Filmkritik zu "Wicked: Teil 2“: Besties trotz Ohrfeigen

Zwei Hexen.
Düsterer und gefühlt etwas langatmiger als der erste Teil, zeigt die Fortsetzung seine Stars Cynthia Eviro und Ariana Grande als Hexen des Westens und des Nordens auf einem emotionalen Höhepunkt ihres Gesangs.

Vorsicht bei der Freizeitplanung! Wer seinen Kindern einen vorweihnachtlichen Kinobesuch mit „Wicked: Teil 2“ gönnen will, muss einen Erziehungsberechtigten mitschicken oder geht am besten selbst gleich mit. Die Altersfreigabe für die erfolgreichste Broadway-Verfilmung aller Zeiten wurde in der Fortsetzung von sechs auf 12 Jahre angehoben. Als Gründe dafür nennt die Filmwirtschaft „Bedrohung“ und „belastende Themen“. Ob dadurch der Publikumsansturm – ab Mittwoch im Kino – auf das Super-Musical eingedämmt wird, das weltweit 750 Millionen Dollar einspielte und in zehn Oscarnominierungen gipfelte, darf bezweifelt werden.

Tatsächlich aber hat sich der Erzähltonfall in „Wicked: Teil 2“ – im englischen Original: „Wicked: For Good“ – stark verdunkelt. Die Bedrohung eines autoritären Staates warf bereits im ersten Teil seine drohenden Schatten voraus. Trotzdem strahlte die Sonne der Freundschaft hell zwischen der grüngesichtigen Außenseiterin Elphaba und der allseits beliebten blonden Glinda. Ariana Grande als Glinda und Cynthia Erivo als Elphaba entfalteten stimmenstark ihre Coming-of-Age-Geschichte in farbenfrohen Filmsets und verkürzten die monumentale Länge mit beschwingten Tanzchoreografien. Im zweiten Akt der Musicalverfilmung, die die Vorgeschichte zum Filmklassiker „Der Zauberer von Oz“ erzählt, haben die Wolken der faschistischen Bedrohung nun gänzlich den Himmel der Technicolor-Farben zugezogen.

Elphaba hat Oz verlassen und wird nun im ganzen Land als böse Hexe des Westens geächtet. Die lichtblonde Glinda hingegen ist die gute Hexe des Nordens. Freudig übernimmt sie die Rolle der Propaganda-Ministerin für gute Laune und hält die Bewohner von Oz mit ihrem Lächeln bei Laune.

Lügenpropaganda

Doch die Dinge stehen schlecht um Oz: Die Tiere – einst gleichwertige Mitglieder der Gesellschaft und der menschlichen Sprache mächtig – werden zunehmend ihrer Rechte beraubt. In Elphaba haben sie eine einsame, aber tatkräftige Verbündetete gefunden: Während geknechtete Lasttiere am Bau der gelben „Brickroad“ schuften, bricht Elphaba auf ihrem Zauberbesen durch die Wolken und befreit die Tiere.

Als Elphaba ihre Botschaft: „Der Zauberer von Oz lügt“ in die Wolken zeichnet, schafft es Michelle Yeoh als Madame Morrible im magischen Handumdrehen, ihren Aufruf in eine Todesdrohung umzufälschen.

Die Wahrheit in Oz ist ein umstrittenes Terrain: Wer am besten lügt, gewinnt.

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Jeff Goldblum als heuchlerischer Zauberer von Oz.  

Das weiß auch Jeff Goldblum in seiner Rolle als Zauberer, wenn er mit Glinda und Elphaba einen witzigen, aber heuchlerischen Versöhnungsstepptanz vollführt. Fake News stehen ebenso an der Tagesordnung wie die Weisheit, dass ein gemeinsames Feindbild die Menschen vereinigt. Im Fall von Oz sind es die Tiere, die vom Zauberer als Schuldige systematisch vertrieben werden. Ihre Fürsprecherin Elphaba bezichtigt er der Lüge und des Verrats.

An dieser Stelle wirkt „Wicked: Teil 2“ gesellschaftlich wohl am brisantesten, wenn man seinen Inhalt als Kommentar zur gegenwärtigen US-Regierung lesen möchte.

Wer sich weniger für die politische Ebene interessiert, kann sich auf die allzu ausbuchstabierten Liebesverwirrungen zwischen Glinda, Elphaba und dem hübschen Fiyero konzentrieren.

In einem öffentlichen Propagandakt wird Fiyero mit Glinda verlobt, doch sein Herz schlägt anderswo. Plötzlich stehen sich daher die beiden Besties Glinda und Elphaba als Konkurrentinnen gegenüber, was Regisseur Jon M. Chu nach ein paar Ohrfeigen nur mühevoll mit hingebungsvollen Duetten zwischen Glinda und Elphaba wieder gutmachen kann.

Der Spagat zwischen ewiger Frauenfreundschaft und betrogener Liebe fällt schwer, doch Eviro und Grande legen so viel Herzblut in ihren emotionalen Gesang, dass man ihnen die wechselseitige Hingabe, die sie ganz besonders in dem Song „For Good“ beteuern, abnimmt.

Beide, sowohl Cynthia Erivo und als auch Ariana Grande waren schon einmal für einen Oscar nominiert, haben ihn aber nicht erhalten. Vielleicht schaffen sie es diesmal.

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