"Sommernachtskonzert" der Philharmoniker: Klassik unter Drohnen

SOMMERNACHTSKONZERT DER WIENER PHILHARMONIKER
Die Wiener Philharmoniker gaben vor der Kulisse von Schloss Schönbrunn wieder ihr Gratiskonzert, erstmals mit den Sängerknaben und Dirigent Tugan Sokhiev.

Da rede noch mal einer über komische Regietheatereinfälle: Justament, als Piotr Beczała, kurz in die Rolle des Don José geschlüpft, beim "Sommernachtskonzert" der Wiener Philharmoniker der Carmen seine Liebe entgegenschmelzt, rattert eine Hubschrauber über den Schönbrunner Schlossgarten. "Hubschrauber, je t'aime", denkt man sich, hat man so auch noch nie auf einer Bühne gesehen. 

Auch sonst hörte man bei dem gelungenen Konzert zuweilen die Klänge der Großstadt, erfreute sich am Leuchten von Schloss und dreier Drohnen, die über der Bühne der Dinge harrten, und genoss bei perfektem Wetter ein paar Greatest Hits aus Oper, Operette und Orchestermusik und einige Gustostückerln, erstmals unter dem Dirigat von Tugan Sokhiev.

SOMMERNACHTSKONZERT DER WIENER PHILHARMONIKER

Das Programm des Gratiskonzerts, das erneut  Zehntausende Besucher anlockte und fast live im Fernsehen zu sehen war,  war wie jedes Jahr - sagen wir mal - kleinteilig-vielfältig (um nicht zu sagen, ein wenig Gemischtwarenladen). Von Offenbach bis Puccini, von Grieg über Tschaikowsky und Berlioz bis zum Strauss-Hit "Wiener Blut" war vieles von dem dabei, das man gerne hört.

Zu Beginn gedachte man mit Bachs "Air" aus der Orchestersuite Nr. 3 in D-Dur und einer Schweigeminute der Opfer des Attentates von Graz. "Wir hoffen, dass die Musik den Schmerz etwas lindern kann", sagte Sokhiev.

SOMMERNACHTSKONZERT DER WIENER PHILHARMONIKER

Bis zum Neptunbrunnen unter dem Glorietteaufstieg standen die Menschen, 53.000 sollen es gewesen sein, vor der Bühne saßen die VIPS und zahlten, umrahmt von den kaiserlich zurechtgestutzten Bäumen, 9 Euro für den Halbliter-Spritzerbecher, Rockfestival-Preise also, liebe Grüße zum Nova Rock nach Nickelsdorf. 

Beide Publikumssegmente hörten in Folge orchestrale Brillanz über große Lautsprecher. In die Sommerabendstimmung hinein erfreute Griegs "Morgenstimmung" aus der Peer-Gynt-Suite mit ihrem verhaltenen Frühmorgen-Optimismus, eine Emotion, die man derzeit sehr gut brauchen kann.

Die Wiener Sängerknaben hatten als Elfenchor bei Offenbachs "Rheinnixen" ebenfalls ihren ersten Auftritt bei einem "Sommernachtskonzert", und da kam viel von dem zusammen, was man an Wien mögen kann: Imperiale Architektur, Matrosenuniformen, der Klang der Wiener Philharmoniker und eine gewisse Gratismentalität, die den Klang des Spitzenorchesters aus dem Operngraben und dem Musikverein an die frische Luft und zu den Leuten bringt.

SOMMERNACHTSKONZERT DER WIENER PHILHARMONIKER

Gemeinsam mit Beczała fuhr man dafür ziemlich genau in der Mitte des Programmes einen der größten Arienkracher überhaupt, Puccinis "Nessun Dorma!" aus der "Turandot" auf. Eine überaus dankbare Vorlage für den tollen Sänger, der diese wieder mit Hilfe der Sängerknaben gekonnt zum tenoralen Kantersieg verwandelte. Man war gerührt, auch von Emmerich Kálmáns bittersüßer Liebeserklärung an Wien aus der "Gräfin Mariza", die den Hauptteil des Programms beendete.

Das alles wurde mit hohen Aufwand vom ORF eingefangen und in alle Welt ausgestrahlt. "Digisuper 100 AF" stand auf der großen Kamera, die mit direktem Blick auf die Bühne die Gesten des Dirigenten und die Mimik Beczałas einfing, ein Name wie aus einem Bilderbuch. Über das Publikum hinweg schnurrte eine Kamera an gespannten Seilen hin und her, direkt vor dem Orchester drehte sich eine Roboterkamera. Derartiger Aufwand wird oftmals in viel weniger Sinnvolles gesteckt.

SOMMERNACHTSKONZERT DER WIENER PHILHARMONIKER

Sokhiev setzte auf knackige Tempi, etwa beim "Blumenwalzer" aus dem Nussknacker, und brachte das Orchester derart ordentlich in Schwingung, was gut war, um die 100 Minuten Konzert nicht allzu entspannt werden zu lassen. Gegen 22.30 Uhr dann viel Applaus, und danach eilte man so rasch es ging zu Bus, U-Bahn und Taxi. Den Spritzerbecher konnte man übrigens mitnehmen.

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