"On Stage": Wenn die Künstler auf der Bühne ziemlich alt aussehen

Show nur für die Presse: „Go-Go Dancing Platform“ von Félix González-Torres samt Tänzer
Die Ausstellung „On Stage. Kunst als Bühne“ im Museum moderne Kunst kritisiert unter anderem patriarchale Strukturen

Die ganze Welt ist Bühne, daher auch das Museum. Und die Kunst. Und für die Werke der Künstler sind die Ausstellungen die Bühne. Warum also die Sammlung nicht nach „Darstellungen des Bühnenhaften und des Rollenspielens“ befragen? Gesagt, getan: Das Museum moderner Kunst zeigt gleich zehn Monate lang (bis 14. Jänner 2024) die Schau „On Stage“.

Wer aber steht nun „auf der Bühne“? Eine konkrete Thematik? Das Theater? Der Akteur? Die Popkultur? Der Krieg? Alles zusammen? Im mumok hat man sich keine Mühe gemacht, das extrem weite Feld – jedes gestellte Porträt ist eine Inszenierung – einzugrenzen. Die Befragung der Sammlung mündet daher in einer lückenhaften Bestandsaufnahme.

Für Rainer Fuchs als Regisseur dieser Inszenierung, die sich auf die Ebenen -2 und -4 erstreckt, bilden der Wiener Aktionismus und die Wiener Gruppe den Ausgangspunkt. Mit dem Verweis auf die „Uniferkelei“ von 1968 wird der Auftakt zur Hommage an Peter Weibel, der sich damals mit seiner Feueraktion fast die Hände verbrannt hätte – und nun, am 21. März um 14 Uhr, auf dem Zentralfriedhof in allen Ehren begraben wird.

 

Wie es sich heute gehört, wird kontextualisiert: Carola Dertnig kommentiert die Aktion „Kunst und Revolution“ aus feministischer Sicht. Und als Ergänzung zu den Aktionen von Otto Muehl weist die Gruppe Mathilda auf die rohe Gewalt hin, die der Kommunenchef gegenüber Kindern ausgeübt hat. So wichtig diese Aspekte sind: Sie führen weit weg von dem, was man sich von der Ausstellung erwartet hat. Überaus erwartbar hingegen ist die mechanische Installation von Paul McCarthy, der einst vom Wiener Aktionismus beeinflusst wurde und erst vor einem halben Jahr mit einer äußerst derben Show gastierte (der Standard sprach von einer „Volkstheaterferkelei“).

Kandierter Apfel

Die zweite Ausstellungsfläche ist ein ziemliches Kunterbunt, es geht um Identitätsfragen und Rollenzuschreibung, um Rassismus und Kolonialismus. Das Gemälde von Emília Rigová zeigt eine vermummte Frau als Freiheitsstatue, die laut Saaltext „anstelle der Fackel einen Lolli“ hochhalten würde. Wer genau schaut, wird allerdings einen kandierten Apfel am Stiel entdecken. Diese Arbeit dient wohl nur als Hinweis auf die Rigová-Ausstellung auf der Ebene -3.

Thomas Struth hat die Betrachter eines Kunstwerks abfotografiert; von Michael Schuster ist die analoge Nikon ausgestellt, die jeden ablichten würde, der im richtigen Abstand vor die Linse tritt. Bei der Presseführung hat die „Autofokusfalle“ allerdings nicht funktioniert.

Dafür tanzte ein Mann auf der „Go-Go Dancing Platform“ von Félix González-Torres, die auch 2015/’16 in der Schau „To expose, to show, to demonstrate, to inform, to offer“ zu sehen war. Wann der Tänzer wieder auftritt, ist nicht bekannt. Die Arbeit funktioniere auch ohne ihn, versichert Fuchs. Warum dann überhaupt die Show für die Presse?

 

"On Stage": Wenn die Künstler auf der Bühne ziemlich alt aussehen

Cosima von Bonin: Backstage-Installation

Dem Kurator gelingen aber etliche reizvolle Kombinationen und Zurechtrückungen. Katrin Plavčak zum Beispiel antwortet mit Frauenporträts auf die von Männern dominierte Kunstwelt Jörg Immendorfs, der in diesem Umfeld ziemlich alt aussieht. Denn für die zentralen Arbeiten sorgen Cosima von Bonin (mit einer Backstage-Installation im Teil „In Concert“) und Anna Boghiguian: Sie zeigt ein mächtiges Schach- als Schlachtfeld mit Machthabern und Philosophen als zweidimensionalen Spielfiguren. Das Spotlight ist also nicht so sehr auf die Bühne gerichtet, sondern auf den Machismus. Auch gut.

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