
Die Champagne: Luxus, preiswerte Tipps und eine komische Wurst
Zwischen sanften Weinbergen, gigantischen Kreidekellern und edlem Sprudel wartet die Champagne auch mit moderaten Preisen und der Andouillette auf.
Die kostbaren Trauben werden mit chirurgischer Präzision von Hand gelesen. Alles unter den wachsamen Augen der Winzer, die jede Parzelle kennen und den perfekten Erntetag abwarten. Qualität vor Quantität, ein Prinzip, das die Champagne seit Jahrhunderten zu ihrem Mythos macht. Und den Schaumwein aus Frankreich zum begehrten Getränk.
Mit der Weinernte in der Champagne beginnt der Prozess, der später die Perlen ins Glas bringt. Sein Ende liegt oft in Reims und Épernay, den bekanntesten Orten der Region mit den Sitzen der großen Champagnerhäuser, nur einen Katzensprung von Paris entfernt. Wer mit dem TGV durch die sanften Weinberge donnert, ist in gerade einmal 45 Minuten mitten in Reims, im Sekt-Herzen Frankreichs, nein, der Welt.
Die berühmten Kreidekeller der Champagne in Reims
Unter der Stadt erstreckt sich ein legendäres Reich: die Kreidekeller, die sogenannten Crayères. Einst von den Römern in den weißen Untergrund geschlagen, reichen sie bis zu 30 Meter tief. Heute lagern hier Millionen von Flaschen in endlosen Gängen. Nicht umsonst nennt man die Weinkeller ehrfurchtsvoll „Kathedralen“. Das gleichmäßige Klima – konstante elf Grad – ist ideal, damit der Champagner in Ruhe reifen kann.

Einer der berühmten Kreidekeller in Reims - hier von Taittinger.
©APA/AFP/FRANCOIS NASCIMBENIOben drüber haben einige der 16 Champagnerhäuser ihre Stammsitze auf Hochglanz poliert. Schließlich will man mit der Zeit gehen. Notwendig ist das allemal: Viele greifen inzwischen lieber zu günstigeren Alternativen, und die Weltlage lädt derzeit nicht gerade zum Dauerfeiern ein. Heuer wurde zum dritten Mal in Folge die vorgeschriebene Erntemenge reduziert und auf 9.000 Kilogramm pro Hektar festgelegt.
Um Besucher anzuziehen, setzte man zuletzt auf Inszenierung – mit stylischen Verkostungsbars und Restaurants wie das Polychrome bei Taittinger. Moët & Chandon hat seine Bar in Épernay im weißen Florida-Stil neu eröffnet. Ruinart beherbergt einen Landschaftspark mit Kunstwerken und ein Kreidelabyrinth, während Pommery dreißig Meter unter der Erde zeitgenössische Kunst präsentiert.
Was tunt, wenn es zu viel Luxus ist?
Nur: Manchmal wird das Wort Luxus ein bisschen zu wörtlich genommen. Nach den paar Häppchen und dem dezent eingeschenkten Schaumwein bei Verkostungen stellt sich die Frage: „Kommt da noch was?“ Wer danach noch Hunger oder Durst hat, zieht besser weiter in die Stadt.
Rund um die Markthalle Halles Boulingrin und den römischen Torbogen Port Mars reihen sich die Lokale wie Perlen aneinander – Champagner gibt’s hier glasweise und zu Preisen, die nicht gleich nach Hedgefonds klingen.
Bester Stoff wartet im Trésors de Champagne, dem Clublokal einer exklusiven Winzer-Gemeinschaft. Gäste entdecken hier den Geschmack unterschiedlicher Terroirs und die Persönlichkeiten ihrer Macher. Eine Verkostung ist Pflicht.
Hier gibt es in Reims leistbaren Luxus
Wer davor eine Stärkung braucht, wird schnell fündig, noch dazu zu bodenständigen Preisen. Im Le Bocal gibt es drei Austern für sechs Euro, im Petit Comptoir ein Mittagsmenü für unter 30 Euro.
Für Wagemutige wartet in so manchem Lokal eine Spezialität aus Troyes: die Andouillette. Essen wie Gott in Frankreich? In diesem Fall liegt der Verdacht nahe, dass der Allmächtige einen speziellen Humor hat oder der Erfinder einen schlechten Tag hatte. Die Wurst besteht aus Teilen des Schweinedarms. Und ja, sie schmeckt auch so. Aber es darf auch die so stolze Grande Nation daneben liegen.
Die echte Kathedrale
Bei all der Völlerei sollte man die Kultur nicht vergessen. Ein Reims-Besuch ohne die Kathedrale (die echte) Notre-Dame ist so unvollständig wie Champagner ohne Kohlensäure. Die Kirche gilt als Meisterwerk der französischen Gotik – und als Bühne der Geschichte: Hier wurden jahrhundertelang französische Könige gekrönt, hier stand Jeanne d’Arc, als sie Karl VII. zur Krone verhalf. 1962 bekräftigte Charles de Gaulle bei einem Gottesdienst die deutsch-französische Freundschaft. Und wenn das Sonnenlicht einfällt, lassen Marc Chagalls Fenster den gewaltigen Innenraum in Farben erstrahlen, die einem schönen Rosé Konkurrenz machen.

