„Mutter Courage“ bei den Festwochen in einer düsteren Galaxie

Ein Musiker spielt Saz im Stück "Moeder Courage"
Brechts „Moeder Courage“ watet bei den Festwochen bildgewaltig im Wasserbecken, überzeugt aber schauspielerisch weniger.

Der erste Blick auf die Bühne von „Moeder Courage“ hat etwas von einem Raumflug. Da liegt eine riesige Kugel im Halbdunkel, das Licht bewegt sich über sie, wie wenn die Sonne im Zeitraffer die Erde erhellt. Dann erklingt das Lied der Mutter Courage: „Das Frühjahr kommt!“ Die Schauspieler ziehen und schieben die Kugel und man muss auch an Sisyphos denken in dieser düsteren Galaxie.

Dieser „Planet“ ist auch Courages Wagen. Krieg geht die ganze Welt an, ist hier wohl die simple Botschaft. In dieses assoziationsreiche Ambiente setzt die belgische Regisseurin Lisaboa Houbrechts ihre Inszenierung von Bertolt Brechts Antikriegsstück. Am Sonntag hatte es Premiere in der Halle E bei den Festwochen. Es ist eine sehr texttreue Version, aber in mehreren Sprachen: Französisch, niederländisch, hebräisch und kurdisch - ein Sprachenbabel, das die Thematik schon insofern ins Heute führt, als es die oft unverständliche Komplexität aktuellerer Kriegskonflikte subtil illustriert.

Auftritt der Kugel

Mutter Courage verliert schon in den ersten Minuten einen Sohn, weil sie lieber eine Schnalle gewinnbringend verkauft. Es wird bekanntlich nicht das einzige Kind bleiben. Auch den zweiten Sohn wird sie nicht vor seiner Exekution befreien können, weil sie ein günstigeres Lösegeld verhandelt. Und die Heldentat ihrer Tochter, die unter anderem sie rettet, bekommt sie auch nicht mit. Diese Szene, in der Kattrin das kurz vor der Eroberung stehende Dorf trommelnd aufweckt, ist die wildeste an diesem Theaterabend. Und jene, die den Faktor „Verfremdung“ sehr modern und - zur Situation passend - schwer zu ertragen inszeniert. Die Kugel hat da ihren größten Auftritt: Sie wird zum Gong, zum flackernden Alarm, zum Schwarzen Loch, das den Tod anzeigt.

Houbrechts hat den Anspruch, zu beleuchten, wie der Krieg in Frauen, in den weiblichen Körper eindringt. Das gelingt nicht so flächendeckend. Eine der besseren Szene ist aber, wenn sich die Courage und Prostituierte Yvette über ihre Geschäftsmodelle im Lichte des Kriegs unterhalten. Die Szenen werden oft nebeneinander gespielt, Gleichzeitigkeit suggeriert. Paul Dessaus Lieder werden manchmal ganz ohne Musik vorgetragen, manchmal auf Hebräisch oder Kurdisch, begleitet von der Langhalslaute Saz. Da wird es mitunter ein bisschen heller auf der Bühne, aber das Halbdunkel herrscht vor. Die Schauspieler waten durch knöchelhohes Wasser in einem Becken, das den ganzen Boden einnimmt. Mit Brettern werden da auch visuelle Effekte gemalt und gespritzt.

Blasse Hauptdarstellerin

Der optische Firlefanz täuscht aber nicht darüber hinweg, dass Laetitia Dosch leider eine allzu blasse Mutter Courage ist. Am Ende wird der Galaxie vom ganzen Ensemble (Koen de Sutter, Joeri Happel, Aydin Isleyen, Alain Franco, Laura de Geest, Lisi Estaras,Pietro Quadrino) noch ein kleiner Planet hinzugefügt. Vielleicht hätte das Brecht gefallen: Weiter zurücktreten als nüchterner Betrachter kann man schon nicht als ins All. Aber es bleibt Unbehagen über diese Bildwelt, denn viel mehr bleibt nicht hängen von Houbrechts' Regie. Aber Science-Fiction ist die Realität des Kriegs leider ganz und gar nicht.

Wh.: 19.5., Halle E im Museumsquartier

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