Kind und Karriere: Ein kleines Mädchen verändert die Welt
Gleichberechtigung, Frau und Arbeit, Entlohnung und ungleiche Bezahlung, Kind, Karenzmodelle, Karriere, das Teilzeitphänomen und das Rabenmutterimage. Im Zusammenhang damit natürlich auch Papamonat, Väterkarenz und Patchwork-Familien: in den vergangenen Jahrzehnten ist, speziell um den internationalen Frauentag, jeder Aspekt des Frauseins in unserer Gesellschaft eingehend beleuchtet worden.
Was noch nicht geschrieben wurde, ist meine Geschichte. Es ist die einer Frau, die den Blickwinkel geändert hat. Aus der langjährigen Beobachterin und Kommentatorin wurde im vergangenen Jahr eine Beteiligte. Ich bin seit einem halben Jahr sozusagen ins Auge des Orkans vorgedrungen, erlebe, was das Frausein mit sich bringt, wenn man wagt, was ich viele Jahre immer wieder verschoben habe: vor einem halben Jahr kam mein kleines Mädchen auf die Welt. Charlotte. Dass sich mit ihr vieles verändern würde, war klar. Nicht jedoch, mit welcher Wucht diese Veränderungen plötzlich eintreten würden.
Das andere Leben
Bis kurz vor der Geburt lebte ich in wunderbarer, eindimensionaler Herrlichkeit. 41 Jahre, um die Dinge des Lebens durchzuspielen. Eins nach dem anderen: Schule, Uni, Ausland, Job, Wohnung, Liebe, Hund. Konzentration und Energie immer auf das gerichtet, was gerade am wichtigsten erschien. Im Mittelpunkt meines Lebens: ich selbst.
Nun: das ist vorbei.
Und es stört nicht einmal. Im Gegenteil – ich liebe es, liebe sie.
Nun schwappen mit dem neuen Lebensmodell viele neue Erkenntnisse herein. Die entscheidendste aus fünf Monaten Karenz: es wird zu schnell geurteilt. Das Leben mit Partnerschaft, Job und Säugling ist hochkomplex. Und total individuell. Dass sich Außenstehende anmaßen, den richtigen Weg für eine Mutter, für einen Vater, für eine Familie zu kennen, kann nur falsch sein. Die Schlagzeilen der vergangenen Jahre, wonach Frauen möglichst schnell zurück in den Job sollen, es zu viele Teilzeitfrauen gibt, Frauen sich in finanzielle Abhängigkeiten begeben, wenn sie lange zu Hause bleiben. Dass zu wenige Männer Familienarbeit übernehmen, Frauen ihre Karrieren für die Kinder verlassen, Frauen aufgrund ihrer Kinder in Top-Positionen rar sind, sind zwar inhaltlich allesamt richtig und wichtig, aber gleichzeitig oft verurteilend. Sie erzeugen immensen Druck. Denn die eigene Lebensplanung hängt von vielen Details und Überlegungen ab: vom Umfeld, vom eigenen Antrieb, von den Prioritäten. Ich wage zu sagen: jede Frau will bei dieser Entscheidung ihr Bestes geben, bleibt nicht leichtfertig zu Hause, entfernt sich nicht leichtfertig von ihrem Arbeitsplatz, geht nicht leichtfertig schnell wieder zurück in den Job und lässt ihr Kind auch nicht leichtfertig fremdbetreuen.
Die Entscheidung
Die ewigen Themen Kind, Karenz und Karriere, die drei Bereiche eng ineinander verwoben, erfordern von jeder Frau schwerwiegende Entscheidungen mit großen Folgen: Wie lege ich’s an? Was ist mir wichtig? Wann ist mir was wichtig? Und worauf kann und muss ich, vorübergehend oder vielleicht sogar für immer, verzichten? Faktum ist: Jedes Lebensmodell hat seine Vorteile, seine Nachteile – und blöderweise halten sich beiden Seiten meist sogar die Waage.
Ich habe erlebt: zu Hause beim Kind zu bleiben ist anstrengend, isolierend, eintönig. Man begibt sich in (finanzielle) Abhängigkeiten, die sich bis zur Pension auswirken können, verliert schnell die Verbindung zur Arbeit, auch wenn man sich bemüht, dranzublieben. Aber man ist beim Baby, das ist natürlich auch sehr erfüllend.
Ich erlebe: schnell wieder arbeiten zu gehen, ist anstrengend, organisatorischer Wahnsinn, erschöpfend und mitunter teuer, weil gute Babybetreuung und organisatorische Hilfen viel Geld kosten. Es ist zudem emotional herausfordernd, die Kleine in andere Hände zu geben. Aber man bekommt dafür (wieder) Selbstbestimmung, finanzielle Selbstständigkeit, Unabhängigkeit und auch das Erwachsenenleben zurück.
An dieser Krux, dem Pendeln zwischen den Welten, wird sich für Mütter nie etwas ändern.
Ich möchte erleben, dass jede Frau ihren Weg samt Konsequenzen gehen darf – ohne dafür bewertet zu werden.
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