Ukraine-Krieg bringt Kunstschaffende und Mäzene in Zwiespalt

Ukraine-Krieg bringt Kunstschaffende und Mäzene in Zwiespalt
Auch russische Akteure sprechen sich gegen die Aggression aus. An Verflechtungen zwischen Macht, Geld und Kultur können sie meist wenig ändern

„Es gibt keinen Platz für Kunst, wenn Zivilisten im Feuer von Raketen sterben“, hieß es in dem Facebook-Post. Und weiter: „Als in Russland geborene Künstler werden wir unsere Arbeit nicht bei der Biennale Venedig zeigen.“

Geschrieben hatten das Statement – das am Freitag schon nicht mehr abrufbar war – Aleksandra Sukhareva und Kirill Savchenkov. Sie hätten den russischen Pavillon bei der diesjährigen Venedig-Biennale bespielen sollen. Auch der zuständige Kurator, der aus Litauen stammende Raimundas Malašauskas, legte seine Funktion zurück. Der Pavillon wird beim Kunstfestival heuer leer bleiben.

Die couragierte Wortmeldung kann allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Strukturen, die Russlands Repräsentation im liberal-weltoffenen Licht der zeitgenössischen Kunstszene tragen, oft sehr nah an der Elite im Umfeld Putins gebaut sind.

Smarte Kunstdiplomatie

Der Pavillon auf der Venedig-Biennale ist für diesen Zwiespalt exemplarisch. Denn für die Produktion und das Fundraising der Beiträge wurde 2019 auf zehn Jahre die Firma „Smart Art“ bestellt. Ihre Gründerinnen sind Ekaterina Vinukurova und Anastasia Karneeva, die eine gemeinsame Vergangenheit im Moskau-Ableger des Auktionshause Christie’s verbindet.

Vinukurova wiederum ist niemand geringerer als die Tochter von Russlands Außenminister Sergej Lawrow. Und Karneeva, die auch als „Kommissärin“ des heurigen Biennale-Beitrags fungiert hätte, ist die Tochter von Nikolai Volubuev, Chef des staatseigenen Konzerns Rostec, der auch in der Rüstungsindustrie aktiv ist.

Ukraine-Krieg bringt Kunstschaffende und Mäzene in Zwiespalt

Schon zuvor gaben sich in Venedig Akteurinnen, die um die politische „Soft Power“ der Kunst Bescheid wussten, die Klinke in die Hand. Stella Kesaeva, Kommissärin 2011 – ’15 und 2011 mit dem österreichischen Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst geehrt, war mit ihrer „Stella Art Foundation“ lange Zeit eine Schlüsselfigur des Kunst-Austausches. Ihr Ehemann bis 2017, Igor Kesaev, hatte als Tabakmagnat allerdings den ukrainischen Ex-Diktator Viktor Janukowitsch und angeblich auch russische Separatisten unterstützt.

Eine italienisch-russische Kollegin Kesaevas, Teresa Iarocci Mavica, übernahm zuletzt bei der Architektur-Biennale die Pavillon-Herrschaft.

Mavica, die auch die Kunstsammlung der Gazprombank managt, baute ihrerseits ab 2009 mit dem Leonid Mikhelson, Gründer des Gaskonzerns Novatek, die Kunststiftung „V-A-C“ auf. Neben einem Standort in Venedig eröffnete diese im vergangenen Dezember ein Museum, für das Stararchitekt Renzo Piano einen Kraftwerksbau in Moskau adaptiert hatte.

CORRECTION-RUSSIA-MUSEUM-ARTS

Gekappte Verbindungen

Der isländische Starkünstler Ragnar Kjartansson hatte eine Langzeitperformance zur Eröffnung der Institution geschaffen – und brach diese im Angesicht des Ukraine-Konflikts vorzeitig ab. Auch der künstlerische Leiter des Museums, der Italiener Francesco Manacorda, gab am vergangenen Donnerstag seinen Rückzug bekannt.

Oligarch Mikhelson gehört zu jenen Russen, die sich auch durch das Sponsoring westlicher Institutionen hervorgetan haben – etwa die Londoner Tate Gallery.

Dort stieg in den vergangenen Tagen der öffentliche Druck, jedwede Oligarchen-Verbindung zu kappen. Besonders Viktor Vekselberg, langjähriger Mäzen mit einer Schwäche für wertvolle Fabergé-Eier, geriet ins Visier.

Während das Statement der Tate, „dass kein Geldgeber der Institution von Sanktionen betroffen sei“, im Fall Vekselberg zuletzt noch Interpretationsspielraum ließ, machte die Guggenheim-Stiftung reinen Tisch: Wladimir Potanin legte dort nach 20 Jahren sein Aufsichtsrat-Mandat zurück. Der laut Bloomberg zweitreichste Russe, der auch Bill Gates’ „Giving Pledge“ unterzeichnet hat, spendet laut seiner Stiftung aber zu 90 Prozent in Russland selbst – u. a. an die St. Petersburger Eremitage.

Russian President Vladimir Putin visits the Russian International Olympic University in Sochi

Differenzierung

„Man muss sich jedes einzelne Engagement sehr genau anschauen“, sagt Boris Marte, Vorstandsvorsitzender der Erste Stiftung, die seit langem Demokratie- und Kulturinitiativen in Osteuropa, darunter die Biennale von Kiew, unterstützt. Er warnt angesichts der Lage vor einem generellen Russen-Ressentiment: „Die Genauigkeit sind wir uns selbst schuldig, dass wir die Einzelfälle sehen und nicht eine Kollektivschuld“.

Ein konkreter Fall ist die Wiener Kunstmesse „Viennacontemporary“, in deren Vorstand Marte auch sitzt; der Vorsitzende und Eigentümer der Betreibergesellschaft ist der mit Immobilien wohlhabend gewordene Unternehmer Dmitry Aksenov, dessen Stiftung u. a. auch die Salzburger Festspiele unterstützt.

Marte nennt Aksenov eine „professionelle, kunstliebende und mit hoher Menschlichkeit ausgezeichnete Persönlichkeit“, die zudem durch familiäre Verbindungen in die Ukraine auch akut vom Konflikt betroffen sei. Für das Messeteam sei der Krieg „eine Motivation, noch stärker, engagierter, emotionaler diese kleinen wenigen Achsen zwischen Ost und West aufrecht zu erhalten“, erklärt Marte, man halte am Termin 8. – 11. September fest. Klar sei aber auch, dass sich jene Russen, die bisher an der Kunstwelt partizipierten, entscheiden müssten: „Was absolut ein Ende haben muss, ist, dass gewisse Eliten alle Benefits der westlichen Lebensweise und der liberalen Demokratie in Anspruch nehmen und sich gleichzeitig zuhause von jemandem feiern lassen, der das zerstören will.“

Kommentare