Tarantino und "Toy Story": So sind die Kinohits der Woche
Der Titel des Films lässt Größenwahn vermuten: „Once Upon a Time…“ wirkt wie ein sich selbstschmeichelnder Seitenblick zu Sergio Leone. Klingt lustig, aber auch ein wenig eitel. Tarantino posiert mit seinem neunten und neuesten Werk lustvoll vor dem Spiegel der Filmgeschichte und zitiert darin alle Hollywood-Ikonen – darunter auch sich selbst. Optisch brillant, aber einiges in seinem Film reizt zum Widerspruch.
Zu den Pluspunkten zählt der Besetzungscoup: Tarantino holte zum ersten Mal die beiden Stars Leonardo DiCaprio und Brad Pitt gemeinsam vor (s)eine Kamera. Damit sorgt er jedenfalls für Vorfreude, Spannung – und vor allem für viel Gesprächsstoff. „Wir sind alle mit dem Fernsehen aufgewachsen und somit auch mit vielen Morden“, heißt es in einer Szene des Films, die für das ganze Werk symptomatisch wird.
Die beiden geraten als „Zeitzeugen“ in eine Mordgeschichte rund um die berühmt-berüchtigte Manson-Family. Der Film spielt im Jahr 1969. Mit dem Biker-Film „Easy Rider“ begann damals die Ära des amerikanischen Autoren-Films.
Andere Spielregeln
Tarantino feiert dieses Jahr aber eher aus der Perspektive der Popkultur, die sich damals in Hollywood durchsetzte. So wie das Kung-Fu-Genre und die Spaghetti-Westernfilme. Und daneben natürlich auch Sex, Drugs und Rock ’n’ Roll.
Das kommt Quentin Tarantino entgegen. Denn damals galten in Hollywood andere Spielregeln als heute. Und so kann er seine Protagonisten als zwei weiße Machos daherkommen lassen und die Schauspielerin Sharon Tate als naives Blondchen, das sich im Kino am Liebsten selbst auf der großen Leinwand sieht. Heute wirkt diese Sicht auf das spätere Mordopfer respektlos. Roman Polanski hatte die 26-jährige Blondine mit seiner Gruselkomödie „Tanz der Vampire“ zum Star gemacht – und im Jänner 1968 geheiratet.
Der US-Start von „Once Upon a Time in Hollywood“ sollte am 9. August, dem 50. Jahrestag der Ermordung von Sharon Tate, sein. Auf öffentlichen Druck verlegte ihn Sony Pictures auf ein späteres Datum.
Charles Manson war durch den Tate-Mord zur umstrittenen Ikone der Popkultur geworden, den die Aura des Bruchs mit der Gesellschaft umwehte. Als singender Sonderling und Prototyp des 60er-Jahre-Hippies scharte Manson eine vorwiegend weibliche Anhängerschaft um sich. Auf einer Ranch in den Bergen Hollywoods, wo er die Botschaften des „White Albums“ der Beatles zu „dekodieren“ versuchte, die – seiner paranoiden Eingebung nach – einen Aufstand der afroamerikanischen Bevölkerung prophezeiten. Manson richtete seinen „Klassenkampf“ vor allem gegen das „Schweinesystem“ der Reichen, als dessen Repräsentanten er auch Sharon Tate und ihre Hollywoodfreunde sah. Die positive Rezeption auf Manson und seinen Rachefeldzug gegen die „Privilegierten“ kühlte schnell ab, nachdem er sich im Gefängnis ein Hakenkreuz auf die Stirn tätowierte. All diese Details vermeidet Tarantino in seiner detailversessenen Rekonstruktion dieser Ära. Stattdessen rückt er den von Leonardo DiCaprio gespielten, mäßig erfolgreichen Cowboy-Darsteller Rick Dalton in den Mittelpunkt. Brad Pitt gibt dessen Stuntman Cliff Booth.
Lustvoll gespielt
In die Manson-Mordfalle geraten die beiden als Bewohner der Nachbarvilla von Sharon Tate. Dass die Manson-Morde als einziger und vor allem blutiger Handlungsfaden durch Tarantinos Hollywood-Fantasien funktionieren, liegt vor allem an Brad Pitt und seiner sichtlich lustvoll gespielten Karikatur des eigenen Star-Daseins. Leonardo DiCaprio hat die vergleichsweise weniger dankbare Rolle. Dafür kann er im Finale so richtig zünde(l)n.
