Leadersnet-Chef Leitenmüller über seinen Werdegang: „Das Tanzen war ein Geschenk“

Wer in Wien gerne Abendveranstaltungen der Wirtschaft besucht, kommt an Leitenmüller quasi nicht vorbei.
KURIER: Vom Balletttänzer zum Eigentümer des nach Eigenangaben größten österreichischen Business-Netzwerkes. Wie geht das?
Paul Leitenmüller: In der Schule war ich Leistungsturner und wurde oberösterreichischer Landesmeister im Geräteturnen. Ich konnte Figuren wie Rückwärtssalto und wollte dann auch Ballett ausprobieren.
Was meinten die Eltern dazu?
Mein Vater, Fußballspieler in der ersten Liga der Voest, schlug die Hände über den Kopf zusammen und meinte: „Das gibt’s ja nicht, mei Bua will Balletttänzer werden, und das freiwillig.“ Meine Mutter fand das durchaus lustig. Ich war dann mit 14 Jahren in der Ballettschule in Linz – und habe dort auch meine Frau kennengelernt, die hobbymäßig tanzte und heute Journalistin ist. Als man mich nach der HTL-Matura fragte, ob ich das Tanzen nicht hauptberuflich machen möchte, habe ich dort eine zweite Matura abgelegt. Das geschah in der Wiener Volksoper vor einer paritätischen Kommission. Man kennt das aus dem Film „Flashdance“. Und damit wurde ich ganz offiziell staatlich geprüfter Balletttänzer.
Wieso haben Sie dann umgesattelt?
Zehn Jahre lang hauptberuflich Balletttänzer zu sein war berufliche Erfüllung. Jeden Abend 700 Leute im Publikum zu begeistern – also zu kommunizieren, ohne zu sprechen – hat eine richtig große Faszination. Du hast natürlich dann fünf Mal die Woche Vorstellung, was für soziale Kontakte schwierig ist. Meine Frau meinte damals: „Heiraten gerne, aber Kinder kriegen wir nur dann, wenn Du was Ordentliches machst.“ Daher habe ich nebenberuflich den Lehrgang für Werbung und Verkauf an der WU besucht – wobei eine Aufnahme eigentlich nur nach einem abgeschlossenen Studium mit Fachpraxis möglich war. „Aber einen Exoten pro Jahr nehme ich“, meinte der Professor.

