Eine unterschätzte Frucht: Wie die Williams-Christ in die Flasche kommt
"Saftig und süß, auf der Zunge weich und körnig, wie zuckriger Sand zergeht sie im Mund" – diese lukullische Beschreibung der Birne im Film "Stadt der Engel" schrieb Filmgeschichte. Klingt nach einer fruchtigen Delikatesse, doch die Österreicher zieren sich und verdrücken gerade einmal 2,9 Kilogramm pro Kopf und Jahr. Zum Vergleich: Mehr als sechsmal so viele Äpfel werden pro Einwohner vertilgt.
Für Marmeladen- und Kompotthersteller Staud’s nicht verständlich: "Wer sich das Einkochen antut, wird belohnt: Der Geschmack von alten Sorten wie Williams Christ ist einzigartig, vollaromatisch – ein echter Geheimtipp für Genießer. Perfekt zum Beispiel zu einem Rotschimmelkäse", erklärt Geschäftsführer Stefan Schauer.
Warum das Unternehmen selbst nur zwei Produkte mit der Frucht im Sortiment hat: "Die Birne ist immer noch eine Rarität unter den Marmeladen. Sei es aufgrund des geringeren Pektingehaltes, des hohen Wasseranteils oder aber des subtilen Geschmacks der Birnenfrucht. Der wahre Grund bleibt: Der Konsument bestimmt das Sortiment. Und da haben in Österreich Marillen oder Erdbeeren die Nase weit vorn", so Schauer. Hinzu kommt, dass die Verarbeitung der Früchte sehr aufwendig ist: "So müssen die Früchte zur optimalen Reife per Hand geschält und entkernt werden."
Mit geschmacksintensiven Speisen wie Wildgerichten oder Radicchio harmonieren ihre Aromen ganz besonders. In Norddeutschland ist das Gericht "Birnen, Bohnen und Speck" sehr beliebt, in Österreich braucht es die Frucht wiederum für das herbstliche Kletzenbrot. Der französische Meisterkoch Auguste Escoffier kreierte anlässlich einer Operetten-Aufführung im Jahr 1870 mit "Poire belle Hélène" (Birne Helene) überhaupt gleich ein Dessert für die Pariser Hautevolee. Im Originalrezept pochieren die geschälten Birnen in Läuterzucker, nach dem Auskühlen werden sie auf Vanilleeis angerichtet und mit kandierten Veilchen bestreut. Dazu wird eine heiße Schokoladensauce gereicht.
Goldenes Zeitalter
Die Kulturbirne Pyrus communis gehört zur Familie der Rosengewächse: Ursprünglich wurde sie in Vorderasien erstmals kultiviert und gelangte bereits in der Jungsteinzeit nach Mitteleuropa. In Griechenland wird sie seit etwa 1000 v. Chr. angebaut, die Römer übernahmen die Kultur. Ab 1750 begann ein goldenes Jahrhundert für die Kulturbirne und es entstanden zahlreiche Sorten.
Weltweit gibt es mehr als 2.500 Birnensorten. Aus Ländern mit deutlich höheren Birnenanteil wie Belgien, Holland und Italien kommen immer wieder neue Sorten auf den Markt wie zum Beispiel die robuste Uta. Zweifärbige, rotbackige Birnensorten liegen beim Konsumenten derzeit im Trend.
In den vergangenen Jahren gab es wegen diverser Wetterkapriolen unterdurchschnittliche Ernteergebnisse: Auch heuer wird es wegen Spätfrostschäden und eines schlechten Blühwetters eine mittelmäßige Ernte. 2022 wurden hierzulande 11.907 Tonnen auf 569 Hektar geerntet, das entspricht einem Versorgungsgrad von 84 Prozent.
Williams-Christ: Österreichs wichtigste Sorte
Tafelbirnen gedeihen am besten im warmen Mais-Wein-Klima und bevorzugen tiefgründige, leicht saure nährstoffreiche Böden. Birnbäume auf Streuobstwiesen können bis zu 200 Jahre alt werden und werden meist für die Mostproduktion genutzt.
