Festwochen-Eröffnung: Ein bisschen Frieden, viel Meinung und viel Gekreische

WIENER FESTWOCHEN: ERÖFFNUNG: NICOLE
Auf dem Wiener Rathausplatz trat auch Song-Contest-Legende Nicole auf. Klingt nach einer Festwocheneröffnung für alle? Naja.

Zwischendurch war es doch so etwas wie ein Fest der Liebe: Die Sängerin Nicole, ihre riesige weiße Gitarre von vor 43 Jahren und „Ein bisschen Frieden“. Eine 60-Jährige, doch glaubwürdig „nur ein Mädchen“, wenn auch mit rauerer Stimme. Man war gerührt, schunkelte inbrünstig mit, es wurde warm am Rathausplatz.

WIENER FESTWOCHEN: ERÖFFNUNG -  RAU

Milo Rau in Uniform

Obwohl diese Festwochen bei nahezu winterlichen Temperaturen eröffnet worden waren. Gleichsam als Replik auf Parteien, die sich „mehr Blasmusikförderung“ im Kulturbudget wünschten, marschierte die Jauntaler Trachtenkapelle in Richtung der Bühne vor dem Wiener Rathaus, wo schon Festwochenintendant Milo Rau, gewandet in eine Uniform, darauf wartete, um noch einmal an das Wahlergebnis vom Herbst 2024 zu erinnern. Er sprach an diesem Abend noch oft von der FPÖ. Dass Österreich keine FPÖ-Regierung hat, scheint ihm entgangen zu sein.

Jedenfalls erneuerte er immer wieder sein Mantra, dass hier, bei den Festwochen, nun die „Republik der Liebe“ herrsche.

Berührend dann der erste Song: Soap&Skin mit Sufjan Stevens’ „Mystery of Love“. Gefolgt von der Spaß-Truppe „Caravan of LUV“, der „Festivalband“, sowie dem Schweizer Singer-Songwriter Faber, der sich im Lauf des Abends bemüßigt fühlte, über „Genozide“ zu referieren. Khalid Rawi, Oud-Spieler aus Mossul, durfte ein bisschen später dann „Free Palestine“ fordern. Ob man damit das Motto, einen Abend „für alle“ zu gestalten, erfüllte, sei dahingestellt.

Der kongolesische Countertenor Serge Kakudji erinnerte daran, dass in seiner Heimat seit 30 Jahren Krieg herrscht. Bevor er zu einer Arie ansetzte, die beinahe unmittelbar in Laurie Andersons berühmten Song „O Superman“ überging. Einst soll der Song einen berühmten Serienmöder beschäftigt haben. Er dauerte jedenfalls auch hier ziemlich lang. Nächste Station: die österreichische Singer-Songwriterin Anja Sodnikar alias Sodl. Der Künstlerin aus dem Salzkammergut, die sich „mehr Männerweinen“ wünschte, folgte eine kreischende Performerin aus Slowenien, die den Ursprung allen Nazitums in Wien verortete und diese Erkenntnis von der Festwochenbühne brüllte. Auch das durchwegs für alle Festwocheneventualitäten aufgeschlossen wirkende Publikum schien erleichtert, als endlich der Nino aus Wien auftauchte.

WIENER FESTWOCHEN: ERÖFFNUNG

Nicht lustig

Bis hierher war’s stellenweise mühsam, mit Soap&Skin und Nino aus Wien aber auch typisches Festwocheneröffnungsprogramm. Doch dann: Songcontest-Gewinnerin Nicole. War das ernst gemeint? Oder wollte da eine Hipster-Truppe besonders lustig sein? Falls dem so war: Es ist daneben gegangen. „Ich singe aus Angst vor dem Dunkeln ein Lied. Und hoffe, dass nichts geschieht“ . Das ist nicht lustig, das ist schön und ernst. 17 Jahre war Nicole 1982, als sie mit dem Lied „Ein bisschen Frieden“ den Songcontest gewann und 750 Millionen Menschen aus dem Herzen sang. Wer zu Nostalgie neigt: Damals herrschte kalter Krieg. „Ein bisschen Frieden“, das konnte man damals gut gebrauchen. Und kann es wohl heute wieder.

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