Nova Rock: Flacher Auftakt, volle Dröhnung

Jonathan Davis von Korn.
Vom Nova Rock gibt es nur zwei Varianten: Entweder man geht im Schlamm unter oder man frisst Staub. Heuer ist wieder Letzteres angesagt. Besser als im Gatsch baden, würde ich jetzt mal behaupten. Aber auch mit Trockenheit muss man umgehen können. Die Empfehlung lautet: Zwischen dem Bier (0,5 um 6,90 Euro ohne Pfand) und dem Magenbitter immer wieder Wasser trinken. Einschmieren nicht vergessen. Am Tag braucht es Sonnenhut und Sonnenbrille, für den Abend eine Jacke, weil es ziemlich frisch wird. Und da hier gerne der Wind geht – nicht umsonst stehen hier überall Windräder in der Gegend herum -, kann man auch mit einer Maske herumlaufen. Der am Festival gesichtete Typ mit dem Darth-Vader-Kostüm hat also durchaus einiges richtig gemacht.

Apropos Design: Das der Red Stage wurde überarbeitet. Statt Lichteffekten zieren nun neben zwei Screens riesige Adlerflügel die Seitenwände. „Der Adler ist gelandet“, freute sich im Vorfeld der Nova-Rock-Intendant Ewald Tatar. Man hätte statt einem Adler auch eine andere, im Burgenland oft anzutreffende Vogelart nehmen können, wie etwa eine Gans oder einen Storch, aber das wäre für ein Rock-Festival - Pardon! - "Österreichs größtem Rock-Festival" wohl zu soft gewesen. Und soft ist hier wenig. Denn auf den Pannonia Fields reagiert die Härte: Harte Jungs, harte Riffs, harter Boden, harter Pizzarand (zumindest die „am Stein gebacken“ Flade von „Mario“).
Anreise ohne Probleme
Noch lange bevor die erste Band eine der insgesamt drei Bühnen betrat, war der Parkplatz und das Campingareal voll. Am Mittwochnachmittag war die Anreise zum Festival also fast schon beendet. Wer zum Nova Rock fährt, muss sich Urlaub nehmen oder sollte keiner geregelten Arbeit nachgehen. Denn die Party startet bereits am Dienstag und dauert oft bis Sonntagabend. Für fünf Tage „tutto gas“ braucht es natürlich den nötigen Sprit, der auf Leiterwagen zum Campingplatz gerollt wird. Das Bier für fünf Tage ist zwar schon nach drei Stunden lauwarm, aber nur die Harten kommen in den Garten.

Den Anfang am ersten Festivaltag machten Dead Poet Society um 16:30 Uhr. Haben die ersten paar Songs der Band aus Boston nur wenige mitbekommen, war das Gelände nach einer halben Stunde gut gefüllt. Dann war aber schon wieder Schluss. Schade drum, das war nämlich gar nicht so schlecht, was die Jungs da lieferten – irgendwo zwischen Alternative-Rock, Grunge und Emo-Indie-Kram der Marke Muse. Ambitioniert, handwerklich sauber gespielt. Die Gitarren sind trocken, gerne verzerrt. Der Gesang von Jack Underkofler würde einer Popband gut stehen. Vielleicht sollte er sich mal Gedanken darüber machen. Vielleicht würde er dann nicht schon am Nachmittag spielen, sondern zur Primetime.
So flach wie die pannonische Tiefebene sind auch die Höhepunkte, die das Line-up am ersten Tag bietet. Abgesehen von Korn hat man vom Großteil noch nie etwas gehört. Blackgold? The Ghost Inside? Seven Hours After Violet? Das klingt alles nach seichten Horror-Romanen oder Adventure-Spiele für den PC, sind aber Bands. Aus Seven Hours After Violet könnte sogar noch etwas werden, denn immerhin spielt dort der System-of-a-Down-Bassist Shavo Odadjian mit. Es gibt auch bereits ein Debütalbum und Songs, die durchaus Potenzial haben – vor allem dann, wenn der Gitarrist Alejandro Aranda den Gesangspart übernimmt und einem der Sänger Taylor Barber nicht andauern anschreit.
Als Freund der etwas feineren musikalischen Gangart kommt man sich am Nova Rock - zugegeben - etwas verloren vor, man fühlt sich wie die haushohe "FM4-Ente", die irgendwo zwischen Toi-Toi-WC-Sperrgebiet und Bandausgabe abgestellt wurde. "FM4-Musik" findet man hier aber keine. Auch nicht auf der nach einem Energydrink benannten Bühne. Auf dieser dürfen sich zwar ein paar heimische Acts vorstellen, darunter The Fleur und Vandans, aber der Funke springt selten über. Das Problem: Der Wind weht von der Blue Stage den Sound rüber. Wenn man da nicht direkt vor den Boxen steht, vermischt sich das alles zu einem Brei.

