Damit das gelingt, muss freilich auch das Design stimmen. Wie macht man einen Anzug, der zum Kerngeschäft von Boss zählt, attraktiv für eine junge Klientel? „Vor allem nach der Pandemie wollen die Männer zwar einen perfekt sitzenden Anzug, jedoch einen, der sie nicht einengt“, sagt Chefdesigner Marco Falcioni im KURIER-Gespräch. „Wir waren immer berühmt für unsere Slim-Fit-Anzüge. Heute gehen wir dieses Thema demokratischer an, kreieren also auch locker sitzende Modelle. Wir trauen uns viel mehr, was die Passform angeht. Auch die Eigenschaften des Materials haben sich weiterentwickelt. Es gibt Anzüge mit Stretch und Modelle, die einfach in die Waschmaschine geworfen werden können, anstatt in die Putzerei zu müssen.“
Gerade die jüngste Gruppe, die Boss ansprechen will, sei laut dem Designer verrückt nach perfekt geschneiderter Mode. „Die Kundschaft geht weg von Jerseyware hin zu Investmentteilen wie Mänteln, Blazern und Hosen“, beobachtet der 42-Jährige. „Die Teile sind jedoch modischer.“ Mit einer Uniform à la Wallstreet habe der Anzug nichts mehr zu tun.
Marco Falcioni bezeichnet sich selbst nicht als den typischen Anzugträger. Das Interview mit dem KURIER führt der gebürtige Italiener in einer Kombination aus T-Shirt und offenem Cordhemd, getoppt mit einer lässigen Haube. „Obwohl ich der Designer einer Firma bin, die für Anzüge bekannt ist, wird man mich nur selten in einem sehen“, gibt er schmunzelnd zu. Genau das sieht er, dessen Wurzeln im Jeansdesign liegen, jedoch als Stärke: „Als ich angefangen habe bei Hugo Boss zu arbeiten, habe ich zuerst einmal versucht von anderen zu lernen. Und dann Dinge zu hinterfragen – eben weil ich kein Konsument dieser Produkte bin.“
Ein großer Lernprozess in puncto Design sei auch die Zusammenarbeit mit dem Skimode-Label Perfect Moment gewesen, deren Ergebnis nun in Kitzbühel präsentiert wurden. „Wir wollten ein Mode-Statement für die Piste kreieren, hatten bei Boss jedoch nicht das technische Know-how im Bereich Skimode“, erklärt Falcioni. „Als ich das erste Mal bei Perfect Moment im Londoner Firmensitz war, bekam ich die freundliche Anmerkung, dass dieses und jenes leider nicht umsetzbar sei.“ Die auffälligen Skijacken, -hosen und -anzüge der gemeinsamen Kollektion empfindet er als gelungenen Zusammenprall zweier Welten: „Boss ist nicht für starke Farben oder Muster bekannt. Perfect Moment ist genau das Gegenteil.“
Während sich Marco Falcioni darum kümmert, Design-Kooperationen wie diese in die Läden zu bringen, unterzieht Geschäftsführer Daniel Grieder Letzteren einer Auffrischung. Im Juni 2022 wurde in London der erste Store mit neuem Konzept eröffnet: Interaktive Bildschirme laden zum Videospielen ein, es gibt Größenberatung via Tablet und die Möglichkeit zur Produktpersonalisierung.
Für Grieder ist das ganzheitliche Erlebnis in den Filialen so wichtig, dass er bis 2025 rund 500 Millionen Euro in deren Umbau investiert: „Auf der Verkaufsfläche geht es nicht mehr länger um Verkäufe pro Quadratmeter, sondern Erlebnisse pro Quadratmeter“, sagt der Schweizer.
Um das Metzinger Modeunternehmen zukunftsfit zu machen, sei es laut dem Manager wichtig, auf die Bedürfnisse der Kundschaft zu hören. „Zum Beispiel wird die Sensibilisierung zum Thema Nachhaltigkeit weltweit immer größer. Die Verbraucher erwarten von Marken, dass sie sich mit Umweltfragen auseinandersetzen und ihnen helfen, verantwortungsvolle Kaufentscheidungen zu treffen.“ Daniel Grieders Ziel für Hugo Boss: Bis zum Jahr 2030 im eigenen Verantwortungsbereich und bis 2045 entlang der gesamten Wertschöpfungskette klimaneutral zu sein.
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