Philharmoniker-Vorstand: "Kulturpolitik nicht optimal aufgestellt"

Wenn die Wiener Philharmoniker im Herbst in ihre neue Abosaison starten, erklingen Seejungfrauen und Waldtauben. Mit den beiden Stücken von Zemlinsky respektive Dvořák bestückt man unter anderem das neue Programm der traditionellen zehn Abokonzerte, die das Spitzenorchester am Freitag am Rande der Salzburger Festspiele vorstellte. So zufrieden sich Orchestervorstand Daniel Froschauer mit diesen Vorhaben zeigte, so wenig erfreut ihn derzeit die heimische Kulturpolitik.
"Kann auch nicht Spitalsdirektor werden"
"Die Kulturpolitik ist nicht optimal aufgestellt", machte der Musiker deutlich, ohne Namen zu nennen: "Wir bräuchten Kulturpolitik von Leuten, die dort zu Hause sind." Dies sei aber nicht der Fall. "Ich kann auch nicht Direktor eines Spitals werden - aber in der Politik geht das", wunderte sich der Violinist. In der heimischen Politik werde die Kultur in Regierungsverhandlungen stets als Verschubmasse betrachtet. "Mir kommt fast vor, in Österreich ist der Politik nicht bewusst, was sie an der Kultur hat", bedauerte Froschauer.
Sehr bewusst sei der Wert des Orchesters hingegen in Salzburg. "Die Wiener Philharmoniker ohne die Salzburger Festspiele sind nur schwer vorstellbar, und die Salzburger Festspiele ohne die Wiener Philharmoniker sind nur schwer vorstellbar", unterstrich Froschauer die Position als Festspielorchester. Wenn hier Probleme aufträten, löse man diese "liebevollst".
Neujahrskonzert 2026 mit zwei Komponistinnen
Zum Großprojekt Neujahrskonzert hielt sich der Philharmoniker-Vorstand einstweilen noch eher bedeckt - bis auf den Umstand, dass man sich mit Dirigent Yannick Nézet-Séguin darauf geeinigt habe, 2026 Werke von gleich zwei Komponistinnen zum Klingen zu bringen. Heuer hatte man mit einem Stück von Constanze Geiger erstmals die Arbeit einer Frau im Rahmen des Neujahrskonzerts gespielt.
Bei den Abokonzerten hingegen verfolgt man den in der abgelaufenen Saison neu eingeschlagenen Weg einer weiblicheren Pultbesetzung vorerst nicht weiter. Nachdem im Mai Mirga Gražinytė-Tyla als erste Frau ein Abokonzert des Orchesters dirigiert hatte, sind es nun wieder zehn Männer, die am Pult der Philharmoniker stehen werden - allesamt bereits mit Philharmoniker-Erfahrung. "Wir haben kein Debüt, aber wir hatten vier Debüts in der vergangenen Saison", unterstrich Geschäftsführer Michael Bladerer. Und letztlich sei der zweite Einsatz am Pult viel entscheidender als der erste: "Wir wollen ja eine langfristige Zusammenarbeit, keine Eintagsfliegen." Und so habe man mit allen vier Debütanten - darunter auch Shootingstar Klaus Mäkelä - bereits Folgeprojekte in Vorbereitung.
Routiniers bei den Abokonzerten
Unter den Dirigenten der zehn Abokonzerte findet sich etwa Tugan Sokhiev, der am 20. September den Auftakt mit Prokofjew und Strawinsky dirigiert. Zu den weiteren Maestri zählen altbekannte Größen wie Christian Thielemann, Jakub Hrůša oder Franz Welser-Möst. Zubin Mehta, der am 29. April 2026 seinen 90. Geburtstag feiert, steht am 21. März am Pult des Orchesters - wie schon seit fast 65 Jahren. Seit 55 Jahren durchgängig dirigiert Riccardo Muti die Philharmoniker, was er am 16. Mai 2026 mit den letzten drei Symphonien Haydns fortsetzt. "Wir möchten uns die Wiener Klassik als großes Symphoniekonzert von den Spezialensembles nicht wegnehmen lassen", machte Bladerer deutlich.
Das schließt anderweitige Abodebüts selbstredend nicht aus, und so findet sich Antonin Dvoraks letzte symphonische Dichtung "Die Waldtaube" im Talon, welche die Philharmoniker 1899 das letzte Mal gespielt haben. Auch Béla Bartóks "Klavierkonzert Nr. 3", das in der Interpretation von Lang Lang unter Andris Nelsons am 20. Februar 2026 erklingt, hat man bis dato noch nie im Abo gespielt. Und schließlich hat zumindest eine Frau im Abokonzert ihren Auftritt, wenn am 13. Juni Zemlinskys "Seejungfrau" erstmals im Abo-Konzertrahmen unter Lorenzo Viotti ihr trauriges Lied erklingen lässt.
(S E R V I C E - www.wienerphilharmoniker.at)
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