Der aktuelle Streit begann mit der Bestellung von Bachler zum Intendanten mit „künstlerischer Gesamtverantwortung“ ab 2022.
Allerdings gibt es in Salzburg einen Chefdirigenten des Residenzorchesters, der Sächsischen Staatskapelle Dresden, und somit musikalischen Leiter namens Christian Thielemann. Man muss kein ausgewiesener Kenner der Eitelkeiten des Musikbetriebes sein, um allein aus dieser Konstruktion ableiten zu können: Huch, gefährlich.
Wer ist der Chef? Und wer bestimmt das Programm?
Für die kommenden beiden Saisonen ist es bestimmt: 2020 kommt Verdis „Don Carlo“, 2021 Puccinis „Turandot“.
Aber was ist danach?
Thielemann will 2022 Wagners „Lohengrin“ mit Piotr Beczala in der Titelrolle ansetzen (dieses Werk hatte er, ebenfalls mit Beczala, schon in Dresden und in Bayreuth dirigiert) und 2023 „Elektra“ von Richard Strauss. Bachler präferiert dem Vernehmen nach Webers „Freischütz“ und Wagners „Fliegenden Holländer“.
Wer sich durchsetzt, das wissen nicht einmal die Nornen, um im Wagner-Jargon zu bleiben. Wenn jedoch ein Festival allen Ernstes um eine einzige Opernneuproduktion derart ringt, dürfte der Faden der Nornen gerissen sein.
Um auch nur ansatzweise zu verstehen, was da abgeht, empfiehlt sich wie so oft ein Blick in die Geschichte: Schon am Beginn der Osterfestspiele stand ein Konflikt, nämlich jener zwischen Herbert von Karajan und Bayreuth – der eigenem Empfinden nach zu kurz gekommene Dirigent gründete sein Alpen-Bayreuth mit den ihm unterstehenden Berliner Philharmonikern. Das ging gut, solange Karajan lebte und der deutsche Geldadel zu Ostern ganz gern nach Salzburg kam, um viele D-Mark dort zu lassen. Auch noch mit Chefdirigent Claudio Abbado und, mit Abstrichen, mit Simon Rattle gab es manch exemplarische Aufführung – bis ein Finanzskandal 2010 das System implodieren ließ.
Das Gold wurde quasi aus der Salzach geraubt, die Berliner zogen ab, fanden in Baden-Baden eine neue Geliebte und machten sich dort sesshaft. Salzburg stand ohne Orchester da.
Eine Idee, alljährlich den denkbar besten „Parsifal“ auf die Bühne zu bringen, mit den Wiener Philharmonikern und dem damaligen Staatsopern-Musikdirektor Franz Welser-Möst, wurde rasch verworfen (und hätte wohl auch die Oper in Wien vor Probleme gestellt).
So kam Thielemann mit der Sächsischen Staatskapelle 2012 wie Lohengrin im Schwan. Allerdings wird nun von manchen (wie von Elsa) die böse Frage gestellt: Wie soll denn das nun bitte weitergehen im Brautgemach?
Die Kartenverkäufe sind zwar nach wie vor gut, aber längst kein Selbstläufer mehr wie unter Karajan. Und was soll überhaupt ein Festival mit nur einer szenischen Opernproduktion (und nebenbei ein paar Konzerten, die es anderswo jeden Tag gibt)? Mit Peter Ruzicka, zur Zeit noch geschäftsführender Intendant, wurden immerhin Kammeropernpremieren etabliert. Das Profil ist dennoch weiterhin unklar.
Wie kann es nun grundsätzlich weitergehen, weit über diesen 17. September hinaus?
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Thielemann bleibt alleine Chef Das würde ihm zwar eine Machtfülle, aber keinen neuen Input bringen.
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Bachler übernimmt ohne Thielemann Das würde das Festival zweifellos neu positionieren, aber die Frage nach dem künftigen Orchester aufwerfen. Dass die Berliner unter der Leitung von Kirill Petrenko (Bachlers langjähriger Musikdirektor in München) zurück nach Salzburg kommen, ist zumindest aktuell nicht sehr wahrscheinlich, weil sich viele Musiker in ihren Badener Villen zu wohl fühlen. Kommt vielleicht jedes Jahr ein anderes Orchester? Wenn ja, wie viele gibt es, die Kartenpreise in der Höhe von Hunderten Euro rechtfertigen?
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Es gibt doch einen KompromissUrsprünglich hatte sich der erfolgreiche Dirigent ja sogar für den erfolgreichen Intendanten starkgemacht.
- Die Festspiele laufen in Ehren aus
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Oder sie werden den Salzburger Festspielen (zusätzlich zu Sommer und Pfingsten) zugeschlagen Das wollte schon Alexander Pereira als Chef in Salzburg, nun könnte Markus Hinterhäuser profitieren.
Wie auch immer es ausgeht, Salzburg beweist eine seit Jahrhunderten bestehende These: Macht macht Musik.
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