Sonja Stangl erzählt von der Welt des Klangs

Freunde kommen – und Freunde gehen. Nur wenige bleiben für immer. Einige Freundschaften sind nur von kurzer Dauer, für eine gewisse Zeit gemacht. So auch jene zwischen einem jungen Mädchen und einem alten Bären, die im Kinderbuch „Wenn der Wind vom Meer erzählt“ zusammen die Welt entdecken bzw. – im Fall des alten Bären – wiederentdecken.
Geschrieben und gestaltet hat das Buch die in Wien lebende Illustratorin Sonja Stangl. Es ist ihr Debüt als Autorin, denn bislang hat sie „nur“ Zeichnungen zu Geschichten von anderen geliefert – zuletzt für „Sorgenfalter“ von Magda Hassan (erschienen im Verlag Edition 5 Haus).
Die Idee für „Wenn der Wind vom Meer erzählt“ hatte Stangl bereits im Jahr 2019. Damals habe sie erste Skizzen angefertigt, erste Zeilen verfasst. „Danach hat sich das aus unterschiedlichen Gründen verlaufen.“ Vor rund einem Jahr habe sie das Projekt wieder aufgegriffen. „Dieser Abstand hat nicht geschadet, weil ich so einen anderen Blick darauf bekommen habe“, sagt sie im Gespräch mit dem KURIER.

Sonja Stangl: „Wenn der Wind vom Meer erzählt “. Tyrolia. 32 Seiten. 18 Euro. Ab 4 Jahren
Schwerhörig
Die kürzlich im Tyrolia Verlag erschienene Geschichte hat mit ihrer eigenen Kindheit zu tun. „Ich war als Kind von Geräuschen fasziniert. Diese Faszination, wie etwas klingt, ist bis heute geblieben. Ich wollte diese Faszination unbedingt in einem Buch verarbeiten. Dabei geht es um das bewusste Wahrnehmen von Dingen und natürlich auch ums Zuhören“, sagt Stangl.
Und das Zuhören fällt dem alten Bären in der Geschichte sehr schwer: Er hört fast gar nichts mehr. Deshalb sitzt er auch regungslos den ganzen Tag auf der Bank. „Von rundherum kamen die Leute, um mit ihm zu reden. Doch er reagiert nicht“, wie es im Buch heißt. Bald interessiert sich niemand mehr für den Bären – bis auf das Mädchen. Ihr lässt das keine Ruhe. Sie baut sich ein Megafon und versucht es noch einmal. Hallo, Bär! Es klappt. Der Bär reagiert. Das Sprachrohr wirkt auch umgekehrt: als Hörrohr. Und schon geht es auf eine spannende gemeinsame Entdeckungsreise in die Welt der Geräusche.
Ausprobieren
Sonja Stangl erzählt auf 32 Seiten von der Welt des Klangs, von allem, was zu erfahren ist, wenn man nur genau hinhört. Es geht ihr um Achtsamkeit, Aufmerksamkeit und ums Zuhören – darum, sich einmal zurückzunehmen. „Ich glaube, dass sich im Leben sehr viel um das eigene Ego dreht, wer bin ich, wer will ich sein, wie werde ich wahrgenommen, was repräsentiere ich. Dabei wird aber oft vergessen, seine Umgebung, seine Mitmenschen, sein Rundherum wahrzunehmen. Und das ist schade“, sagt sie.
Dass der Bär am Ende der Geschichte über Nacht verschwindet, war einigen Verlagen, mit denen Stangl gesprochen hat, etwas zu heikel, zu schwer. „Aber ich finde schon, dass nicht immer alles happy enden muss und die Kinder damit schon umgehen können. Und deshalb wollte ich das auch nicht ändern.“
Illustration
Die Bilder zur Geschichte liefert ebenfalls Sonja Stangl. Ihre Illustrationen sind reduziert, aber trotzdem verspielt. „Ich arbeite mit analogen Zeichnungen, viel mit den Händen, probiere unterschiedlichen Materialien aus. Ich arbeite teilweise auch mit Pflanzen, die ich beim Spazierengehen finde – wie die Abdrucke von den Blättern im Buch. Die Wolken habe ich mit meinen Fingern gemacht. Danach scanne ich das ein und bearbeite es digital am Computer“, erzählt sie.
Stangl hat Multimedia-Art studiert. Aber nur sehr kurz, wie sie sagt. „Denn ich wollte eigentlich Illustration studieren, aber das wird in Österreich nicht wirklich angeboten. Ich habe mir also vieles selbst beigebracht, habe Animationen für Filme gemacht, Museumsillustration und Verpackungsdesign für Produkte.“ Ihre Arbeiten sind gefragt. Derzeit bekomme sie einige Anfragen von Kinderbuchverlagen. „Das freut mich auch, aber davon allein kann ich nicht leben. Das heißt, so etwas kann man nur nebenbei machen – außer man ist ein Superstar in diesem Bereich. Und davon gibt es nur sehr wenige“, sagt Stangl, die sich auch heute noch regelmäßig Kinderbücher kauft.
„Es gibt wirklich sehr viele schön und aufwendig gestaltete Bücher. Ich habe mit Anfang 20 gemerkt, wie sehr mich Kinderbücher geprägt haben – die Bücher von Mira Lobe oder von Janosch habe ich mir stundenlang angesehen, sie waren in meiner Kindheit omnipräsent. Ich nehme sie auch heute noch gerne zur Hand und lasse mich davon inspirieren.“
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