Spike Lee und Denzel Washington in Cannes: Jagd auf Lösegeld

Spike Lee (li.) feiert die Premiere seines Films „Highest 2 Lowest“, Hauptdarsteller Denzel Washington erhält Ehrenpalme.
Das letzte Mal, als Spike Lee in Cannes war, musste er sich entschuldigen. Es war das Jahr 2021 und der berühmte US-Regisseur von „Do the Right Thing“ war Präsident der Preisjury für die Goldene Palme. Üblicherweise werden im Rahmen der Abschlussgala die Auszeichnungen der Reihe nach feierlich vergeben und erst ganz am Ende verkündet, wer den Hauptpreis gewonnen hat. Lee allerdings schien verwirrt und verriet gleich zu Beginn der Zeremonie die Gewinnerin des Abends.
Später leistete er Abbitte für diesen Lapsus.
Diesmal jedoch erschien Lee souverän an der Croisette. Er wurde flankiert von seinem Star Denzel Washington, der anlässlich der Premiere des flockigen Krimidramas „Highest 2 Lowest“ als Überraschung auch gleich die Ehrenpalme überreicht bekam. Insgesamt fünf Mal arbeiteten Lee und Washington zusammen, beginnend 1990 mit „Mo’ Better Blues“. „Highest 2 Lowest“ ist die erste Kollaboration der beiden nach 18 Jahren.

Denzel Washington in "Highest 2 Lowest".
„Inspired by the Master, Akira Kurosawa“ steht gleich am Beginn zu lesen, denn „Highest 2 Lowest“ versteht sich als loses Remake des japanischen Klassikers von 1963. In Lees Update verkörpert Washington einen Mogul aus der Musikbranche namens David King, der kurz vor einem wichtigen Geschäftsabschluss steht. Triumphierend blickt er von den Höhen seines Penthouses herab: Die Stadt New York liegt ihm zu Füßen. Doch dann wird sein Sohn Trey gekidnappt und für seine Freigabe hohes Lösegeld gefordert.
Allerdings hat der Entführer – cool aggressiv gespielt von US-Rapper A$AP Rocky – versehentlich nicht Trey, sondern seinen Freund, den Sohn von Davids Chauffeur, geschnappt. Das Geld verlangt er trotzdem. Die Zeit drängt und David ringt mit seinem Gewissen: Soll er den Batzen Geld lockermachen, obwohl sein eigenes Kind in Sicherheit ist?
Spike Lee interessiert sich nicht sonderlich für die Thrillerspannung, obwohl er sich zu einer tollen Verfolgungsjagd in der New Yorker U-Bahn aufrafft. Überhaupt New York: Man spürt die Vertrautheit des Regisseurs mit seiner Stadt und die Liebe zu ihr. Genüsslich schmeißt er sich in eine Puerto-Rico-Parade, zärtlich umschmeichelt er das Yankee-Stadium. Zugleich zelebriert er Schwarze Kultur, rückt Basquiat-Bilder an der Wand von Kings Penthouse in den Fokus seiner Kamera und schweift über Fotos der Größen Schwarzer Unterhaltungsindustrie – von James Brown bis hin zu Aretha Franklin.
Denzel Washington spielt seinen Mister King mit dem Gusto eines Showmasters und liefert sich mit A$AP Rocky ein unterhaltsames Rap-Duell. Zwischendurch allerdings öffnen sich auch Leerläufe, zumal die Figuren an dramatischer Schwerelosigkeit leiden und an der gelackten Oberfläche flach bleiben
Pandemie-Horror
Die Regisseurin, die 2021 von Spike Lee die Goldene Palme für ihren Horrorfilm „Titane“ überreicht bekam, war die Französin Julia Ducournau. Heuer zeigte sie mit „Alpha“ einen mit Spannung erwarteten Coming-of-Age-Film im Wettbewerb, der vor dem Hintergrund einer Pandemie (Aids? Covid?) spielt und seine infizierten Opfer langsam zu Marmorstatuen versteinert.

"Alpha“ von Julia Ducournau.
Im Mittelpunkt steht Alpha, eine frühreife 13-Jährige, die mit ihrer alleinerziehenden Mutter zusammenlebt und sich aufgrund eines frisch gestochenen Tattoos womöglich mit dem tödlichen Virus infiziert hat. Zumindest fürchten das ihre Klassenkameraden und behandeln sie wie eine Leprakranke. Noch stressiger wird die Situation, als der Junkie-Onkel – gefährlich ausgemergelt: Tahar Rahim – in der Wohnung einzieht. Unnachgiebig reibt Ducournau ihre Figuren zwischen Familienquerelen, Drogensucht und den Qualen des Erwachsenwerdens auf. Wie auch schon in ihren früheren Arbeiten, spielt sie mit Elementen des Body-Horrors, bleibt in ihrer angestrengten Metaphorik aber ebenso unverständlich wie banal.
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