Wie wurden Sie dann Kurdirektor in Baden?
Ich hatte einen Mentor – Leo Wallner, damals Generaldirektor der Casinos Austria, dessen Frau künstlerische Leiterin des Stadttheaters Baden war. Die Casinos unterstützten das Theater, und er wollte jemanden für Marketing, Inszenierung, PR holen. Wallner stellte mir all seine Verbindungen zur Verfügung. Wir haben den Kultursponsoring-Einsatz verfünfzehnfacht. Dort habe ich gelernt, was ich bis heute mache. Dann wollte der Badener Bürgermeister, dass ich das auch für die Stadt tue, und machte mich zum Tourismusdirektor, zuständig für Wirtschaft. Ich wurde also Kurdirektor, wie es dort so schön heißt. Das war eigentlich der Beginn von Eventmarketing in Städten. Wir haben der Stadt damit 756.000 Übernachtungen gebracht.
Und dann wurde Frank Stronach auf Sie aufmerksam?
Der war ja gleich nebenan in Ebreichsdorf, seine Firma hieß „Magna Entertainment Corporation“. Er wollte hier eine Weltkugel bauen, Pferderennen veranstalten und gleichzeitig jene aus Amerika übertragen. Via Handy hätte man darauf wetten können – das war seine große Vision. Er machte mich zum Geschäftsführer von Magna Racino Österreich. Aber Stronach war der Gigantomanie schon sehr nahe – und vielleicht war es auch zu früh für den österreichischen Markt. Ich lernte dort „Management mit nur einem Sheet.“ Denn er wollte die Ziele der Firma pro Jahr jeweils nur auf einem einzigen Zettel lesen. Mehr wollte er nicht wissen.
Wann erkannten Sie, dass es mit dem Magna Racino nichts wird?
Das ist die „goldene Regel“ des Frank Stronach: „Wer das Gold hat, macht die Regel“. Ab dem Zeitpunkt, wo er den Geldhahn abgedreht hat, war klar, dass es nichts mehr wird. Das waren erkaufte virtuelle Welten. Nach zwei weiteren Jahren im Marketing bei Römerquelle sagte der Wirtschaftsblatt-Gründer Chris Radda zu mir: „Willst nicht endlich was G’scheites machen?“ Ich wurde Mitglied der Geschäftsführung in der ET Multimedia, für das Branchenmedium medianet zuständig. Danach habe ich mich mit dem Datenbankmanager und dem besten Verkäufer von dort selbstständig gemacht. Wir wollten eine Zeitung machen, die nicht mehr auf Papier gedruckt war – damals ein Novum. Heute geht es darum: Wer schafft die schnellste Kommunikation und wer liefert Content, der Leute begeistert? Und wer kann ihn auch noch verkommerzialisieren?
Auf LinkedIn schreiben Sie: „We love to infotain you.“ Wie viel Information und wie viel Entertainment steckt in Ihrem Produkt denn?
Wir haben Personen in den Vordergrund gestellt und Fotografen zu Business-Veranstaltungen geschickt und außerdem einen Newsletter versandt. Noch heute halten wir dem Management den Spiegel. vor
Sie verdienen also mit der Eitelkeit der Menschen, die sich auch selbst in Ihrer „Fotogalerie“ suchen?
Nicht nur, aber auch. Oft ist die erste Frage von Leuten, die uns konsumieren: „Warum war ich da nicht eingeladen?“ Die zweite: „Warum war mein Mitbewerber eingeladen?“ Und die dritte: „Wer steht auf diesem Foto neben wem und was haben sich die womöglich ausgemacht?“ Wenn wir zum Beispiel über den Jägerball berichten, schauen das Hunderttausende Leute an.
Gut für Ihre Werbung.
Genau. Aber wir liefern außerdem täglich zwei bis vier Business-Interviews. Alles geht sofort online und wird um Mitternacht – gesammelt – als Newsletter ausgeschickt. Heuer, im 16. Jahr, besuchen wir 2.000 Veranstaltungen jährlich, machen 500 Videos und fünf Mal die Woche je 30 Geschichten.
Klassischer Journalismus ist es dennoch nicht, man kann sich ja auch Geschichten kaufen.
Gekaufte redaktionelle Strecken sind als Advertorial gekennzeichnet.
Wie läuft der deutsche Markt?
Wir machen keine Verluste und setzen auf Expansion. Das Geschäft mit der Eitelkeit, gepaart mit Wirtschaftsinformationen, gibt es in Deutschland nicht, ist in Österreich aber wesentlich einfacher. Unseren deutschen Kunden gefällt jedoch dieser österreichische Schmäh.
Wo findet Information in Zukunft statt?
Wir müssen an die Menschen appellieren: „Bitte informiere dich und nimm das aus mehreren Quellen, um dir eine Meinung zu bilden. Sprich auch mit anderen und kommuniziere nicht nur virtuell. Sonst spricht jemand anderer für dich.“ Wir bieten mehr als Tiktok. Bei uns muss man schon noch lesen können.

Diese Fähigkeit nimmt aber ab.
Wir sprechen die Leute ein bisschen spielerisch an, und es kostet nichts. Durch die hohe Besucherfrequenz wird Werbung ausgespielt, damit können wir einen Teil unserer Mitarbeiterkosten decken. Der größte Teil unserer Einnahmen ist aber unser Spiel mit den Daten: Weil wir wissen, was unsere Leser interessiert, können wir für Firmen auch Neukunden akquirieren.
Der Kreis schließt sich: Sie sind schon wieder keinen Abend daheim, oder?
Ja (lacht). Auch heute stehe ich oft auf der Bühne. Das Tanzen war dafür ein Geschenk, weil man keine Scheu hat, auf der Bühne zu stehen.
Haben Sie eine politische Botschaft?
Die Entkoppelung zwischen körperlicher Arbeit und Leistung finde ich richtig schade. Ich habe noch gelernt, ein Loch zu graben, einen Zaunpfeiler hineinzubetonieren – und das nennt man auch Arbeit. Mich freut es, etwas geschaffen zu haben – vor allem in meinem Garten. Man sollte das Handwerk wieder mehr ehren und sagen: Der Fleiß wird belohnt, und man hat Freude an Leistung.
Opinion Leaders Network
Paul Leitenmüller war Balletttänzer, Kurdirektor, Stronach-Geschäftsführer, bevor er „Leadersnet“ gründete. Die Firma hat 26 angestellte und 20 freie Mitarbeiter, 2024 machte sie 4,9 Mio. Euro Umsatz.
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