Geht das unpolitisch? Serie "Red Alert" über den 7. Oktober

Eine Frau hält ein kleines Kind im Arm, ein weiteres Kind steht neben ihr, im Hintergrund steigt schwarzer Rauch auf.
Die Serie „Red Alert“ erzählt den 7. Oktober 2023 aus der Perspektive von Überlebenden des Angriffs der Hamas.

Noch nie war die Hoffnung so realistisch, dass die von der Hamas verschleppten israelischen Geiseln in naher Zukunft freikommen. Mitten in diese Anspannung ist nun eine Serie auf Paramount+ erschienen, die die Geschehnisse des 7. Oktober 2023 in vier Episoden erzählt. Es ist eine israelische Produktion, aber unter anderem mit Beteiligung des US-Produzenten Lawrence Bender („Pulp Fiction“). „Es geht nicht um Politik, sondern um Menschen“, wurde im Vorfeld geworben. Aber ist das überhaupt möglich, die Politik in diesem mittlerweile global-gesellschaftlich so brutal umkämpften Thema zu umschiffen?

Die Serie versucht es jedenfalls. Präsident Netanyahu wird zum Beispiel niemals erwähnt. Tatsächlich würde man, wenn man die Serie ohne Vorbildung startet, sich erst einmal in einem allgemeinen Terrorthriller wähnen. Einer dieser Art, in dem normaler Alltag sich plötzlich in einen Horrorfilm verwandelt. Es werden die Geschichten von verschiedenen Überlebenden des Angriffs der Hamas erzählt: Da ist die Polizistin Nofar, die Dienst beim Nova-Festival hatte, die angeschossen wird und hofft, dass ihr Mann, Teil der Antiterror-Einheit sie rechtzeitig findet, bevor sie verblutet – oder sie in ihrem Versteck endgültig erschossen wird. 

Die Mutter und der Palästinenser

Da ist die Mutter Tali, die ihrem Sohn nachläuft, der sich sein Gewehr geschnappt hat, als er Schüsse gehört hat. Sie wird schließlich im Alleingang Verwundete evakuieren. Da ist der palästinensisch-israelische Vater Ayoub, der mit Baby und schwangerer Frau unterwegs war, als die Terroristen aus dem Nichts das Feuer auf ihr Auto eröffneten. Dabei stirbt seine Frau, er versteckt sich mit dem Baby. 

Und da ist die Familie, die ihren Schutzraum wegen kaputter Klinke nicht verschließen kann. Der Vater bleibt angeschossen zurück, während die Mutter mitsamt den drei Kindern entführt wird. Sie kann mit den Töchtern – eine davon auch ein Baby –, aber ohne Sohn entkommen, aber die Flucht stellt sie vor die nächsten Schwierigkeiten: Auf welcher Route werden sie nicht entdeckt? Wo sollen sie überhaupt hin, gibt es ihr Zuhause noch?

Bedrohung ohnehin Alltag

Die Serie zeigt Menschen, die mit Bedrohungsszenarien so vertraut sind, dass es für sie zum Alltag gehört, sich in einen Schutzraum zu begeben, überhaupt einen Schutzraum im Haus zu haben. Die sich, wie Mutter Tali, mit unvorstellbarem Mut unbeeindruckt der Gefahr stellen. Sie zeigt die Orientierungslosigkeit der Menschen dieses Tages, an dem die Armee erst spät zu Hilfe kam. Die Unsicherheit, ob man es mit Freund oder Feind zu tun hat. Besonders dramatisch demonstriert das der Moment, in dem Ayoub sich nicht vor den israelischen Soldaten ausweisen kann – weil ihm bisher kein israelischer Pass bewilligt wurde. Kurz zuvor hatte er die Soldaten aber unter Einsatz seines und des Lebens seines Kindes vor einem Hinterhalt gewarnt.

Fast schon zu subtil

„Red Alert“ ist keine Kriegspropaganda. Dafür zeigt die Serie die Verbrechen des 7. Oktober fast schon zu subtil. Das Grauen entfaltet sich etwa, wenn man erahnt, dass die Dehydrierung des Säuglings ein Vorteil ist, weil er dann weniger schreit. Zwar sind unentwegt erschossene Menschen zu sehen, aber verabscheuenswürdige Verbrechen wie ermordete Kinder und sexuelle Gewalt werden nicht erwähnt. Trotzdem wird „Red Alert“ von vielen als Propaganda bezeichnet werden. Manche davon werden die Serie vielleicht gesehen haben, die meisten jedoch nicht.

Das ist wahrscheinlich das Erschütterndste an dieser Produktion. Die Antwort ist leider: Nein, in diesem Krieg kann es derzeit nicht nur um die Menschen gehen.