Innenraum der Kathedrale von Reims.
©Adt MarneHeute gilt Reims als inoffizielle Hauptstadt der Champagne – einst trug Troyes den Titel offiziell. Wer sich von der berüchtigten Andouillette nicht abschrecken lässt, wird schnell feststellen: Die Stadt atmet mittelalterliches Flair, zwischen engen Gassen und bunten Fassaden verströmt sie Frankreich pur. Châlons-en-Champagne steht dem in nichts nach. Kanäle durchziehen die Stadt wie feine Adern, Brücken spannen sich darüber – Reiseführer sprechen gern vom „prickelnden Venedig“.
Leuchtturm und Windmühle in Verzenay
Wer ins Umland fährt, entdeckt die andere Champagne: weniger Glamour, mehr Dorfidylle – und Winzer, die noch Geheimtipps sind. In Verzenay etwa thront ein Leuchtturm über den Hügeln, einst als PR-Gag eines Champagnerhauses errichtet. In seiner Nähe steht eine alte Windmühle, als sei hier die Zeit stehen geblieben.

Und in Hautvillers schrieb der Benediktinermönch Dom Pérignon Geschichte. Nein, erfunden hat er den Champagner nicht, wie Legenden gerne raunen – aber er hat ihn verfeinert und zur Kunstform erhoben.
Tipps für die Champagne
Sehenswertes
- Avenue de Champagne: Namhafte Champagner-Häuser aneinander gereiht.
- Château de Pierry: Königsgalerie besuchen und Champagner verkosten. Infos: chateau-de-pierry.fr
- Route de l'Exploration Tranquille: Durch die Region radeln oder wandern. Infos: epernay-tourisme.com
Hotels
- Les Crayères: Luxuriöses Château in Reims im Park mit Zwei-Sterne-Lokal und Brasserie Le Jardin. lescrayeres.com
- Loisium: Modernes Haus, mitten in den Weinbergen, mit Spa. loisium.com
- La Caserne Chanzy: Gleich gegenüber der Kathedrale von Reims. lacasernechanzy.com
Kulinarik und Weingüter
- Le Crypto: Gemütliches Bistro in Reims mit gefeierter französischer Küche. restaurantlecrypto.eatbu.com
- Arbane: Gourmettempel in Reims. Tipp: Der Lunch von Mo-Fr ist vergleichsweise günstig. arbane-philippe-mille.com
- Symbiose: Moderne Küche mit einer Portion Kreativität im Bistro in Épernay. symbiose-restaurant.co
- Ruinart: Ältestes Champagnerhaus mit viel Kunst in Reims. ruinart.com
- Alfred Gratien: Hat viele Fans. alfredgratien.com
- Champagne Tarlant: Bio- und Zéro-Dosage-Pionier. tarlant.com
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