Die Sommerzeit-Umstellung ist der Jetlag des Proletariats, heißt es in einem Cartoon, der dieser Tage verstärkt durchs Internet geistert.
Tatsächlich wird zur Zeit, wo sich große Teile der arbeitenden oder zur Schule gehenden Bevölkerung eine Stunde früher als gewohnt zu ihrem Tagewerk aufmachen müssen, ein oft verdrängter Umstand spürbar: Im Schlaf mag jeder Mensch für sich allein sein, Schlaf an sich aber ist in hohem Maß kollektiv organisiert und reglementiert. Sich dem Reglement zu widersetzen, ist demgemäß ein widerständiger Akt – einer, den sich nicht alle gleichermaßen leisten können.
Die Umstände, unter denen wir schlafen oder eben auch unseres Schlafs beraubt werden, wollen die Kuratorinnen Francesca Romana Audretsch und Lotti Brockmann mit einer Ausstellung im „Exhibit“-Schauraum an der Akademie der bildenden Künste Wien nun ins Bewusstsein rücken.
Unter Pflastersteinen ...
Die in der Schau „Sleepy Politics“ versammelten Exponate, die bis 21. Mai noch durch Performances und Workshops ergänzt werden, zeigen eine verblüffende Vielfalt von Avant-Schlaf-Bewegungen in aller Welt. Dem Diktat der Effizienz widersetzen sich deren Anhänger mit vordergründig harmlosen Maßnahmen wie Gähnen, Dösen oder Fläzen.
Da ist etwa die „Tang-Ping“-Bewegung in China, die dem Produktivitätsdiktat im Reich der Mitte das Motto „Liege flach, tue nichts, schraube deine Ambitionen hinunter“ entgegenhält. Das als Online-Meme erfolgreiche Wappentier der Bewegung ist eine flach am Rücken liegende Katze, der die Künstlerin Hannah Cooke in der Wiener Schau ein Denkmal setzt – in Form eines flauschigen Teppichs.
Das Herumfläzen in Kunsträumen hat in Wien wohl gewisse Tradition: Der Künstler Franz West nobilitierte es etwa mit seinen Diwanen und Rückgriffen auf die antike Kategorie des „Otium“, dem Gegenstück zur fleißigen Geschäftigkeit.
Dass der Luxus des Müßiggangs ungleich verteilt ist, wird nun aber für eine neue Generation zum Ansatzpunkt. So richtete das (in der Wiener Schau mit Videos präsente) Kollektiv „Black Power Naps“ im New Yorker MoMA einen Raum ein, in dem das Publikum noch bis 16. April nach Herzenslust abhängen kann. In „Nap Nights“ konnten Teilnehmende dazu vor Meisterwerken wie van Goghs „Sternennacht“ kuscheln.
... die Matratze
Hintergrund dafür sind Erhebungen, wonach ethnische Minderheiten signifikant weniger Schlaf bekommen als Weiße und überproportional von den gesundheitlichen Auswirkungen des Schlafmangels betroffen sind.
Dass ein Museum hier als Ort der Zuflucht und des Ausgleichs agiert, entspricht auch dem Wunsch nach Inklusion, den die einstigen Orte elitärer Erbauung zunehmend erfüllen. Es soll aber auch schon in früheren Zeiten vorgekommen sein, dass Menschen auf einer Museumscouch einnickten.
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