer Beliebtheit, weitreichender Bekanntheit und regen Zustroms (auch von Investoren) hat sich das schöne Fleckchen Erde über die Jahre hinweg seine Authentizität bewahrt, und die südsteirische Gastfreundschaft ist aufrichtig und unverfälscht geblieben. Damit das auch so bleibt, setzt sich der Verein „Pappel-Forum“ ein, der sich mit feinem Gespür für den Naturraum, das Miteinander und das Gleichgewicht zwischen Lebensqualität, Tourismus und Wirtschaft engagiert. „Wie sagt man so schön: Einzeln sind wir nur Worte, zusammen ein Gedicht“, bringt es Ilse auf den Punkt. Ihren Großeltern, Maria und Josef, ist es bis heute zu verdanken, dass die Kästenburg einst wie heute als Drehscheibe für Kulturaustausch gilt – und als ein Ort, an dem gerne gefeiert wird. Gerade im Jubiläumsjahr darf man sich auf außergewöhnliche Programmpunkte freuen, etwa am 10. August 2025, wenn „Ein Schluck Geschichte“ das 70-jährige Bestehen feiert.

Ilse Jakopé hält einen goldenen Rahmen mit dem Bild ihrer Tochter Lisa-Maria, die wiederum einen Rahmen mit Jakob-Josef hält, der einen Rahmen mit einer Weinflasche zeigt. Das Bild symbolisiert generationenübergreifende Verbundenheit.

Generationenübergreifende Verbundenheit: Ilse Jakopé und ihre Kinder Lisa-Maria, Kästenburg-Wirtin, und Jakob-Josef, Weinbau- und Kellermeister der Kästenburg.

©KulturWeingut Kästenburg

Weinstraße mit Herz: Ausblicke & Lebensfreude

„Wir sind Gott dankbar, hier gelandet zu sein. Urlaub für die Seele. Wunderschön!“, steht in schwungvoller Handschrift im Gästebuch der Kästenburg. Gleich darunter: „Ein Juwel der Südsteiermark!“ Wer das Glück hat, hier Zeit zu verbringen, der kann nach allen Regeln der Kunst genießen.

Das Schöne passiert hier sowieso!

Ilse Jakopé vom KulturWeingut Kästenburg über die Südsteirische Weinstraße

Nicht nur die reizvollen Ausblicke und das südliche Flair bei feiner Kulinarik und edlen Tropfen machen den Aufenthalt an der Weinstraße zu einem Fest für alle Sinne. Es ist auch das lebenslustige und offene Wesen der Südsteirer, allen voran von Ilse Jakopé, das zum Wiederkommen animiert. Was sie Besuchern der Weinstraße auf den Weg mitgeben möchte? „Einfach die Momentaufnahmen genießen, ganz ohne Erwartungshaltung. Das Schöne passiert hier sowieso“, versichert Ilse – und der Blick auf die Hügellandschaft lässt keinen Zweifel daran.

5 Hotspots auf der Südsteirischen Weinstraße

Die Südsteirische Weinstraße hat zwischen Ehrenhausen und Leutschach für Entdecker, Kulturliebhaber und Grenzgänger einiges zu bieten. Hier ein paar besondere Anziehungspunkte:

  1. Grenztisch „Miza na meji“: Direkt auf der Staatsgrenze zwischen Österreich und Slowenien symbolisiert der Grenztisch die Verbindung zweier Kulturen.
  2. Dreisiebner Kapelle: Ein stiller Aussichtspunkt in Leutschach mit weitem Blick über die südsteirische Hügellandschaft.
  3. Herzerlstraße: Nahe Špičnik verläuft die Herzerlstraße in Herzform – besonders von der steirischen Seite aus ein begehrtes Fotomotiv.
  4. Größte gläserne Weintraube der Welt: Die leuchtende Weintraube am Eory-Kogel bei Leutschach ist ein modernes Wahrzeichen des steirischen Weinbaus.
  5. Wasserturm Weinleiten: Der markante Turm bei Gamlitz bietet einen spektakulären Rundblick über die Weingärten und ist ein beliebter Aussichtspunkt.

     

Über Katharina Baumhakel

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