Warum Verbote den Prostituierten schaden
Das französische Vergnügungsviertel Pigalle ohne die Damen des horizontalen Gewerbes? Kaum vorstellbar. Doch genau das soll mit dem neuen Prostitutionsgesetz in Frankreich bezweckt werden. Nach dem sollen Freier, die eine Prostituierte besuchen, künftig bestraft werden. Der KURIER berichtete.
An der Realität wird sich durch die neue Rechtslage wohl nicht viel ändern. Davon ist die Soziologin Helga Amesberger überzeugt. Ein Blick nach Schweden, wo seit 1999 die käufliche Liebe unter Strafe gestellt wird, macht das klar: "Seither ist weder die Zahl der Nachtclubs noch die Zahl der Sexarbeiterinnen zurückgegangen. Sie sind nur in die Illegalität gedrängt worden. Das hat eine Evaluierung ergeben, die vergangenen Monat veröffentlicht wurde."
Noch schlimmer
Die Situation habe sich für die Frauen in Schweden sogar verschlimmert. "Wenn sie ihr Geschäft zum Beispiel auf der Straße anbahnen, dann muss das viel schneller gehen als früher. Sie haben nicht mehr so viel Zeit, den Kunden abzuchecken, ob er eine Gefahr für sie bedeutet oder nicht." Die Prostituierten müssten zudem einen viel größeren Aufwand betreiben, um ihre Kunden – die ja ihre Einkommensquelle sind – zu beschützen. "Sie müssen Strategien entwickeln, wie sie sich vor der Polizei verstecken können", erläutert Amesberger. "Das eröffnet der Korruption Tür und Tor. Und die Betroffenen sind erpressbarer." Hilfe ist das keine. Wer Frauen vor der Zwangsprostitution und vor der Sexarbeit schützen wolle, der müsse andere Strategien entwickeln. "Frauen aus dem Ausland, die zur Sexarbeit gezwungen werden, müssten vor Ausweisung geschützt werden und zumindest ein verpflichtendes Bleiberecht erhalten. In Österreich ist das zum Beispiel nur der Fall, wenn die Frauen vor Gericht aussagen. Das ist zu wenig."
Frauenhäuser
Wer diesen Frauen helfen will, der müsse ihnen auch die Möglichkeit geben, ihren Lebensunterhalt anders zu verdienen. Und er müsse Strukturen anbieten, in denen sich die Frauen aus ihren Zwangsbeziehungen lösen können: "In Österreich gibt es Notwohnungen, die ähnlich funktionieren wie Frauenhäuser. Sie erhalten dort psychologische Betreuung und werden auf dem Weg in ein neues Leben unterstützt."
Schweden hat’s vorgemacht – seit 1999 steht der Erwerb von käuflichem Sex dort unter Strafe. In Norwegen, Island und Großbritannien gibt es ähnliche Gesetze. Heißt: Freier müssen empfindliche Geldstrafen zahlen, Zuhälter mit Freiheitsstrafen rechnen. Ziel ist es, Männer abzuschrecken, sodass weniger Herren die Dienste von Sexworkerinnen in Anspruch nehmen. Erwünschtes Signal: Sich eine Frau zu „kaufen“, ist kein Kavaliersdelikt.
Ob das funktioniert? Das ist zu bezweifeln: Männer werden durch so ein Gesetz eher nicht davon abgehalten, sich Sex zu kaufen. Ein Gesetz gegen Geilheit gibt es nämlich nicht. Also wird es weiterhin Kunden geben, aber illegal, im Dunklen. Eine Maßnahme gegen Menschenhandel und Zwangsprostitution ist es vermutlich auch nicht. Denn natürlich werden männliche Kunden in Zukunft davon absehen, Sexworkerinnen in Notlage zu melden – so würde ja offensichtlich, dass sie illegal gehandelt haben. Zwar ist der Straßenstrich in Schweden signifikant zurückgegangen, doch Kritiker sind überzeugt, dass Prostitution nun eher abseits stattfindet, im Untergrund, dort, wo keiner hinschaut. Und wo mehr Gefahren lauern als bisher. Ein Einwurf kommt auch von Frauen, die sich als „freiwillige Sexarbeiterinnen“ outen, sie fürchten durch die neue Gesetzgebung Umsatzeinbußen.
gabriele.kuhn@kurier.at
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