Salzburger Festspiele: "Die Tür wurde von innen sperrangelweit geöffnet"

Zuständig für das große Bauprojekt: Lukas Crepaz.
Lukas Crepaz ist der Sonnyboy des Festspieldirektoriums. Wiewohl der Tiroler, Jahrgang 1981, in Salzburg weder für das Schöngeistige noch für das Feinstoffliche zuständig ist, sondern für die groben Brocken.
Etwa die Finanzen, das Bauprojekt „Festspielbezirk 2030“ – und die Sicherheit. Die Eröffnung am 26. Juli wurden von Aktivisten gestört.

Ziemlich viel Polizei nach der Störaktion: Das Große Festspielhaus am 26. Juli als „Hochsicherheitfestspielbezirk“.
KURIER: Sechs Aktivisten hätten sich, wie der Landespolizeidirektor sagte, mit „nicht schlecht gemachten“ Mitarbeiterausweisen Zutritt verschafft. Auf denen stand der Schriftzug „Salzburger Festspeiben“. Ist das nicht eine Parodie?
Lukas Crepaz: Diese Überlegungen sind hinfällig. Denn die Ausweise kamen gar nicht zum Einsatz. Wir haben unmittelbar nach dem Vorfall damit begonnen, den Hergang aufzuarbeiten. Wie Sie wissen, waren je drei Personen auf der Bühne und in den Arkaden zu sehen. Aber es gab mindestens acht Beteiligte.
Eine ehemalige Mitarbeiterin führte die Gruppe durch die verwinkelten Gänge der Felsenreitschule.
Genau. Aber die Türe ist elektronisch durch eine Magnetkarte gesichert. Sie kann von außen nicht geöffnet werden, außer man hat die Zutrittsberechtigung. Sie wurde von innen geöffnet, es ging jedoch niemand hinaus. 25 Sekunden später betraten sieben Personen durch die Tür das Haus. Die Anführerin konnten wir mittlerweile identifizieren.
Aber wer ist die achte Person?
Das ist Teil der polizeilichen Ermittlungen. Die Tatsache, dass die Türe von innen sperrangelweit geöffnet wurde, war ein Schock für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich ja sehr mit den Festspielen identifizieren. Wir haben gleich eine Versammlung einberufen. Dabei haben wir auch dargelegt, dass es nicht um die Inhalte eines Protestes geht, sondern darum, dass wir der Kunst den Raum für kontroversielle Standpunkte geben wollen. Das steht im Gegensatz zu dem, was jetzt passiert: Es wird nicht über das Thema Nahost gesprochen, sondern über Fragen der Sicherheit. Die Aktivistinnen und Aktivisten haben genau das Gegenteil von dem erreicht, was sie erreichen wollten.
Die Mitglieder des Chaos Computer Clubs waren Hacker – und wechselten dann die Seite: Sie finden für Institutionen Sicherheitslücken heraus. Sie können den Aktivisten fast dankbar sein, dass sie eine friedliche Form des Protestes wählten …
Nicht nur dieser, jeder Vorfall wird verwendet, um sich mit den Risikobewertungen zu beschäftigen. Welche weiteren Maßnahmen müssen wir setzen? Aber man muss immer die Verhältnismäßigkeit berücksichtigen. Denn es kann nicht gewünscht sein, dass wir hier einen Hochsicherheitsfestspielbezirk aufbauen. Unsere Geste ist eine andere: Wir öffnen unsere Türen und laden Kulturinteressierte ein, Kunst zu genießen und zu erfahren.
In der Kunstszene herrscht eine sehr palästinenserfreundliche Gesinnung mit zum Teil antisemitischen Zügen. Das wurde zum Beispiel bei den Wiener Festwochen offenbar. Wie ist die Stimmung innerhalb der Salzburger Festspiele?
Ich kann eine solche Tendenz nicht feststellen. Wir hatten vor ein paar Tagen wieder das West-Eastern Divan Orchestra unter Daniel Barenboim zu Gast. Sie können sich vielleicht vorstellen, welcher Zerreißprobe dieses Orchester in der gegenwärtigen Lage ausgesetzt ist. Denn es musizieren junge Menschen aus Israel, Palästina und arabischen Ländern gemeinsam. Sie setzen ein Zeichen der Hoffnung und des gegenseitigen Respekts. Indem sie hervorheben, was sie verbindet.
Ich muss bei den banalen Dingen bleiben, zum Beispiel beim Budget. Die Festspiele verzichten auf eine Valorisierung. Kann es das schon gewesen sein angesichts der Lage?
Wir hatten in den letzten drei Jahren Kollektivvertragssteigerungen von über 20 Prozent. Das bedeutet bei einem Unternehmen mit über 70 Prozent Personalkosten, dass die Schere zwischen Einnahmen und Ausgaben extrem auseinandergeht. Derzeit erwirtschaften wir 75 Prozent selbst: 45 Prozent durch Kartenerlöse, 20 Prozent über Sponsoring und Mäzenatentum, der Rest durch Vermietungen und anderes. Nur 25 Prozent steuert also die öffentliche Hand bei. Aber allein die Nicht-Valorisierung bedeutet, dass sich eine Finanzierungslücke von 2,2 Millionen Euro auftut, die wir schließen müssen. Das gelingt durch eine geschickte Planung, zusätzliche Sparmaßnahmen – und eine Anhebung der Eintrittspreise im hohen und mittleren Bereich. Es gibt daher keine wesentlichen Einschnitte im Programm. Aber generell gerät die Budget-Statik etwas in Schieflage.
Sie haben doch Rücklagen?
Ja, aber im überschaubaren Ausmaß – in der Höhe von nicht einmal einer Million für das Programm. Es gibt zudem Investitionsrücklagen, aber die brauchen wir für die Bauvorhaben der nächsten Jahre.

