Kleine Clubs werden die Sieger sein

Die Clubkultur in Wien unterliegt – wie vieles andere im Leben auch – Schwankungen. Mal geht’s bergauf, eröffnen Clubs, mal geht’s bergab, und es werden Tanzflächen geschlossen. So turbulent wie 2015 ging es aber schon länger nicht mehr zur Sache.
Gleich zu Jahresbeginn konnte das Flex seine Rettung bekannt geben. Die Gläubiger des Szenelokals am Donaukanal, das von der Pleite bedroht war, haben den Sanierungsplan angenommen. Ob dem Club wieder der Aufschwung gelingt, ist ungewiss. Der einst einzige österreichische Club mit internationalem Ruf verlor Ende der Nullerjahre den Anschluss an die Szene. Diese zog nämlich weiter – etwa in die Pratersauna, die im Jahr 2008 eröffnet wurde. Erst kürzlich haben die langjährigen Betreiber, Stefan Hiess und Hennes Weiss, ihren Rückzug bekannt gegeben.
Der Nachfolger heißt Martin Ho, ein umtriebiger Geschäftsmann, der bereits u. a. den an die Pratersauna grenzenden Club VIE i PEE, das X, betreibt, für das man einen Schlüssel braucht, um hineinzukommen. Im März soll neu eröffnet werden.
Bereits am 16. Jänner dieses Jahres gibt es die Abrissparty in der Kantine. Der temporäre Club im alten Zollamt ist danach Geschichte. "Die neue Kantine wird im ersten Bezirk am Ring aufsperren", sagt Bono Goldbaum, der im neuen Club mit einem Fassungsvermögen von 1000 Personen als Booker und Veranstalter agieren wird. Die musikalische Ausrichtung wird breit angelegt sein – von Hip-Hop bis Techno.
Zu wenig Publikum
An Partys wird es in Zukunft in Wien nicht mangeln. Aber bei so viel Angebot sollte auch die nötige Nachfrage vorhanden sein. Und genau das ist ein Problem. Denn viele Clubs machen dasselbe für zu wenig Publikum und schreiben rote Zahlen. "Die Wiener Clubszene hat sich selbst kaputtgemacht", sagte Rudi Wrany alias DJ Crazy Sonic zum KURIER. Der Szenekenner spricht in diesem Zusammenhang gerne von einer "Zerspragelung". Soll heißen: Während es am Land und in vereinzelten Städten Österreichs immer weniger Angebot gibt, existiert in gewissen Bereichen in Wien vor allem am Wochenende ein Überangebot. Gejammert wird aber auch über die Belastungen durch behördliche Auflagen. Sie sind größer als in Berlin oder London. Die Vergnügungssteuer und die seit 1. Jänner geltende Registrierkassenpflicht machen die Situation nicht einfacher.
Die Musikjournalistin Katharina Seidler, die im April das Festival "Electric Spring" kuratieren wird, sieht an dieser "Zerspragelung" nicht unbedingt etwas Negatives. "Wenn sich die Szene gesundschrumpft, wachsen die eingeschworenen Gruppen wieder mehr zusammen, es ist der normale Zyklus einer städtischen Clubkultur." Für Friedrich "Fritz" Plöckinger, der den Wiener Plattenladen Market betreibt, ist die aktuelle Situation nicht von gestern auf heute gekommen. Für ihn gibt es kaum noch Club-Betreiber, die ein musikalisch relevantes Konzept verfolgen. Vielmehr werde nach dem Schema "Hauptsache, der Club wird voll" gebucht. Ausnahmen seien das Celeste und die Grelle Forelle, die auf "ein mittel gewagtes" Programm setzen.
Breiter
Apropos Forelle: Der Club am Donaukanal hat sich vor Kurzem wieder einmal neu aufgestellt. Die Geschäftsführung haben Johannes Piller-Giroud und Peter Balon übernommen. Man werde in Zukunft verstärkt mit Konzertagenturen (Skalar, Arcadia und PSI2) zusammenarbeiten. Die musikalische Ausrichtung wird also auch in der Forelle breiter werden. Plöckinger sieht diesen Flirt mit großen Konzertagenturen aber kritisch und warnt: "Wenn sie nicht aufpassen, dann passiert à la longue das, was zum Beispiel im Flex schon seit Jahren der Fall sei: die Optimierung der Bar, möglichst wenig Eigenkapital-Einsatz und das Verkommen zur Fremdveranstalter-Location mit null Risiko."
Das Fluc am Praterstern hat sich seit Jahren bewusst für ein Nischenprogramm entschieden. "Es war insgesamt ein gutes Jahr für uns", sagt der Programmverantwortliche Peter Nachtnebel. Sein Resümee: "Nischen machen sich bezahlt oder: Kleinvieh macht auch Mist."
Was sagt er aber zu der eher misslichen Lage mancher Wiener Clubs? "Es zeigt sich, dass einige Locations mit all ihren Eigenheiten viel ausdauernder sind als von Projektmanagern schnell aufgestellte Partyhütten. Mit prätentiöser Attitüde lässt sich kein Club dauerhaft betreiben, mit treuen Communities und Inhalt schon." Plöckinger schließt sich an: "Kleine Locations werden die Gewinner sein."
Kommentare