Man geleitete uns in einen Raum des Parlaments, der nach Gustav Klimt benannt ist. Auf den Jugendstil-Maler weist jedoch rein gar nichts hin: An den Wänden hängen Reportage-Fotografien der Gegenwart. Andreas Babler erwartet uns, einen Kaffeebecher in der Hand. Unmittelbar hinter ihm hält eine Frau mit orangegefärbten Haaren ihre Hände hoch, auf deren Flächen geschrieben steht: „OUR FUTURE“ und „IN YOUR HANDS“. Das preisgekrönte Foto aus 2019 stammt von Stefan Boness.
Ihr Tratschpartner musste schmunzeln: Die Zukunft in Bablers Händen. Der „Fridays for Future Climate Protest“, das Sujet des Fotos, ist für ihn kein Thema: Der SPÖ-Chef, 1973 in Mödling geboren, hat sich als Vizekanzler neben Wohnen, Sport und Medien das Kulturressort geangelt. Ganz bewusst, wie er im Dreiergespräch mit der Kollegin von der „Presse“ und dem Kollegen vom „Standard“ sagt. Denn: „Kulturpolitik ist einer der gesellschaftlich bestimmenden Bereiche.“ Das wisse er von seinem Jahrzehnt als Bürgermeister von Traiskirchen. Und er habe eine Affinität zur Kultur. Eigentlich zur Austropopkultur und zum Kabarett, also jenen, die sich in Traiskirchen mit den Geflüchteten solidarisierten. „Ich hab‘ ein sehr breites Kulturverständnis“, sagt er.
Andreas Babler redet, wie ihm der Schnabel gewachsen ist, nicht immer druckreif, aber ohne Scheu vor Ehrlichkeit. Er ist ein eher hemdsärmeliger Typ, der Konventionen wegen in Hemd und blauen Anzug gezwängt, die lästige Krawatte schlecht gebunden. Er gibt sich sympathisch.
Tiefschürfend wird das Gespräch aber nicht. Ihr Tratschpartner fragte unter anderem: „Die ehemalige Wiener Kulturstadträtin Ursula Pasterk hat das Kulturressort einst als das Ideologieressort ihrer Partei bezeichnet. Wie sehen Sie das?“ Und Babler antwortete: „Es gibt einen philosophischen, es gibt einen demokratischen und einen gesellschaftlichen Zugang in diesen Fragen. Kultur ist eine wesentliche Säule einer demokratischen Gesellschaft.“ – „Das war jetzt nicht meine Frage.“ – „Ich weiß. Aber ich bin so ausgewichen in der Antwort. Die Frage ist, was Ideologie in diesem Zusammenhang heißt. Sicher ist es eine ideologische Grundsatzmeinung, Kultur möglichst frei zur Verfügung zu stellen und zu ermöglichen.“ Also, zusammengefasst, der alte SPÖ-Slogan „Kultur für alle“. Wiewohl man längst erkannt hat, dass selbst Gratiseintritte nicht viel bringen: Für Kunst und Kultur interessieren sich eben nur zwölf bis 14 Prozent.
Auch die Kollegin der „Presse“ versucht, Babler ein wenig aus der Reserve zu locken. Denn der neue Eigentümervertreter der Bundestheater und Bundesmuseen war nicht bei der umjubelten Uraufführung von „Elisabeth!“ mit Stefanie Reinsperger im Burgtheater. Wiewohl doch Mareike Fallwickl seine Lieblingsautorin ist. „Ich kann nicht alles gleichzeitig machen, ich bin viel unterwegs.“ Die Wahrscheinlichkeit sei hoch, dass er just an jenem Abend (der 11. April) bei einer anderen Veranstaltung war. „Ich kann nicht alle Bundestheater und Bundesmuseen in einem Monat erledigen, aber ich mache das Stück um Stück.“ Und in die Burg werde er auch gehen: „Ich hab‘ im Kalender das Jelinek-Stück ,Burgtheater‘ in der Regie von Milo Rau stehen." Nachsatz, wohl als Schmäh gemeint: „Ich war im Burgtheater sicher mindestens einmal.“
Am 13. Mai wird Burgtheaterdirektor Stefan Bachmann seine Jahrespressekonferenz geben. Und gleichzeitig hält der Finanzminister seine Budgetrede. Ob Babler schon weiß, was ihn erwartet? „Ich bin grad in den Hard-Core-Verhandlungen“, sagt er. „Wir sind noch nicht soweit, dass wir Zahlen präsentieren können.“ Fakt ist aber: „Wir alle in der Regierung haben uns committet auf ein großes, leider notwendiges Sparpaket. In den letzten Jahren wurde sehr viel ausgegeben – ohne Gegenfinanzierung, ohne Deckelungen.“ Die vereinbarten Ressorteinsparungen in der Höhe von 1,1 Milliarden Euro – „eine Summe, die wir in dieser Höhe noch nie gehabt haben“ – werden auch Babler zu Maßnahmen zwingen: Das ist definitiv „eine Challenge“. Wie er diese bewältigen wolle? „Dazu will ich noch nichts sagen.“
Natürlich: Die Bundestheater und Bundesmuseen seien große Budget-„Brocken“, da ließen sich leichter viele Millionen einsparen, wenn es keine gesetzliche Verpflichtung gäbe, diese zu finanzieren. „Wir schauen, dass wir auf eine solidarische Ausgleichsmasse kommen in der Kulturszene. Wir müssen solidarisch die Summe zusammenbringen. Das ist die Aufgabenstellung, die ich hab‘. Die ist nicht angenehm. Ich könnt es mir leicht machen – und sagen, das sind Altlasten, die ich übernommen hab.“ Und schon hat er es gesagt.
