Irritation ist nötig
Dafür, betont Naske, braucht es „kontinuierliches Anbieten hoher Qualität“. Aber auch immer wieder ein „Element der Irritation“, um tiefer gehende Resonanz in den Menschen hervorzubringen: „Wenn man immer nur das erfüllt, was an Erwartungen vom Publikum sozusagen auf dem Tablett liegt, dann kann es sein, dass der Radius der Rezeption immer enger wird“, sagt Naske. Deswegen müsse man „Impulse setzen, die auch einmal fordernd sind“ – was vor allem dann funktioniert, wenn man das Vertrauen des Publikums gewonnen hat, wenn „die Glaubwürdigkeit der Institution intakt ist“. Insofern war nämlich das mit dem „Run“ gemeint, „dass die Menschen in ihrer Sehnsucht nach dieser Art der Auseinandersetzung uns und die Künstler begleiten“.
Nicht einfacher
Naske widerspricht auch einer Erzählung, die die Konzertinstitutionen nach der Pandemie begleitet: Dass das Publikum weniger abenteuerlustig geworden sei; dass die großen Stars ausverkauft seien, das kleinere und wagemutigere Angebot es aber schwerer habe. „Diese Erfahrung habe ich nicht gemacht“, sagt Naske. Ein das Konzerthaus auszeichnendes Merkmal sei, „der Vielfalt der Erwartungen möglichst viele künstlerische Entsprechungen zurückzugeben. Das macht die Disposition ziemlich komplex und es macht auch unser Leben nicht gerade einfacher“, sagt Naske mit einem Lachen. Dennoch haben der Mix mit anspruchsvollen Popkonzerten, Orchestermusik, Wagemutigem der Neuen Musik und vielem mehr „zur Glaubwürdigkeit des Ortes beigetragen“.
Kommendes Jahr nun will das Konzerthaus jenes noch bestehende kleine Abo-Minus, das nach der Pandemie im Vergleich zu 2019/’20 übrig blieb, aufholen. 710 Ensembles oder Einzelkünstler treten 2024/’25 bei gut 500 Konzerten auf.
Dafür hat man 62 Abozyklen aufgelegt, darunter – wie „Meisterstimmen“ – drei neue. Porträtserien sind für Cellostar Sol Gabetta, Jazzer Wynton Marsalis, den Pianisten Alexander Melnikov, den Dirigenten Raphael Pichon und Schauspieler Erwin Steinhauer aufgelegt. Und Josef Hader gestaltet einen Abend mit Musik zum Thema Trunkenheit. Erstmals gibt es Nachtkonzerte – mit Start um 21.30 Uhr und anschließenden DJ-Sets und Partystimmung bis nach Mitternacht.
RSO „unverzichtbar“
Einen Abschied begleitet das Konzerthaus auch: Marin Alsop hört mit dieser Spielzeit als Chefdirigentin des ORF-Radio-Symphonieorchesters auf – und gibt „ihr letztes Konzert mit der 2. Mahler-Symphonie bei uns im Haus“, sagt Naske, der betont: „Es ist eher ungewöhnlich, noch nicht zu wissen, wer ihr Nachfolger wird. Ich hoffe, dass das kein schlechtes Zeichen ist. Dieses Land braucht das RSO. Es ist unersetzbar.“ Die Kosten für das Orchester seien in Relation zu den Umsätzen des ORF „komplett irrelevant“. Das Orchester zu streichen wäre „wie sich ein Bein abzuschneiden. Ich kann mir nicht vorstellen, dass man etwas so kulturpolitisch Wichtiges einfach sein lässt“, sagt Naske.
Und noch etwas steht bevor – vielleicht: Nämlich die Neugestaltung des Heumarktes vor dem Konzerthaus. Die Debatte um das dort Entstehende scheint etwas verfahren. „Man darf Entwicklungen einer Stadt nicht nur von einem Blick von einer historischen Stätte aus betrachten“, spielt Naske auf den Canaletto-Blick vom Belvedere herunter an, der in der Debatte um das Hochhausprojekt und um das Weltkulturerbe immer wieder angeführt wird.
„Ich glaube, dass die Vorteile des Bauprojekts ganz eindeutig überwiegen. Ob einem das Projekt selbst gefällt oder nicht, da kann man ganz unterschiedlicher Meinung sein. Der Tunnelblick bringt gar nichts.“ Sollte das Bauprojekt realisiert werden, „wird es sicher keine einfache Zeit für uns. Wir haben vor Jahren einen Vertrag mit dem Bauträger abgeschlossen, der die Integrität der Situation hier im Haus so gut es geht, absichert.“ -
Schwierige Branche
Das Konzerthaus aber arbeitet, wie das gesamte Musikbusiness, ja nicht in einem luftleeren Raum: Man ist eingeklinkt in eine internationale Branche, die anderswo – deutsche Bundesländer, Großbritannien, USA – finanziell stark unter Druck geraten ist. Wirkt sich das auch aufs Konzerthaus aus?
„Es ist herausforderungsreich“, sagt Naske. Aber die Arbeit im Haus werde „unglaublich viel belohnt, das trägt weit mehr zur persönlichen Motivation bei als diese abstrakten Konstellationen. Ich glaube, dass auch langfristig die Musik, die Kultur, die Kunst ein wichtiger Teil in unserem gesellschaftlichen Miteinander sein werden“.
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