Wenn Paare aus freien Stücken in getrennten Haushalten leben, spricht man in der Soziologie vom Beziehungsmodell "Living Apart Together" (zusammen sein, getrennt leben), kurz LAT. Mit dem Bekenntnis dazu hat eine Reihe von Prominenten in den vergangenen Jahren Schlagzeilen gemacht. Etwa die Schauspielerinnen Gwyneth Paltrow und Claire Danes oder Reality-Star Kourtney Kardashian. Auch abseits des Rampenlichts schwören immer mehr Liebespaare auf zwei Adressen.
Schon vor zehn Jahren berichteten britische Forschende, dass gut zehn Prozent der Paare in Europa, den USA, Kanada und Australien das LAT-Modell leben. In Japan erfreut sich LAT inzwischen generationsübergreifend großer Beliebtheit.
"Kein Nischenthema mehr"
Das Beziehungskonzept gewinnt auch hierzulande an Popularität, weiß das Paarberater-Duo Roland und Sabine Bösel zu berichten. "Getrennte Wohnsitze zu haben, ist auf die Häufigkeit bezogen kein Nischenthema mehr", sagen sie. Die Beweggründe dafür sind vielfältig. Gibt es auf beiden Seiten bereits Kinder aus früheren Beziehungen, ist die Hürde fürs Zusammenziehen oft groß, weil potenziell "ein aufwendiges Patchwork-Familiensystem entsteht", sagt Roland Bösel. Schlechte Erfahrungen aus früheren Beziehungen können ebenso gegen das Zusammenziehen sprechen, "weil man sich nicht mehr vollständig auf das Gemeinsame einlassen möchte".
Auch die Takedas haben in der Vergangenheit am eigenen Leib erfahren, dass das Zusammenleben nicht zwingend glücklich macht. Zwischen ihren Wohnsitzen liegt nun etwa eine Stunde Fahrtzeit. Rund dreimal in der Woche kommen sie zusammen. Den Gedanken ans permanente Zusammensein empfinden beide als "mühsam", ihren Beziehungsentwurf als "befreiend".
Geliebte Freiheit
Stichwort Freiheit: Menschen, die lange allein gelebt haben und darin eine Freiheit sehen, "geben das ungern auf", sagt Roland Bösel. "Viele stresst auch einfach der Gedanke an einen gemeinsamen Haushalt mit wenig Rückzugsmöglichkeiten und Diskussionen über offene Zahnpastatuben oder Ordnungsvorlieben", ergänzt Sabine Bösel.
Getrennte Wohnsitze können Beziehungen sogar beleben: Gemeinsame Momente werden intensiver erlebt, mühsame Debatten über die Banalitäten des Alltags bleiben einem womöglich erspart. Sie sind aber keine Garantie für eine langlebige Beziehung. "Es ist wie mit allen anderen Beziehungen", sagt Roland Bösel: "Es geht darum, dass es für beide passt."
Wer glaubt, dass sich mit der räumlichen Distanz der Redebedarf verflüchtigt, irrt. Mit der Autonomie steigt auch der Gesprächsbedarf. "Hilfreich ist, zu klären, wann es fixe Zeiten gemeinsam gibt und wer wie viel Zeit allein haben möchte", rät Sabine Bösel. Das sei auch in Beziehungen mit gemeinsamem Haushalt oft Thema, "aber getrenntlebende Paare müssen sich mehr zusammenreden".
Keine Lösung für Krisen
Kriselt es in einer Partnerschaft bereits, sei das Auseinanderziehen oft der Anfang vom Ende: "Das läuft oft auf eine Trennung in Etappen raus." Viele wünschen sich von der wohntechnischen Auszeit neu entflammte Sehnsuchtsgefühle. "Aber es wird darauf vergessen, den Konflikt zu klären."
Rückzugsräume lassen sich auch im gemeinsamen Haushalt arrangieren: "Man macht sich aus, wer wann laufen geht oder sonst etwas macht, das er oder sie als Zeit für sich empfindet", empfiehlt Sabine Bösel. Wichtig sei, die Regeln immer wieder anzupassen.
Auch Hiromi und Hidekazu Takeda wollen flexibel bleiben. "Die Vorteile des getrennten Wohnens überwiegen die Nachteile", sagt Hiromi Takeda, "zumindest für den Moment".
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