Postkoloniales Malen nach Zahlen: Wo Inhalt alles ist, ist Kunst nichts

Postkoloniales Malen nach Zahlen: Wo Inhalt alles ist, ist Kunst nichts
Die Schau von Rajkamal Kahlon in der Kunsthalle Wien verblüfft durch ihre Erwartbarkeit.

Die Bilder sind gegenständlich und daher „zugänglich“. Check – erstes Hakerl. Sie stammen aus alten „völkerkundlichen“ Büchern, beschäftigen sich also mit dem Erbe des Kolonialismus. Check. Durch „Interventionen“ – in diesem Fall aufgemalte Kleider, verfremdete Köpfe, veränderte Gesichter – drehen sie den kolonialen Blick um (check) oder stellen Klischees auf den Kopf (etwa mit aufgemalten Riesenpenissen. Check.) Als Malgrund dienen die Seiten eben jener alten Bücher, womit das Kolonialerbe überschrieben wird. Dass die ausführende Person of Color ist, versteht sich fast von selbst (Doublecheck).

Die Werke der Künstlerin Rajkamal Kahlon, die die Kunsthalle Wien nun im MuseumsQuartier zeigt (bis 9. 4. 2023), sind Produkte eines drängenden, notwendigen Prozesses der Bewusstseinsveränderung: In einer Welt, in der sich Schwerpunkte verlagern, Ungerechtigkeiten nach Aufarbeitung und Menschen verschiedenster Herkünfte nach Sichtbarkeit verlangen, müssen auch neue Bilder auf die Wände, die Bildschirme, in die Köpfe.

Postkoloniales Malen nach Zahlen: Wo Inhalt alles ist, ist Kunst nichts

Das Problem ist: Die in Berlin lebende US-Amerikanerin mit südasiatischen Wurzeln liefert dazu Illustration, nicht Innovation. Und sie ist damit nur ein Exemplar einer breiten Strömung von inhaltlich und politisch geleiteter Kunst, die Festivals wie die documenta dominiert und als besonders zeitgenössisch gilt.

Die Idee einer autonomen Kunstsphäre, in der mit formalen Experimenten und einem Wettstreit der Ideen um Innovation gerungen wird, wurde in diesem Diskursfeld auf ein Abstellgleis gestellt und gilt als Relikt vergangener Zeiten.

Leider bleibt bei Kahlon nur der Anblick einer routiniert auf alle möglichen Bereiche angewendeten Methode übrig. Neben dem Buch „Die Völker der Erde“ (1902) hat sich die Künstlerin den Ethno-Kitsch des jugoslawischen Illustrators Vladimir Kirin vorgenommen, ergänzte ihn mit Insignien des Krieges.

Um zu erkennen, dass die Vorlagen aus der Zeit gefallen sind, braucht es aber keine „Intervention“. Viel eher wird deutlich, dass sich das „kritische“ Durchdeklinieren ethnischer Klischees erschöpft hat. Es ist die akademische Malerei unserer Epoche.

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