"Toy Story 4": Die Spielzeuge wollen nicht auf dem Müll landen
Bisher gaben der Cowboy Woody und der Plastikastronaut Buzz Lightyear den Ton an. Inzwischen sind sie fast 25 Jahre alt und von einer Endstation Mistkübel bedroht. Denn Bonnie, die Herrin des Kinderzimmers, hat aus Abfall ein neues Lieblingsspielzeug gebastelt: Forky, ein Plastik-Gabel-Männchen. Weibliche Hauptfigur ist eine blonde Schäferin , die in früheren „Toy Story“-Filmen ein Nebenrollen-Dasein als Porzellan-Lampe fristete. Sie wurde als „Gerümpel“ entsorgt und „lebt“ seither als Obdachlose. Woody verliebt sich in sie, obwohl ihm ihre Unabhängigkeit Angst macht.
Neu ist eine furchterregende Aufziehpuppe, die sich gruseligen Marionetten-Männern umgibt. Ihr Reich sind die verstaubten Regale eines Altwaren-Händlers. An dieser mit mehr als 10.000 Gegenständen angefüllten Kulisse haben die Animatoren zwei Jahre gearbeitet, obwohl die technischen Möglichkeiten seit dem ersten Film von 1995 explodiert sind. Damals arbeiteten 127 Leute für Pixar, heute sind es mehr als 1200.
Dass die Porzellan-Schäferin in dieser Folge zur Heldin wurde, ist wohl unter anderem dem Umstand geschuldet, dass Disney nach dem Vorwurf der sexuellen Belästigung gegen (damals noch) Pixar-Chef John Lasseter einer weiteren #MeToo-Debatte entgegen wirken wollte. Die Aufziehpuppe Gabby Gabby ist in diesem Sinne als Mitkämpferin zu sehen. Das Ergebnis ist für Kinder wie für Erwachsene ein opulentes Schauerlebnis.
Der Streik: Arbeiter sollen wegrationalisiert werden
Ein Autozulieferer liegt unter den Rendite-Erwartungen des Mutterkonzerns, die Firma soll deshalb samt Belegschaft wegrationalisiert werden. Die Angestellten antworten mit einem Streik. Die ersten Minuten machen die Gegensätze des filmischen Angriffs klar: hier die kühle, durch Teppiche lärmgedämpfte Etage, dort die existenziell bedrohten Arbeiter und Arbeiterinnen.
Die Verhandlungen scheitern, Ordnungshüter, hochgerüstet wie Robocops, komplimentieren die Streikenden vom Gelände und die Chefs versuchen mit unhaltbaren Versprechungen, die Streikenden zu spalten. Arbeiter werden also nur deshalb entlassen, weil die Aktionäre durch solche „Auslagerungen“ der Arbeitsplätze in Billigländer höhere Gewinnbeteiligungen erwarten.
Im Film geht es nicht um eine voreingenommene Sicht auf gute Arbeitnehmer und böse Arbeitgeber, sondern um jene Mechanismen, die im kapitalistischen System zu Konflikten führen, weil jedes Lager stichhaltige Argumente hat – oder zumindest glaubt, diese zu haben. Der französische Schauspieler Vincent Lindon geht in diesem Film als Gewerkschafter zum Angriff über. Wobei leider bisweilen seine Wut outriert wirkt. An seiner Seite agiert eine Gruppe von beeindruckend (sich selbst?) darstellenden Laienschauspielern. Verwackelte Kameraeinstellungen suggerieren eine dokumentarische Erzählweise – angetrieben vom Gitarrensoundtrack Bertrand Blessings. Die Auseinandersetzungen mit der „Chefetage“ führen zu Eskalationen, die an die Gelbwesten auf den französischen Straßen erinnern, auch wenn es die zur Drehzeit noch gar nicht gab. Das Ganze im Kino zu sehen ist packend – und anstrengend.
Kommentare