Zudem gibt es Aufzeichnungen über diverse Vorkommnisse. Betroffen dürften zumeist Frauen gewesen sein. Einige Beispiele: Aufgrund der Zugverbindungen war eine Mitarbeiterin, die nach Wien einpendelte, tagtäglich um 8.30 Uhr im Büro. Aber erst um 9 Uhr durfte sie zu arbeiten beginnen. Eine andere Mitarbeiterin verlor ihren Ehemann. Den ihr zustehenden Sonderurlaub (drei Tage) wollte man ihr angeblich nicht zur Gänze gewähren, weil sie nur geringfügig beschäftigt war.
Eine aus der Karenz zurückgekehrte Mitarbeiterin beantragte Stillpausen, was ihr vorerst nicht genehmigt worden sei. Ihr seien zudem Steine in den Weg gelegt worden, was die Kolleginnen im Theater der Jugend als Mobbing und Demütigung empfanden. Eine andere Mutter beantragte Elternteilzeit, was "Schikanen" zur Folge hatte. Eine weitere Mitarbeiterin sei von der Direktion wiederholt kritisiert oder ignoriert worden, dies hätte ihr mit der Zeit jegliches Selbstvertrauen geraubt. Und wieder eine andere Mitarbeiterin sei aufgrund des emotionalen Drucks und der Angstmache von Seiten der Direktion ins Burnout gerutscht: Sie litt unter Panikattacken und schaffte es nicht mehr, in die Arbeit zu gehen.
Im einen oder anderen Fall hätte der Betriebsrat auf die Direktion einwirken können, oder die Mitarbeiterinnen mussten drohen, vor Gericht zu gehen.
Anzumerken ist, dass die geschilderten Vorwürfe nicht vergleichbar scheinen mit jenen massiven gegenüber Herbert Föttinger, dem Direktor des Josefstädter Theaters. Aber um dies wirklich beurteilen zu können, bräuchte es ein unabhängiges Schiedsgericht (also nicht nur eine Rechtsanwaltskanzlei) – und den Willen, der Malaise auf den Grund zu gehen. Doch da wie dort scheint die rote Kulturpolitik bemüht, den Ball flach zu halten. Denn die Vorwürfe betreffen „ihre“ Leute. Föttinger behauptete im Juni 2024 stolz: „Die Josefstadt ist durch mich relativ rot geworden.“ Und das Theater der Jugend ist seit jeher eine sozialdemokratische Vorzeigeinstitution.
Man weiß zwar, dass Macht ohne Kontrolle auf lange Zeit negative Begleiterscheinungen mit sich bringen kann. Und doch wurden die Verträge von Föttinger (Direktor seit 2006) und Birkmeir (seit 2002) immer wieder verlängert. Im Fall des Theaters der Jugend gab es zwischendurch nicht einmal Ausschreibungen: Entscheidet der Vorstand des 1934 gegründeten Vereins nicht aktiv die Nicht-Verlängerung des Vertrags, gilt dieser automatisch als verlängert.
Im Vorstand sitzen je vier Vertreter der Stadt und des Bundes und zudem ein Vertreter des Landes Burgenland, das beachtliche 10.000 Euro zur Gesamtsubvention von 8,8 Millionen beisteuert (zwei Drittel kommen von der Stadt Wien, ein Drittel kommt vom Bund).
2022 hätte der Vertrag vielleicht aufgelöst werden können. Aber es kam nicht dazu, obwohl ein Gutteil der Vorwürfe schon damals bekannt war. Denn bereits 2021 wurde Veronica Kaup-Hasler, die von der SPÖ nominierte Kulturstadträtin, von zwei einst Betroffenen über Vorkommnisse informiert. Es soll zudem, so heißt es, ein anonymes Schreiben an das Kulturstaatssekretariat gegangen sein.
„In Reaktion darauf“ will das städtische Kulturamt Birkmeir mit den Vorwürfen konfrontiert und „die zugänglichen Informationen im Rahmen der Möglichkeiten geprüft“ haben: „Es wurde glaubhaft versichert, dass die extern hinzugezogene Firma Health Consult Maßnahmen zur Verbesserung des Arbeitsklimas umsetzt“, so eine Stellungnahme von Kaup-Haslers Büro. Damit schien der Fall erledigt. Also: Schwamm drüber.
2022 soll Kaup-Hasler eine Nicht-Verlängerung des Vertrages befürwortet haben – „allein aufgrund“ der unüblich langen Intendanz von mehr als zwei Jahrzehnten. Aber: „Eine solche Entscheidung hätte einen Konsens im Vereinsvorstand in Abstimmung mit den anderen Fördergeber*innen erfordert.“
Andrea Mayer, der Kulturstaatssekretärin (Grüne), soll das 20-Jahr-Argument – und nur dieses sei im Zuge der Gespräche vorgebracht worden – zu wenig gewesen sein: Ihr war immerzu nur die Erfolgsgeschichte erzählt worden (das Theater der Jugend ist weltweit das größte seiner Art). So lief der Vertrag eben weiter. Veronica Kaup-Hasler „begrüßt“ nun Birkmeirs Entscheidung, seine Intendanz „vorzeitig zu beenden“.
Andrea Brunner, seit 2022 die von der Stadt Wien nominierte Vorstandsvorsitzende, gab bekannt, dass innerhalb der kommenden sechs Wochen der Job ausgeschrieben werde. Die Bestellung der neuen Leitung soll bis zum Sommer erfolgen. Kaup-Hasler plädiert in einer Aussendung für den Einsatz einer mit Experten besetzten Jury.
Experten wären auch bei der Aufarbeitung der Fälle Birkmeir und Föttinger notwendig gewesen. Beide Male verzichtete man aber darauf. Dementsprechend ernüchternd waren die bisherigen Konsequenzen: Föttinger wurde zwar ein wenig entmachtet, bleibt jedoch – wie Birkmeir – Direktor bis zum Sommer 2026. Aber vielleicht widmet sich doch noch jemand der Frage, ob es da wie dort zu In-sich-Geschäften gekommen ist? Föttinger engagierte nicht nur sich als Regisseur, sondern auch seine Frau. Und Birkmeir beauftragte sich immer wieder als Dramatiker ...
Kommentare