Taylor Barber von Seven Hours After Violet
Damit Langeweile erst gar nicht aufkommt, haben sich die Veranstalter wieder einiges einfallen lassen: Es gibt allerhand zu essen. Viel fettiges Zeug. Die Unterlage muss stimmen. Mit einem gemischten Salat hüpft man beim Moshpit nicht allzu weit. Also eher Fleisch in allen Varianten und Geschmacksrichtungen: Burger, Hotdogs, Chicken Wings, Gyros, Bier-Leberkäs oder Biersurbraten. Dazu viel Pommes und Langos. Man kann sich aber auch ins braune Gras legen, einen Schatten unter den einzigen, noch sehr kleinen Bäumen am Festivalgelände suchen. Zwölf sind es an der Zahl. Einer davon hat es bereits schon wieder hinter sich. Der Arme. Die anderen elf liefern sicher irgendwann, vielleicht so ab 2043 ausreichend Schatten für zumindest 300 Menschen - wenn sie bis dahin nicht ebenfalls eingegangen sind.
Man kann sich am Festival auch modisch inspirieren lassen, die T-Shirts der anderen Besucherinnen und Besucher ansehen, sich fragen, warum so viele Metallica-Shirt-Träger anwesend sind. Die Man kann aber auch selbst beim Merchandising-Stand neu ausstatten. Irgendwas muss man vom Nova Rock ja mit nach Hause nehmen – als Andenken. Wer etwas für immer sucht, wird sicherlich bei "Mom Said No Tattoo" fündig. Ob’s der Mama dann auch so gut gefällt, wird sich noch zeigen ...

Mit The Warning betreten am frühen Abend die ersten Frauen die Red Stage. Die Band aus Mexiko besteht aus den drei Schwestern Alejandra, Daniela und Paulina. Musikalisch kehrt mit dem Trio etwas Ruhe am Festivalgelände ein. Zu gerne melodisch, druckvoll, mit Groove gespielten Gitarren sorgen die Schwestern für ein wenig sommerliche Leichtigkeit.

Mit Knocked Loose aus Kentucky (USA) geht es mit enormer Wucht den Sonnenuntergang entgegen. Der Gesang von Bryan Garris ist gewöhnungsdürftig, man könnte auch anstrengend dazu sagen. Er brüllt nicht, er schreit, keift, kreischt. Der Rest der Band agiert im Hintergrund ohne Rücksicht auf Verluste: Kein Schnickschnack, kein Kompromiss. Dazu gibt es Visuals von einem Friedhofsbesuch und ein Neon-Kreuz in der Mitte der Bühne – es verweist auf das aktuelle Werk der Band, „You Won’t Go Before You’re Supposed To“. Das will natürlich mystisch verstanden werden.
Ein solides Gastspiel absolvierten Spiritbox. Die Band um Sängerin Courtney LaPlante und ihren Ehemann Mike Stringer an der Gitarre lieferten aufgeblasenen und theatralisch inszenierten Metal, der auch gerne mal in Richtung Emo-Rock der Marke Evanescence abdriftet.

Spiritbox-Sängerin Courtney LaPlante.
Schweigeminute
Der Amoklauf an einer Grazer Schule ist auch am Nova Rock nicht spurlos vorbeigegangen: Es wurde der Opfer mit einer Schweigeminute gedacht, bei der das gesamte Festival kurz inne hielt. "Der Schmerz sitzt bei uns allen sehr tief", sagte Festivalchef Ewald Tatar auf der Bühne.
Direkt im Anschluss durften Korn den ersten Tag des diesjährigen Nova Rock beenden - mit einem Auszug ihrer Arbeiten, mit denen sie seit fast 30 Jahren durch die Welt touren. Songs mit wütenden Gitarren, grimmigen White-Trash-Albträumen und etwas neben der Spur befindlichen Dudelsack-Einlagen, für die man sie entweder hasst oder liebt und deshalb für immer vergöttert, egal, was sie auch immer für fragwürdiges Zeug abliefern.

Dabei ist es egal, dass sich die Band rund um Sänger Jonathan Davis seit einigen Alben auf dem Höhepunkt ihres Tiefs befindet. Da kommt wenig bis nichts. Bis auf einige Ausnahmen ist das alles eher blutleer. Trotzdem reicht es für eine Headliner-Show beim Nova Rock. Das nennt man Treue. Bis der Tod uns scheidet. Oder so.
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