Und er sagt es noch einmal: „Die letzten beiden Bundesregierungen haben in allen Ressorts zu viel Geld ausgegeben.“ Babler erwähnt, dass die Budgets für die Theater und Museen in den letzten Jahren stark angehoben wurden. Daher die Frage: „Wurde Ihrer Meinung nach auch in der Kultur zu viel ausgegeben?“ - „Nein, würde ich nicht sagen.“
Da er in den letzten Wochen schon viele Gespräche geführt hat: „Wo liegt bei den Kürzungen die Schmerzgrenze der Szene und der Institutionen?“ Babler: „Es gibt eine gewisse Grundsolidarität.“ – „Sicher?“ – „Es muss eine Grundsolidarität geben, logischerweise. Das sind keine angenehmen Gespräche, man kommt mit einem Riesensparpaket, das alle trifft. Aber es gibt ein Verständnis dafür. Auch wenn natürlich jeder sagt: Bei mir geht’s net!“ Die Filmemacher pochen auf mehr Fördermittel, der Staatsoperndirektor verlangt eine Valorisierung der Basisabgeltung, und auch die Kulturinitiativen haben keine Überschüsse.
Die Kollegin der Presse subsumiert: „Man kann auf jeden Fall sagen, dass die Kultur nicht ungeschoren davonkommen wird?“ Das will Babler nicht so stehen lassen: „Ungeschoren ist das falsche Wort. Ich schau, dass wir die Breite des Kulturangebots erhalten können.“ Und: „Ich hoffe schon, dass ich dazu beitragen kann, dass die Kunst und Kultur gut überlebt. Das ist mein politischer Auftrag.“
Hinzu kommt das Fair Pay: „Mir ist es ein politisches Anliegen, dass man die Kulturarbeiterinnen gut entlohnt. Es ist wirklich ein Wahnsinn, wie wenig sie verdienen, wie schlecht sie sozialrechtlich abgesichert sind.“ Und: „Darüber hab‘ ich mich auch mit der Veronica, unserer Stadträtin in Wien, unterhalten.“ Die Überlegungen reichen bis zu einer „gewissen Grundabsicherung“. Er schließe sich der Meinung von Veronica Kaup-Hasler an, die immer wieder sagt, es wäre ihr lieber, wenn weniger produziert, aber dafür besser bezahlt würde. Heißt das nicht, dass es zu viel Programm gibt? Babler druckst herum.
"Ich spiele für mein Leben gern Flipper"
Auf das Thema soziale Absicherung und Fair Pay sensibilisiert worden sei er vom Austropop. Daher will er auch, wie im Regierungsabkommen festgehalten, „in den Streaming-Bereich eingreifen“ und die Plattformen zur Kassa bitten. Ganz blauäugig ist er nicht, denn er weiß: „Es braucht dafür die EU-Ebene. Und fairerweise muss ich sagen: Seit einigen Wochen ist durch die Trump-Administration eine gewisse Verunsicherung eingetreten.“ Aufgrund der Zölle und Gegenzölle sei man ein „bissl gebremst worden“: Man befinde sich daher in einer „Bewertungsphase“.
Bleiben wir beim Globalen. Auf Insta postete Babler ein KI-generiertes Andi-Püppchen mit Falco-Cover. Man erkennt in diesem Starter-Kit weder den Andi noch den Falco. Daher: „Warum posten Sie das?“ – „Es ist eigentlich sehr kritisch gegenüber der KI. Es zeigt, dass sie nicht so toll ist, wie alle glauben.“ – „Ich lese aus dem Posting keine Kritik, eher Affirmation heraus.“ – „Es gab intern eine Diskussion, unsere Media-Abteilung hat die Entscheidung gefällt. Aber die Frage ist berechtigt, KI ist natürlich ein Riesenthema.“ – „Wird sie KünstlerInnen und SprecherInnen überflüssig machen? Was kann man tun?“ – „Regelungen schaffen. Die KI macht mir Sorgen – nicht nur im Bereich Kunst und Kultur, auch im Medienbereich.“
Also auch nichts Konkretes. Hat Babler überhaupt schon Entscheidungen getroffen? „Bei Fair Pay sind wir dabei, eine interministerielle Arbeitsgruppe einzurichten. Und Sie hören von mir oft das Wort Evaluierung. Es ist aber in vielen Bereichen notwendig, zu evaluieren. Ich glaube, dass in den letzten Jahren zu wenig evaluiert worden ist.“ Und: „Man braucht Entscheidungsgrundlagen.“
Keine Mehrwertsteuersenkung
Babler erwähnt das Radiosymphonieorchester des ORF und das Holocaustmuseum, das die ÖVP möchte. Und das Haus der Geschichte, das eigentlich ins Museumsquartier übersiedeln soll, aber plötzlich nicht die Hofburg verlassen will: „Ich kriege Ende des Jahres einen Evaluierungsbericht darüber, und der ist die Grundlage für meine Entscheidung.“
Wie sieht es mit den im Regierungsabkommen erwähnten Infrastrukturprojekten (KHM, NHM, Belvedere, Salzburger Festspielhäuser) aus? Babler bleibt vage. Ob er etwas zur Rettung des von der Schließung stehenden Kunstforums (vormals der Bank Austria) getan habe? „Ich war noch nicht damit befasst. Ich bin 50 Tage im Amt, das arbeite ich erst ab.“ Was er bisher abgearbeitet habe? „Im Bereich Baukultur baue ich eine neue Abteilung auf.“ Ihm schweben Synergien zwischen Wohnbau und Denkmalschutz vor. Und dann wird er doch konkret – bezüglich der angekündigten Steuersenkung für Kunstankäufe und Buch: „Ist die ersten zwei Jahre wegen der Budgetsanierung kein Thema, ehrlich gesagt.“
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