Zutaten
4 Williamsbirnen
1 Zitrone
Für den Fond:
1/8 l Weißwein
1/8 l Wasser
1/8 l frisch gepresster Orangensaft (von ca. 1 Orange)
Abgeriebene Schale der Orange (unbehandelte Frucht)
200 g Zucker
1 Vanilleschote
1 Zimtstange
2-3 Zimtblüten
1 Sternanis
- Für den Fond Wein, Wasser, Orangensaft, abgeriebene Orangenschale, Zucker und Gewürze zum Kochen bringen
- Geschälte Birnenhälften dazugeben und etwa 10 Minuten (je nach Reifegrad der Früchte) mitkochen
- Früchte mitsamt dem Fond heiß in ein Glas mit Deckel geben und verschlossen im Kühlschrank aufbewahren. So sind sie mindestens eine Woche haltbar
- Tipp: Wer statt Orangensaft und Weißwein einen Rot- oder Portwein verwendet, erhält Rotweinbirnen. Außerdem können die Gewürze nach Belieben variiert werden: Vanille, Gewürznelken oder Lavendel passen besonders gut
Dieser Tage erreicht Österreichs wichtigste Sommerbirne sowie eine der ältesten Sorten überhaupt ihre Pflückreife: Bon-Chrétien Williams, oft als Williams Christ bezeichnet, soll um 1770 von der Baumschule Williams in ganz Großbritannien verbreitet worden sein. Für Marmeladen kommt fast nur diese würzige Sorte zum Einsatz. Andere alte Sorten wie die "Gute Luise“ zeichnen sich ebenso durch würzige Nuancen aus.
Zwei Birnbäume im Garten
Auch für den Hausgarten eignet sich Williams-Birnen, so Dominik Schreiber von der gleichnamigen Baumschule in Poysdorf: "Die Früchte können genussreif vom Baum genascht werden und zeichnen sich durch den typischen Birnenduft aus." Generell gilt: Es müssen immer zwei Birnbäume im Garten stehen und es müssen zwei verschiedene Sorten sein.
Gute Luise
die wichtige Herbstsorte schmeckt saftig, süß und fein gewürzt
Alexander Lukas
wird wegen der Größe gekauft, Aromen bescheiden
Conference
flaschenförmige Früchte mit einer fein-rau berosteten Schale
Packham’s Triumph
saftig und säuerlich mit feinem Aroma, hohe Erträge
Zur Veredelung werden Kultur-Birnen meist auf Quittenunterlagen gepfropft: Die Baumschule verkauft wurzelnackte Bäume, die im November oder im Frühjahr gepflanzt werden. "Bei kleinwüchsigen Sorten kann man schon im zweiten Jahr mit Erträgen rechnen. Da nicht alle Früchte gleichzeitig reif werden, wird der Baum zwei- bis dreimal abgepflückt. Die ersten Früchte bleiben am längsten frisch."
Zu Hause sollten Birnen kühl gelagert werden – Profis setzen sogar auf leichte Minusgrade. Da die sie nachreifen, sollten sie niemals mit Früchten aufbewahrt werden, die das Reifehormon Ethylen absondern.
Ab in die Flasche
Wer sich schon immer gefragt hat, wie die Williams-Birne in die Schnapsflasche kommt: Die Walliser Familie Germanier stülpte einst Flaschen nach der Birnbaumblüte über die kleinen Früchte. Diese wuchsen bis zum Herbst zu ihrer vollen Größe in der Flasche heran. Wie man sich vorstellen kann, fühlen sich nicht alle Früchte in den Flaschen wohl: Deswegen ist es für die Hersteller preiswerter, wenn man die Flasche am Boden aufschneidet, die reife Birne hineinsteckt, den Glasboden wieder anklebt und die Stelle mit einem Etikett überklebt.
Tipp: Arche Noah Obstfest im Schiltern, 30. September, 10-17 Uhr, Ausstellung: 100 Apfel- und Birnensorten
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