Wiener Festwochen: Grenzenlose Toleranz findet auch Kannibalismus okay

46-215411026
Absurdes Theater: die Uraufführung „Three Times Left is Right“ von Julian Hetzel bei den Wiener Festwochen.

Der Auftakt der Wiener Festwochen war dicht. Nachzutragen gilt eine äußerst gelungene Uraufführung im Museumsquartier: „Three Times Left is Right“ über die Liebe in Zeiten divergierender Anschauungen. Die 100 Minuten lange Aufführung beginnt mit einer „Triggernden Triggerwarnung“, die fast kein Ende nimmt. Etliches kommt dann gar nicht vor (zum Beispiel Blondinenwitze und Bodyshaming), der angekündigte Kannibalismus kurioserweise aber doch.

Der deutsche Regisseur rückt ein in Wien lebendes Intellektuellen-Ehepaar ins Zentrum. Verkörpert wird dieses von Kristien de Proost und Josse de Pauw. Auch die beiden sind, wie sie sagen, in Wirklichkeit ein Paar.

Nur der Altersunterschied ist nicht ganz so krass wie zwischen Helmut Lethen (86) und Caroline Sommerfeld (50).

Ob der Abend tatsächlich „Doku-Fiction“ ist, sei dahingestellt: Die Handlung beginnt mit einem luziden Vortrag des linken Professors über das, was als Normalität empfunden wird. Und diese unterliegt dem Bezugsrahmen, der sich mitunter rasch ändern kann: Der Judenhass etwa sei durch die NS-Propaganda normalisiert worden – und war daher gesellschaftsfähig.

Links und Rechts

Eine Studentin stellt kritische Fragen, der Professor ist angetan: Aus den beiden wird ein Paar, sie bekommen Kinder – und kriegen sich andauernd in die Haare.

Denn aus Angst vor den Migranten ist die junge Frau extrem nach rechts abgedriftet und behauptet, dass die Wokeness diese Haltung geboren habe.

Kann Liebe da überhaupt funktionieren?

Nun ja, der alte, weiße Mann opfert sich beim heißen Sex – und lässt sich unter seiner Anleitung zu Würsten verarbeiten. Das hat, garniert mit reichlich Mansplaining, viel bösen Witz. Zum Schluss dürfen alle im Publikum die Bratwürste schnabulieren. Und sich beim Diskutieren in die Haare kriegen.

Hetzel erzählt das sehr trocken in einem abstrakten Setting aus Licht, ergänzt um einen faszinierenden Musikautomaten, der immer wieder durch die Bühne gleitet, und eine Plakatwand, die verdeutlicht, wie schnell sich der Bezugsrahmen verändern kann. Ein cooles Statement.

Kommentare