Hinter der Pferdeschwemme entsteht das Festspielzentrum.
Der „Festspielbezirk 2030“ …
Das Festspielzentrum hinter der Pferdeschwemme wird im Sommer 2026 fertig sein. Im Herbst nächsten Jahres startet die Hohlraumherstellung. Ab dem Herbst 2027 folgt die Sanierung des Großen Festspielhauses, der Abbruch des bestehenden Werkstättengebäudes und der Neubau. Wir reden über eine Fläche von 13 Fußballfeldern, die saniert und erweitert werden.
Die Kosten sind stark gestiegen. Wird das Projekt im geplanten Ausmaß realisiert werden können? Oder muss es Abstriche geben?
Es sind nicht die Kosten gestiegen, sondern die Preise für Bauprojekte: zwischen 2019, als wir das Projekt erstmals geschätzt haben, und 2023 um 37 Prozent. Daher liegen wir jetzt bei 400 Millionen Euro für die erste Phase. Die Verträge mit Bund, Land und Stadt sind unterschrieben, der Terminplan steht. Und wir haben 50 Millionen Euro eingespart, indem wir zum Beispiel das Raum- und Funktionsprogramm reduziert haben und auf Sanierungsmaßnahmen, die nicht unbedingt jetzt sein müssen, verzichten. Die Frage ist allerdings, ob sich das Einsparen langfristig auszahlt.

Die Werkstätten greifen künftig in den Berg (Rendering).
Und was beinhaltet die zweite Phase um 80 Millionen Euro?
Auch die Felsenreitschule muss saniert werden – und das Haus für Mozart, weil man einst, beim Umbau, auf die Sanierung des Bühnenturms verzichten musste. Über die Finanzierung dieser Phase wird erst verhandelt, das gesamte Projekt soll bis zum Sommer 2033 fertig sein.
2028 und 2029 kann das Große Festspielhaus nicht genutzt werden. Man braucht es aber u. a. für den „Jedermann“ bei Schlechtwetter. Haben Sie schon eine Lösung?
Wir arbeiten an der flexiblen Überdachung der Domplatz-Tribüne. Es braucht einen Entwurf, der von der Sachverständigenkommission zum Altstadterhaltungsschutz akzeptiert wird. Das ist nicht nur eine gestalterische, sondern auch eine technische Herausforderung, denn wir befinden uns im archäologischen Erwartungsgebiet ...
Was machen Sie mit den Opern?
Es gibt zwei attraktive Plätze in Altstadtnähe, wo wir eine temporäre Konzerthalle in Modulbauweise für 2.200 Zuschauer errichten könnten. Wir prüfen derzeit beide Standorte im Detail. Die Frage muss jedenfalls 2026 geklärt werden.
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