"Unerträglich": Eklat um Nan Goldins Eröffnungsrede in Berlin
Die Künstlerin eröffnete Ausstellung mit Kritik am Vorgehen Israels im Gaza-Krieg. Museumsdirektor wurde bei Gegenrede niedergebrüllt
Die Künstlerin Nan Goldin, die sich mit Fotografien der New Yorker Bohème, aber auch mit ihrem Aktivismus gegen die Pharma-Familie Sackler einen Namen gemacht hat, nutzte die Eröffnung ihrer Werkschau in der Neuen Nationalgalerie Berlin als Plattform, um ihre Standpunkte zu Gaza-Krieg darzulegen. Das Event wurde in der Folge zu einem Kristallisationspunkt für die Spannungen zwischen pro-palästinensischen Aktivisten und der im offiziellen Deutschland gepflegten Haltung zum Konflikt.
Ihre knapp vierzehnminütige Rede hatte sie mit einer vierminütigen Schweigepause begonnen, um an die Todesopfer in den palästinensischen Gebieten, im Libanon und auch in Israel zu erinnern, wie sie sagte.
Holocaust-Vergleiche
Goldin, die aus einer jüdischen Familie stammt, sagte auch: „Meine Großeltern entkamen den Pogromen in Russland. Ich bin mit dem Wissen über den Nazi-Holocaust aufgewachsen. Was ich in Gaza sehe, erinnert mich an die Pogrome, denen meine Großeltern entkommen sind.“ Goldin sagte unter anderem auf der Bühne auch: „Die gesamte Infrastruktur Palästinas ist zerstört worden. Die Krankenhäuser, die Schulen, die Universitäten, die Bibliotheken. Es ist auch ein kultureller Völkermord. Warum kannst du das nicht sehen, Deutschland?“
Niedergebrüllt
Ihre Rede wurde von lautstarkem Applaus von Teilen des Publikums begleitet. Nach Goldins Rede entgegnete der Direktor der Neuen Nationalgalerie, Klaus Biesenbach, auf der Bühne einige Sätze, war aber wegen der skandierenden Aktivisten kaum zu hören.
„Wie ich bereits in meiner Einleitung erwähnt habe, stimme ich mit Ihrer Meinung nicht überein“, sagte er. „Dennoch stehe ich für Ihr Recht ein, sich frei zu äußern.“„Unsere Arbeit stützt sich auf grundlegende Werte, die nicht zu negieren sind“, fuhr Biesenbach fort. „Das Existenzrecht Israels steht für uns außer Frage. Der Angriff der Hamas auf den jüdischen Staat am 7. Oktober 2023 war ein grausamer Terrorakt, der durch nichts zu rechtfertigen ist.“ Er ergänzte: „Gleichzeitig fühlen wir mit der Zivilbevölkerung im Gazastreifen und im Libanon mit, deren Leid nicht übersehen werden darf.“
Kritik an Goldins Haltung kam von Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, zu der die Nationalgalerie gehört: „Ich empfinde die von Nan Goldin im Zuge der heutigen Eröffnung ihrer Retrospektive gemachten Äußerungen als unerträglich und durch ihre Einseitigkeit gefährlich verharmlosend“, sagte er.
Auch die deutsche Kulturministerin Claudia Roth äußerte sich am Samstag: „Ich bin entsetzt, wie der Direktor der Neuen Nationalgalerie niedergebrüllt wurde“, erklärte die Grünen-Politikerin. „So ein Verhalten ist absolut inakzeptabel und es ist ein Angriff auf das Museum und die kulturelle Arbeit, den ich auf das Schärfste verurteile.“
Die Neue Nationalgalerie musste sich im Anschluss an die Veranstaltung auch noch von Aussagen der Protestierenden distanzieren, die „nicht dem Code of Conduct des Hauses“ entsprochen hätten. Direktor Biesenbach stellte klar, dass die Institution „für Meinungsfreiheit und einen respektvollen Dialog und Umgang miteinander steht.“
Die 71-jährige US-Amerikanerin Nan Goldin zählt zu den renommiertesten Künstlerinnen der zeitgenössischen Fotografie. Die große Retrospektive mit dem Titel „This Will Not End Well“ ist ab 23. November bis 6. April 2025 in der Neuen Nationalgalerie in Berlin zu sehen.
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